Über das Loslassen -
Der Kopf sagt tschüß, das Herz sagt bleib!
von Stefanie Menzel -
Der Kopf sagt tschüß, das Herz sagt bleib!
Über das Loslassen.
Lassen Sie sich auf ein kurzes Experiment ein: Schließen Sie für einen Moment die Augen und denken Sie dabei bitte nicht an einen rosafarbenen Elefanten.
Gar nicht so einfach, oder?
Wie mit dem Elefanten, ist es auch mit dem Loslassen. Je mehr Aufmerksamkeit wir einer Sache schenken, je mehr wir uns bemühen, sie loszulassen, desto schwieriger ist es. Doch während uns der Elefant vielleicht schmunzeln lässt, kann uns die Unfähigkeit loszulassen lähmen, uns gefangen halten und uns blind für die Schönheit der Gegenwart machen.
Doch was bedeutet es, das Loslassen?
Es scheint das Zauberwort der Esoterik zu sein. Lass los! Lass deine Ängste los, lass deine alten Geschichten los, die Beziehung, die Vergangenheit – lass all das los! Aber warum? Wir halten doch nicht grundlos an den Dingen fest.
Du erinnerst dich an viele schöne Stunden bei deiner Großmutter. Wie sie gelacht, erzählt und Geschichten vorgelesen hat. Du erinnerst dich an das gemütliche Wohnzimmer, daran, wie sie auf dem Sofa saß, an den schweren Eichenschrank, aus dem du heimlich Süßigkeiten stibitzt hast. Und du erinnerst dich an den Plätzchenduft an Weihnachten.
Knapp 50 Jahre später stehst du vor dem Haus, das all diese Erinnerungen beherbergt. Plätzchenduft gibt es darin schon lange keinen mehr. Du solltest das Haus verkaufen. Doch du willst es nicht. Du willst auch keine Kleidungsstücke aussortieren. Warum auch? Du hast in jedem davon schöne, traurige und vor allem wichtige Stunden erlebt.
Und so bleiben sie, die Dinge, die uns an die Vergangenheit fesseln. Die Möbel, die Fotos, der Schmuck – Stehrümchen jeder Art. Und es bleiben die Menschen. All die Menschen, an denen unsere Erwartungen hängen. Ohne die unser Leben ganz sicher nicht funktionieren kann.
Wir haben Angst vor dem Alleinsein. Wir haben Angst vor dem Neuen. Das Alte war nicht immer gut, aber es war bekannt. Und so schicken wir bei zahlreichen Gelegenheiten des Alltags unsere Aufmerksamkeit und damit unsere Lebensenergie in die Vergangenheit. Wir halten das Vergangene lebendig und geben dem Jetzt keine Chance.
Wirkliches Loslassen gelingt nur dann, wenn wir dem Vergangenen danken. Wenn wir erkennen, dass uns die Oma, die Kleidung, der Schmuck und der Ex-Partner zu dem Menschen gemacht haben, der wir heute sind.
Loslassen bedeutet, den Sinn der Ereignisse zu erkennen und zu schätzen, auch wenn es nicht auf den ersten Blick verständlich ist und manchmal weh tut. Wenn wir uns das „Alte“ voller Dankbarkeit auf seinen Nutzen für uns hin anschauen, wirkt das wie eine Rakete in unserem jetzigen Alltag. Die gesamte Energie, die wir in die Vergangenheit gesendet haben, steht uns auf einmal für unsere Gegenwart zur Verfügung.
Für unser aktuelles Leben, für das Hier und Jetzt. Wichtig dabei ist, dass wir den Unterschied und den Zusammenhang zwischen dem Loslassen und dem Vergessen erkennen. Denn nicht jeder, der vergisst, lässt los, und nicht jeder, der loslässt, vergisst. Du kannst das Haus deiner Oma verkaufen. Der Plätzchenduft ist ohnehin längst verweht. Die Erinnerungen aber darfst du mitnehmen.
Herzlichst Stefanie Menzel