Heilmethoden des Ayurveda und Land und Leute in Sri Lanka.
(Ein persönlicher Bericht mit persönlichen Eindrücken von Samarpan).
Da lag ich in einem tropischen Garten, hörte den Vögeln zu, beobachtete einen Pelikan, der mit weisem Blick auf dem See vorbeiglitt, vernahm das Geräusch von Fischerbooten auf dem Wasser, die aufgeregte Turnen einer Affenfamilie in den Bäumen über mir und nahm weiter wahr, dass jemand in wohltuender Weise meine Füsse liebevoll massierte. Ich träumte offensichtlich nicht! Es war Realität, da ich bei Beginn der Fussmassage eingeschlafen war. Die Müdigkeit von der Reise mit fast 14 Stunden forderte ihren Tribut. Ich war wirklich ein einem paradiesischen Garten und erhielt bei Ankunft mein erstes Ayurveda-Treatment: die Fussmassage. Das bekam ich, ohne es mir extra zu wünschen, 3 Wochen lang.
Zum Ende der Massage wurde ein frischer Fruchtsaft gereicht – ich war angekommen! Aber der Reihe nach, denn auch die weiteste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Das Vorhaben
In die Ferien wollten wir. Die Wohltaten einer ayurvedischen Behandlung wollten wir uns gönnen, und obwohl das inzwischen auch in der Schweiz und Deutschland möglich ist, wollten wir es an der Quelle, original im Lande der Entstehung kennen lernen – in Sri Lanka, und damit auch bezahlbarer als in unseren Hochpreisländern. Und warm sollte es auch sein, denn hier war Winter mit Minusgraden und Schnee. Dass aus dem medizinischen Anlass interessante Ferien wurden, und wir dabei die Menschen von Sri Lanka kennen lernen durften, haben wir uns nicht träumen lassen.
Was ist Ayurveda?
In der Bedeutung heißt Ayurveda das Wissen vom Leben, ist älter als unsere christliche Zeitrechnung und hat den Schwerpunkt in der Prävention von Krankheiten, insbesondere durch Regeln für ein gesundes Leben und individuelle Empfehlungen, die sich nach der Konstitution des Einzelnen richten.
Einfach und kurz formuliert unterscheidet Ayurveda drei Doshas (Vata, Pitta und Kapa), die jeweils eine differenzierte Ernährung beachten sollten. Nach ayurvedischer Lehre entsprechen die Doshas auch den charakterlichen Eigenschaften. Während einer Kur sollte auf Alkohol, Nikotin und Fleisch verzichtet werden und obwohl ich kein „gebürtiger“ Vegetarier bin, das sollte schon gehen.
Die Entscheidung
Eine richtige Ayurvedakur wollten wir uns also schenken; die Kosten für drei Wochen zu 720 Euro je Woche zzgl. Flug sind irgendwie zusammengekommen. In diesem Preis war alles enthalten; die Fahrten vom und zum Flughafen, alle ärztlichen Betreuungen und Medikamente, Anwendungen, Unterkunft und Verpflegung. Weitere Ausgaben vor Ort waren nur möglich, wenn man Ausflüge nach Colombo zum Shopping machen wollte.
Wir sichteten die Angebote, wo und wie wir in Sri Lanka eine Ayurvedakur machen können. Klar war, dass wir eine komplette 3-wöchige Kur machen wollten und nicht nur 14 Tage Wellness. Wir hatten davon gehört, dass eine vollständige Panchakarma-Kur (der Name Karma liess viel erwarten oder befürchten) mit tagelangem Erbrechen beginnt. Nein, danke! Das muss nicht sein, schon am Morgen warme, flüssige Butter trinken und dann alles retour. Der Prospekt des Spring of Life versprach, darauf zu verzichten.
Und so fiel uns die Auswahl nicht schwer, hatten wir doch zusätzlich eine Empfehlung für dieses Haus mit nur 19 Betten (und 28 Personen Personal!), abseits des Touristenrummels an Bolgodalake gelegen. Die Leitung hat eine deutsche Frau, die viermal im Jahr für etwa 6 Wochen dort ist und sonst im Allgäu wohnt. Was für eine Frau das war, sollten wir später staunend immer wieder erfahren! Ihre natürliche, spirituelle Ausrichtung ware mitentscheidend für unsere spätere Begeisterung, und wir waren froh, dass wir gerade dieses Haus gewählt hatten.
Somit hatten wir uns gegen die vielen Strandhotels mit Ayurvedabetrieb entschieden und das war gut so. So vermieden wir auch Belästigungen durch die vielen Strandverkäufer. Auch blieben uns eindeutig zweideutige Angebote auf der Mann/Frau- oder Mann/Mann-Ebene erspart, denn auch das gibt es inzwischen in manchen Strandhotels mit ayurvedischem Angebot und offenbar Sex-Sonderangebot. Wer es denn mag .... Ob es das auch "inklusive" gibt oder gegen Aufpreis – wir wissen es nicht.
Wir wollten jedenfalls etwas für unsere Gesundheit tun, und zwar rein ayurvedisch.
Ein kleines Paradies: Spring of Life
Das kleine Ayurvedazentrum Spring of Life hat einen parkähnlichen tropisch-üppigen Garten mit zwei Häusern. Es liegt am Bolgoda-See, der aus einem Gemisch von Salz- und Süsswasser besteht (und mangels Kläranlagen auch aus Abwasser, deshalb bitte keine Geschmacksprobe vornehmen). Auf dem See gibt es zahlreiche Vögel zu beobachten und auch Warane und Mungos schauen schon mal vorbei. Der Mensch gehört glücklicherweise nicht zur Nahrungskette dieser gefährlich aussehenden Echsen.
Emsige Gärtner arbeiten täglich 10 Stunden, um den Garten von seiner besten Seite zu präsentieren. Masseure, Küchen- und Service-Personal, sowie Mitarbeitende im Management vervollständigen die Crew. Alle sind herzlich und unaufdringlich freundlich; sie tun alles, damit sich der Gast wohl fühlt. Die Trinkgeldfrage ist gut gelöst, da das Trinkgeld in eine Box im Office gesteckt werden kann. Die Verteilung erfolgt dann unter allen Beschäftigten gleichmässig – eine schöne Einrichtung, die dem Gast die Begegnung mit unangenehmer trinkgeldheischender Freundlichkeit erspart. Das ist sehr entspannend.
Nach den letzten 24 Stunden, fast ohne Schlaf auf der Reise, wurden wir mit einem Trommelwirbel willkommen geheissen, das Gepäck wurde uns abgenommen und ein kaltes farbenfrohes, aber frisch-natürliches Getränk kredenzt; das machte wach. Die Mitarbeitenden standen Spalier und strahlten uns aus dunkelbraunen Augen an – ein schöner Anblick, aber auch fast ein wenig peinlich anmutend für jemanden, der im normalen Leben ohne Diener auskommen muss. Ja, die meinten wirklich uns!
Einer der Gärtner hatte aus gefärbten Kokosraspeln und Dattelkernen ein farbenprächtiges fantasievolles Welcome-Mandala gelegt. Nur für uns? Das kann doch nicht sein! Es war aber so.
Zwei Tage später kamen neue Gäste – ein neues Mandala wurde am Abend vorher gelegt und nun glaubten wir es. Der Boy machte es in stundenlanger Arbeit bis in die späte Nacht hinein – mit hingebungsvoller Freude. Unglaublich!
Der Doktor verschreibt uns Schoggi!
Nach kurzer Besichtigung des Zimmers (gross und sauber), wurden wir in den Garten am Pool gebeten, wo der Ayurvedadoktor die Eingangsuntersuchung machte und verschiedenes fragte (Stuhl? Ja, gestern! Urin? Eben noch! Schlaf? Morgen! Appetit? Immer!). Ich schaute mir den Doktor an: Ihm ragten die Haare büschelweise aus den Ohren – das deutet man hier als gutes Zeichen (für erweiterte Wahrnehmung? Könnte aber auch für eine Nebenrolle bei Star Trek reichen). Während er noch plauderte, nahm er die verschiedenen Pulse an meinem Handgelenk wahr, checkte den Blutdruck (natürlich wieder zu hoch bei mir) und legte die Reinigungs-Therapie für die ersten 5 Tage fest: Öl-Synchronmassagen von 2 Masseuren (35 Minuten), Schokolade am Abend (wie freuten wir uns, bis wir am Abend merkten, dass es eine Kräuter-Sesampaste war, die den Darm reinigt und aufbaut, und nicht so toll schmeckte; von Schoggi keine Spur, sie wird nur so genannt!), Fussmassagen, Kopfmassagen, Kräuterbäder – alles täglich.
Die Kur – der Tagesablauf
Um 7.00 Uhr morgens wurde die erste Tasse Kräuter-Tee ans Bett gebracht (schöne Geste, aber warum so früh). Um 7.10 Uhr will die Darmbeschleunigungspaste aus speziellen Kräutern wieder den Körper verlassen. 7.20 Zähneputzen mit einer spezial-ayurvedischen scharfen Zahnpasta. Um 7.30 Frühstück (1 Gläschen frisch zubereiteten Heilkräutertrank, 1 Gläschen Knoblauchwasser. Dazu eine grüne Suppe mit Kräutern aus dem Garten und etwas Reis darin; später Papaya und Banane) und endlich die "Hauptspeise": Gekochte Kichererbsen oder Mungbohnen mit frischen Kokosraspeln! Nach einigen Tagen der Gewöhnung war es eine köstliche Morgenmahlzeit. Dazu noch Tee, natürlich aus Kräutern, und reichlich warmes Wasser. En Guete! Der Kräuterheiltrank war zeitlich aufwändig (täglich ab 4 Uhr morgens) und bestand aus einer individuellen Kräutermischung (bis zu 96 Kräuter), die mit 8 Tassen Wasser aufgekocht und auf eine Tasse heruntergekocht wurde. Diese gesammelte Kraft der Kräuter tut dem Körper gut!
Zwischen 9.00 und 12.00 Uhr eine Synchronmassage von zwei Masseuren gleichzeitig mit viel Öl oder den Öl-Stirnguss (Shirodhara) – beides zum Dahinschweben und dabei in die Leichtigkeit des Seins aufgehen. Danach Ruhe und eine Fussmassage auf der Liege im Garten und am Pool, und erneutes Dahinschweben in Wunschlosigkeit. Vorher sorgte noch ein Besuch in der Sauna (Vorsicht: Geschlechtertrennung) für die Öffnung aller Poren.
Den Fischadlern, Reihern, Pelikanen und Affen zusehen und dann – endlich das Mittagessen: Köstliche Curry-Gerichte aus den Gemüsen und Wurzeln des Landes und ein kleines Gläschen Kräuterwein für einen guten Appetit (den hatte ich allerdings sowieso). Dazu warmes Wasser zum Trinken. Brrrr! Aber so gesund!
Ab 14.00 Freiluftmassage im Garten (Kopf, Schulter, Gesicht oder Beautybehandlung), und um 16.00 Uhr wurde Gebäck und Tee gereicht. Danach Ruhe, schwimmen, lesen, dösen und Vorbereitung auf das Abendessen. Gelegenheit zum Stress: Fehlanzeige. An anderen Tagen gab es ein Kräuterbad oder die Steambox (Dampfkiste, vielleicht ein Vorgängermodell des Dampfentsafters?).
Irgendwann gibt es vom Haus eine Überraschung; welche? Wird nicht verraten, aber man fühlt sich danach total renoviert und entfaltet im Gesicht. Und zum Schluss gibt es ein Blütenbad. Die Badewanne voll frischer Blüten und ich darin, toll! Auf dem Foto hinterher sah es noch schöner aus!
Die spezielle Anwendung Shirowasthi, bei der man einen oben offenen Hut auf den Kopf gesetzt bekommt, der dann mit warmem Öl angefüllt wird, so dass der Kopf in Öl schwimmt ist, fand nicht immer meine ungeteilte Freude, da das Öl fast nicht mehr aus den Haaren herauszubekommen war. Damit man weiter in den Spiegel schauen konnte, bekam man für den Rest des Tages einen Turban aufgesetzt.
Die wohlfrisierten weiblichen Gäste wurden ebenfalls gnadenlos mit Öl begossen, dass sie ihre gestylten Frisuren tagelang nicht wiedererkannten.
Was nicht gemacht wird, ist die reine Panchakarma-Kur, denn den westlichen Gästen ist das tagelange Erbrechen zu Anfang der Kur einfach zu unangenehm. Und die gemilderte Form mit der Kräuter-Schokolade fand ich gut, denn Gewicht verloren habe ich alleine durch das landestypische vegetarische Essen (oder wars der fehlende Alkohol am Abend?).
Ich will nicht in die Steambox!
Nach einer Woche genussvoller Anwendungen und Massagen kam die zweite Woche: Sauna, Fussmassage, Kräuterbad oder Steambox. Kräuterbad war o.k., obwohl man im Wasser weiterzuschwitzen glaubte – es war eben Reinigung auf allen Ebenen angesagt.
Aber dieser Kasten! Eine grosse Truhe aus stabilen dunkelbraunen Holzbohlen mit einem gewichtigen Deckel und einem Lattenrost, auf den man (also ich!), sich legen sollte und unter dem Wasserdampf erzeugt wurde. Nur der Kopf schaut heraus. Ich legte mich hinein und Deckel zu! Könnte ich den alleine wieder öffnen?. Was ist, wenn die mich hier vergessen? Platzangst? Ich doch nicht!
Ich blieb 20 Minuten darin, ein mitfühlender Masseur tupfte mir den Schweiss von der Stirn und aus den Augen, und ich bedeutete ihm nach ca. 10 Minuten, dass die 20 Minuten um seien. Er hatte ein Einsehen und befreite mich.
Vor der Tür sah ich dann noch, wie das Kräuterbad vorbereitet wurde. Eine Topf so gross, dass ein Erwachsener darin hocken konnte, erinnerte mich an Comics von Kannibalen, die Afrikareisende mit Tropenhelm im Kochtopf zubereiteten. Auch das noch!
Ich beschäftigte mich den Tag über immer wieder mit meinen Ängsten (Guillotine, Folter, Hilflosigkeit, Abhängigkeit) und liess mich bewusst mit diesen Ängsten erneut auf die Steambox ein. Und siehe da: Es war leicht und die 20 Minuten waren gefühlsmässig tatsächlich nach 10 Minuten vorbei. Es war nicht nur überstanden, sondern die Ängste waren umarmt und befreit.
Als ich später im Gespräch mit dem Doktor dann von ihm den Vorschlag hörte, statt dessen einen Öl-Stirnguss zu erhalten, habe ich allerdings nicht widersprochen. Ich wollte niemand anderem den Platz in der Steambox wegnehmen, – so selbstlos kann ich sein.
Der Doktor kommt
An verschiedenen Tagen hält der Doktor – oder sein Vertreter, der kleine Doktor (korrekterweise: der noch kleinere Doktor) – Vorträge über den Hintergrund von Ayurveda, die Konstitutionstypen, die Ernährung, und er berichtete über erstaunliche Tatsachen und Heilerfolge, die hier im Spring of Life geschahen (Operationen, die nicht mehr notwendig waren, Krebsheilung, Haut- und Gelenkheilungen, Heilung einer Gluten-Unverträglichkeit usw.). Die Gluten-Unverträglichkeit (kein Weizen, keine Nudeln, kein Brot usw.) habe ich selbst bei meiner Frau erleben dürfen, die zu Hause wieder Pizza und Pasta essen konnte – das war ein Fest nach der Rückkehr!
Stolz berichtete er über eine erstaunliche Statistik: die Lebenserwartung von Männer liegt in Sri Lanka z.B. bei 69 Jahren und im Vergleich dazu die Lebenserwartung männlicher Farbiger in den USA bei 65 Jahren und das bei schlechterem ärztlichen Versorgungsgrad in Sri Lanka. Über die Lebenserwartung krampfender Schweizer Männer und Frauen sagte er leider nichts.
Ungewöhnliche Methoden haben mir selbst geholfen. Eine Entzündung und Verfärbung der Haut im Brustbereich (seit dem Vorjahr) wurde mit Smoke behandelt und in nur drei Tagen geheilt. Auf einer Pfanne wurden Heilkräuter verbrannt und der aufsteigende heisse Qualm wurde auf meine Brust gewedelt. Luftanhalten und wedeln und erneut luftanhalten und wedeln, und nach drei Behandlungen war alles o.k. – und die paar angekokelten Brusthaare wachsen schliesslich nach. In den Wochen zuvor war ein Schuppenflechten-Patient erfolgreich behandelt worden.
Und das alles inklusive ohne Zusatzkosten für den Gast.
Kleidung
Vom Haus wird ein landesüblicher Sarong gestellt, so dass man sehr wenige eigene Kleidung braucht. Der Sarong wird um die Hüften gewunden und man fühlt sich luftig und schlank. Ich hatte mich immer gefragt, ob die Einheimischen unter dem Sarong etwas tragen. Nachdem ich selbst einen trug, stellte sich die Frage nicht mehr!
Da das Öl möglichst lange auf den Körper einwirken sollte, trägt man das Tuch bis zum späten Nachmittag und es schützt die eigene Kleidung vor Öl.
Land und Leute: Totengedenken im Tempel
"Wollt ihr morgen früh mit in den Tempel kommen?" fragte uns Ursula Beier, die deutsche Leiterin des Ayurvedazentrums. "Es findet eine Familienfeier für den verstorbenen Vater von Lucky (dem immer freundlichen Manager des Zentrums) statt, und die gesamte Familie von ihm und seiner Schwester und Schwager mit allen Kindern kommen von weit her, um bei der Feier im Tempel dabei zu sein."
Eine gute Gelegenheit, die Religionsverbundenheit und Bräuche der Singhalesen (Ceylonesen hören sie nicht so gern) und damit Buddhisten, kennenzulernen. Oh, dann hörte ich, wann die Feier sein sollte – um 7.00 Uhr in der Frühe! Ich habe Urlaub!!! Das hiess, 6.00 Uhr aufstehen (in der Schweiz schalten gerade die Letzten den Fernseher aus) und später frühstücken – na, ja, also gut.
Am nächsten Morgen – pünktlich einige Minuten vor der Zeit war Abmarsch zum Tempel im Dorf. Von der Familie waren ca. 15 Familienmitglieder, bereits in einem Nebenraum versammelt, alle in weißer Tempelkleidung. Sie hatten vielen Schüsseln voller Speisen mitgebracht – bis hin zum Dessert. Sie hatten das alles in der Nacht zubereitet und waren seit 4.00 Uhr unterwegs – alles zu Ehren des verstorbenen Vaters bzw. Großvaters.
Die Mönche – einschliesslich eines kleinen entzückenden Mönchs von ca. 8 Jahren, der auch im Tempel wohnte und bereits den Hof gewischt hatte, – hielten eine Feier zu Ehren des Verstorbenen ab – mit langen Gebeten und Gesängen und gaben uns zum Schluss ein Teil des Fadens, den wir zum Zeichen der allgemeinen Verbundenheit der Beteiligten in den Händen gehalten hatten. Das Bändchen wurde jedem am Handgelenk mit murmelnden Worten verknotet, und irgendwann im Laufe der nächsten Monate wird es einmal abfallen. Die vor zwei Jahren verstorbene Mutter von Ursula wurde ebenfalls mit den Gebeten einbezogen, der Mönch musste mehrmals wegen des für ihn ungewöhnlichen deutschen Namens nachfragen (Fischer war für ihn einfach fast nicht aussprechbar).
Nach der Feier wurde den Mönchen die mitgebrachten Speisen gereicht. Von diesen Feiern und dem dabei geschenkten Essen – und nur davon – leben die Mönche! Kirchensteuer? Gibt es nicht!
Zum Schluss fragten wir bei der Verabschiedung, wann denn der Vater verstorben sei, dass eine derart aufwändige Feier veranstaltet wurde. "Vor 29 Jahren", war die Antwort!
So ist es, der Todestage der Eltern werden noch lange gedacht, denn die Familie hat einen immens grossen Stellenwert in Sri Lanka. Auch wenn ein Familienmitglied im Krankenhaus liegt, lagern sich eine Anzahl von Familienmitgliedern um das Bett – auch nachts. Da es in den öffentlichen Krankenhäusern keine Verpflegung gibt, müssen die Angehörigen auch fürs Essen sorgen; Vollpension in den Krankenkassenbeiträgen enthalten, gibt es nicht; überhaupt „Krankenkasse“ – was ist denn das?
Wenn man Schmerzen hat, kauft man evtl. selbst in einer Pharmacie ein – und zwar eine einzelne Tablette.
So sorgt in Sri Lanka die Familie für die Lebenden, die Kranken und gedenkt der Verstorbenen. Die Familie ist nicht nur Lebensmittelpunkt, sondern zugleich auch Altersvorsorge; für die Ausbildung der Kinder wird viel bezahlt (so man kann) und bekommt es zurück, denn die Kinder sorgen später für die alten Eltern.
ASW und PSI auf dem Tuck-Tuck
Es heißt wirklich so, dieses rasenmähermotor-betriebene Fortbewegungsmittel, offiziell Threewheeler, aber jeder spricht von Tuck-Tuck. Ich habe immer darauf vertraut, dass auch der Fahrer Familie hat und am Leben hängt, obwohl sein Fahrstil anderes andeutete. Es gehört zum Verkehr in Colombo: abdrängen und abgedrängt werden! Und hupen – auf jeden Fall! Übel, wenn unser Fahrer einen Bus überholen musste und das Auspuffrohr des Busses sich für Sekunden ins Innere des Tuck-tucks entleerte. Getrennte Fahrspuren gibt es nicht, wäre auch nicht sinnvoll gewesen, denn auf dem Raum, auf den man bei uns 2 Fahrbahnen eingerichtet hätte, tummelten sich ständig die Spur wechselnde 3 bis 4 Fahrströme. Nur mit dieser nach unseren Massstäben erscheinenden Unordnung konnte der Verkehr fliessen. Die Fahrer verfügen nach meiner Meinung allerdings über ASW (aussersinnliche Wahrnehmung). Da ist jeder reif für die PSI-Tage in Basel, und einem echten Esoteriker würde das Herz vor Freude hüpfen, denn man weiss nicht, ob man noch in diesem Leben ist oder gar schon im nächsten und ob der Fahrer im früheren Leben mal Medium oder selbst ein Tuck-Tuck gewesen ist.
Nach der Fahrt aussteigen, prüfen ob noch alles an einem lebt, und reichliches Überlebenshonorar (Trinkgeld) geben: Ja, das Leben ist schön und morgen fahren wir wieder Tuck-Tuck.
Im Landesinneren – im Dschungel
Sonntags ist behandlungsfreier Tag und die Gäste sind eingeladen, mit Ursula Beier ins Landsinnere zu fahren, wo keine Weißen hinkommen – einsame Dörfer im Dschungel des Hochlandes.
Dort unterstützt sie die Menschen, indem sie ihnen dabei hilft, Communityhalls zu bauen. Die Bewohner bekommen das Baumaterial gestellt und bauen selbst. In diesen Communityhalls finden alle Feiern, die in einer Familie und im Dorf gefeiert werden, statt. Es wird getanzt, gefeiert, getrauert und man versammelt sich zu selbst einstudierten Schauspiel-Vorführungen und zu Volkstänzen.
Da, wo die Not gross ist, werden auch Häuser nach dem gleichen System gebaut: Das Material wird gestellt – der Rest erfolgt in Eigenarbeit.
Soziale Arbeit
Die Organisation von Ursula Beier fördert das Volkstum, indem sie Tanz- und Gesangslehrer bezahlt, die den Kindern die traditionellen Tänze und Weisen vermitteln.
Es werden Kindergärten, Vorschulen, Schulen und Altenheime aufgebaut oder renoviert.
Und auch wir unterstützen das von der Schweiz aus. Wir, das sind die ehrenamtlichen Helfer der SRI-LANKA-HILFE Schweiz.
Wir unterstützen zurzeit ein Kinderheim im nun „friedlichen“ Norden. Dort hat ein Mönch 94 Kriegswaisen beider Religionen in seinem Tempel untergebracht. Mein Besuch dort war das Berührendste, was ich seit langem erlebet habe. Diese kleinen Hosensch… in ihren adretten Kindergarten- und Schuluniformen hatten glänzende Augen und waren voller Dankbarkeit, die auf uns Westler manchmal peinlich wirkte. Die Kleinen gingen auf die Knie und berührten meine Füße zum Dank – das ist eine durchaus übliche Sitte älteren Menschen gegenüber, aber für uns doch sehr ungewohnt.
Und das Schreckliste war zugleich das Flüchtlingslager in der Nähe, in dem auf engem Raum mehr als 1000 Menschen gefangen gehalten wurden. Schwer bewaffnete Soldaten und Stacheldrahtverhaue sprachen eine deutliche Sprache bezüglich der der Freiwilligkeit, mit der diese Menschen nach offizieller Darstellung dort angeblich wären. Hoffnungsschimmer war auf der anderen Seite aber, dass von den mehr als 200.000 Flüchtlingen in den Lagern täglich 1000 entlassen wurden.
Patenschaften
Ein Hauptpunkt der Hilfsorganisation (SRI-LANKA-HILFE Schweiz und Ursula Beier) ist die Vermittlung von Patenschaften. Derzeit werden ca. 600 Kinder betreut. Es handelt sich größtenteils um Tsunami-Waisen und vermehrt auch um Kriegswaisen aus dem umkämpften Norden. Mit einer Patenschaft von nur 25 € monatlich kann ein Kind vollständig unterhalten und auf seinem schulischen Werdegang begleitet werden! Paten sind willkommen…
Im Tempel
Auch das machten die Beziehungen von Ursula Beier möglich: Wir wurden vom führenden Mönch des Landes in den Tempel von Colombo eingeladen. Dort gab es für uns eine kurze Lecture in Buddhismus und nach einem gemeinsamen Gebet erhielt jeder ein Bändchen an den Arm zum Zeichen der Verbundenheit, die wir erlebt hatten. Tee und Gebäck gab es auch – seeehr un-ayurvedisch, aber seeehr gut.
Und vieles mehr
Es gäbe noch so vieles zu berichten, die Teilnahme an der Hochzeit eines einheimischen Paares, die Sitten und Gebräuche rund um die Hochzeit, das Zusammenfügen des Paares, das sich erst kurz vorher kennen lernt, die enorme Wichtigkeit einer sündhaft teuren Fotodokumentation der Hochzeit, die Flussfahrt durch die Mangrovenwälder, Baden im Meer, den Fischern, den Seilern, der Kokosnussernte zusehen, die vielen Gewürze, Gemüse und Gerüche, die lauten Geräusche, das Schreien der Affen von den Bäumen, wilde Elefanten auf der Strasse und im Busch, die traumhafte Natur (soweit sie noch naturbelassen ist…), die Überlebensstrategien der Menschen, ihre Tänze und Gesänge und der köstliche Schluck aus der King-Coconut.
Wieder zurück in der Schweiz
Wir sind wieder zurück und es geht uns gut, wir haben beide eine schöne Gelassenheit. Die Haut war noch nach Wochen samtweich, das Essen hat wieder europäischen Charakter. Wir fühlen uns einfach wohl – wir haben einiges auf leichte Weise für unsere Gesundheit getan (ohne zuvor krank zu sein) und haben die Menschen von Sri Lanka in schöner Erinnerung. Davon profitiert auch ein ceylonesischer Restaurantbesitzer in Elgg, unserem Wohnort, der dort Speisen nach Sri-Lanka-Art zubereitet.
Kritisches?
Rückblickend habe ich mich gefragt, gibt es denn nichts Kritisches zu berichten? Eigentlich nicht, mir hat es rundum gut gefallen, wenn auch das Meer für einen Fussweg zu weit entfernt war, aber der Fokus lag hier auf Erholung und Rückzug vom betriebsamen Strandleben, ein wenig Innenschau, ein wenig lesen, kommunizieren (plaudern gehörte auch dazu) und sich den Anwendungen hinzugeben. Die Masseure hätte ich lieber landestypisch im Sarong gesehen, aber sie fanden die westlich orientierte Kleidung mit langen Hosen und Hemden toll (viel zu warm!). Einer trug in seiner Freizeit sogar ein T-Shirt mit der Aufschrift von einem Marathonlauf in einer deutschen Stadt – Gäste hatten einen Teil ihrer Kleidung hier verschenkt.
Viele Eindrücke sind im Kopf gespeichert und wenn wir die Atmosphäre des Ortes noch einmal bildhaft sehen wollen, gehen wir ins Internet unter ursula-beier.de und schauen uns die Fotos an. Und manchmal nehmen wir abends die Kräuter-Schokolade ein.
Als wir von den Mitarbeitenden des Spring of Life gefragt wurden "You come back?" haben wir genickt, und wir nicken innerlich immer noch. Es waren rundum schöne, erholsame ayurvedische Ferien. Wir haben auch viel über die Menschen in Sri Lanka erleben dürfen – mehr als für die normalen Touristen möglich ist – dank Ursula Beier, für die sich die Türen überall weit öffneten, da sie schon seit mehr als 25 Jahren Sozialarbeit in Sri Lanka macht und auch gute Beziehungen zu offiziellen Stellen.
(srilahi.ch – Samarpan Elsenbruch – Mail. r.elsenbruch(at)bluewin.ch)