ROUTINE DURCHBRECHEN.
von Veit Lindau -
Baff!
Hat dich das Leben heute schon mindestens einmal so richtig verblüfft?
Und wann hast du das letzte Mal deine Umgebung überrascht?
Oder verläuft dein Leben in vorhersehbaren Bahnen? Hast du dein Denken in Wiederholungsschlaufen festgefahren? Reagierst du in den Standardsituationen deines Alltags immer wieder auf eine ähnliche Weise?
Das wäre wirklich schade. Denn routinierte Muster machen dich für dich selbst und andere berechenbar. Damit lädst du deine Umgebung förmlich dazu ein, dir gegenüber auf Autopilot zu schalten. Du wirst nicht mehr aufmerksam wahrgenommen. Doch, noch viel schlimmer, du selbst schaltest auch auf Autopilot. Du funktionierst zwar noch, aber du lebst nicht mehr richtig.
In Wasser gelöstes Gefrierkonzentrat, statt frisch gepresster Saft des Lebens.
Routine schwächt dich, denn durch sie wirst du nicht mehr wirklich gefordert. Routine verbirgt die Wunder, die dich umgeben, hinter einem Schleier aus Halbschlaf. Routine tötet jede deiner Beziehungen langsam aber sicher ab.
Wann warst du das letzte Mal vom Scheitel bis zur Zehenspitze elektrisiert?
Stell dir ein aufregendes Date vor. Augenaufschläge, der Duft eines fremden Parfums, eine fast zufällige Berührung eurer Hände. Ausgang der Nacht? Alles offen…
Oder eine Nacht allein im Dschungel. Feucht, milchiges Mondlicht. Es knackt und knistert um dich herum.
Oder stell dir vor, ein Engel erscheint dir heute Nacht im Traum. Er kündigt an, dass einer der Menschen, die dir morgen begegnen, dir einen Tipp geben wird, mit dem du leicht und spielerisch eine Million Euro gewinnen kannst. Wie aufmerksam würdest du wohl jedem Gespräch lauschen?
Du kannst – das ist die gute Nachricht – jederzeit, auch in den scheinbar gewöhnlichsten Situationen deines Lebens in einen natürlich-staunenden Zustand zurückkehren. Entspannt und gleichzeitig hochgradig wach!
Durchbrich die Routineabläufe deines Alltags. Das zwingt deinen Verstand, von Autopilot auf Wachzustand zu schalten.
Carlos Castaneda schreibt dazu:
„Um ein Jäger zu sein, musst du die Routine deines Lebens unterbrechen. Du hast die Gewohnheiten der Tiere in der Wüste beobachtet. Sie fressen und trinken an bestimmten Plätzen, sie bauen an bestimmten Plätzen ihr Nest, sie hinterlassen auf bestimmte Art ihre Spuren. Tatsächlich kann ein guter Jäger alles, was sie tun vorhersehen oder rekonstruieren. Wir alle verhalten uns wie die Beute, der wir nachstellen. Das macht uns natürlich auch zur Beute für jemand oder etwas anderes. Nun muss ein Jäger, der dies weiß, sich bemühen, nicht mehr Beute zu sein.“ (Aus dem Buch Reise nach Ixtlan )
Höre auf, dich in deinem Leben wie eine berechenbare Beute zu verhalten. Werde zum intelligenten Jäger. Verblüffe deine Mitmenschen und dich selbst. Durchkreuze die Muster deines Alltags. Geh auf einem neuen Weg zur Arbeit. Iss an unbekannten Plätzen. Kreiere ein neues Wort. Kleide dich anders. Stell dich auf den Kopf.
Im Folgenden findest du einige Anregungen zum Durchbrechen deiner Routine. Probiere sie aus und beobachte, was geschieht. Lass dich nicht von ihrer Einfachheit täuschen. Sie sind machtvolle Eisbrecher. Unter der dünnen Schicht deiner altbekannten Persönlichkeit schlummert eine wild-sanfte, lichtvoll-dunkle, schlicht-komplexe Gottheit mit tausend verschiedenen Köpfen. Spüre ihren Atem. Erwecke sie. Befreie ihre Magie aus dem Gefängnis der Routine.
Wie lange ist es her, dass du…
… allein einen Ort besucht hast, an dem du noch nie warst?
... etwas anonym verschenkt hast, was dir sehr wichtig war?
… an einem neuen Sport oder Spiel teilgenommen bzw. ein neues Hobby ausprobiert hast?
... allein bei Nacht auf einem Friedhof spazieren warst?
... einen völlig neuen Fehler gemacht hast?
… Unterricht auf einem dir neuen Gebiet genommen hast?
… dir gestattet hast, in der Öffentlichkeit zu weinen?
… dich eine Stunde lang mit einem Menschen aus einer fremden Kultur wirklich auseinandergesetzt
hast?
… dir gestattet hast zu lachen, bis der Bauch weh tat?
... mit einem anderen Menschen über eine intime, sexuelle Fantasie gesprochen hast?
… etwas instinktiv-unkontrolliert getan hast, ohne an die Konsequenzen zu denken?
… etwas getan hast, wovon niemand (einschließlich dir selbst) erwartet hat, dass du es tust?
… etwas getan hast, was sich für dich selbst saumäßig gut anfühlte, gegen den Rat von anderen?
… eine unpopuläre Meinung geäußert hast, auch angesichts einer ablehnenden Mehrheit?
... Kleidung getragen hast, die überhaupt nicht „deinem“ Stil entspricht?
... in eine Pfütze gesprungen bist?
... dir vor Angst fast oder wirklich in die Hose geschissen hast?
Herzlichst
Veit Lindau
Der Artikel ist ein Auszug aus dem Buch "Seelengevögelt" von Veit Lindau.