Wie fühlt sich Altsein an?
von Stefanie Menzel -
Wie fühlt es sich an, alt zu sein? Das ist vielleicht eine seltsame Frage. Aber ich finde sie wichtig. Denn Altsein können wir nicht lernen. Wir können uns erzählen lassen, wie sich das Alter anfühlt, wir können uns vorstellen, wie es ist, wenn das Aufstehen am Morgen immer schwerer fällt, die Knochen schmerzen und der Verstand uns Stück für Stück im Stich lässt. Aber wirklich fühlen, wie es ist, wenn der nächste Schritt im Leben der Tod ist, können wir erst, wenn es bei uns selbst so weit ist.
Da es aber wichtig ist, dass wir respekt- und würdevoll mit alten Menschen umgehen, müssen wir unsere Empathie schulen. Das gilt besonders für Pflegekräfte. Denn sie sind täglich damit konfrontiert: Sie wurden ausgebildet in einem Thema, das man nicht lernen kann.
Skandale aus Pflegeheimen, der Mangel an Pflegekräften und die immer größere Anzahl alter Menschen machen deutlich, wie wichtig es ist, dem Altwerden mehr Aufmerksamkeit zu schenken als je zuvor. Und die Aufmerksamkeit sollte weit über die einfache Versorgung mit Hygiene, Nahrung und einem Schlafplatz hinausgehen. Zu oft werden alte Menschen bei uns auf dem Abstellgleis geparkt. Dort haben sie nichts zu suchen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich hinter jeder Demenz, hinter jeder Falte im Gesicht eine einzigartige Lebensgeschichte verbirgt. Und das dort auch immer noch Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse schlummern.
Welche Bedürfnisse haben alte Menschen? Sicherlich ist es Ihnen wichtig, dass beim Waschen die Handgriffe sitzen, aber das ist noch so viel mehr Zwischenmenschliches, was zählt. Die Eden-Alternative ist in meinen Augen eine tolle Initiative, die den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Vordergrund stellt. Ich habe mich als Coach viel in den Pflegeheimen engagiert, in denen die Eden-Alternative umgesetzt wird. Hier bekommen nicht nur die Bedürfnisse der alten Menschen einen ganz anderen Wert eingeräumt, es zählen genauso die Bedürfnisse der Mitarbeiter. Und hier liegt für mich das Wesentliche. Denn viele Altenpfleger tragen Geschichten aus dem Beruf mit nach Hause. Sie bringen auch private Probleme mit zur Arbeit, um dann immer wieder zu erfahren, dass sie dort nichts zu suchen haben.
Ich unterstütze eine Denkweise, in der der Mensch einfach voll und ganz und zu jeder Zeit der Mensch sein darf, der er ist. Und an diesem Punkt muss jeder Mensch gefördert werden. In meinen Seminaren, Vorträgen und Coachings, die ich mittlerweile unabhängig von der Eden-Alternative anbiete, mache ich immer wieder deutlich, dass ein respektvoller Umgang in Würde immer bei einem selbst anfängt. Nur wenn wir unsere Bedürfnisse kennen, wissen, was uns verletzt, was uns weiterbringt, was uns stark macht und was uns schwächt, können wir rücksichtsvoll nach außen gehen. Oder kurz gesagt: Nur, wenn wir unsere Würde kennen und achten, können wir die der anderen Menschen wahrnehmen und pflegen.
Im Mai halte ich einen Vortrag im Kamillushaus in Passail in der Steiermark, in dem ich genau über die Würde des Menschen sprechen möchte. Und welchen essentiellen Unterschied es für unsere Gesellschaft macht, wenn wir würdevoll miteinander umgehen. Natürlich gelten die von mir angesprochenen Grundsätze in allen Lebensbereichen. Aber in der Altenpflege werden sie so deutlich und rücken so sehr in den Vordergrund, wie nirgends sonst.
Ich freue mich auf eine Gesellschaft, die die Würde des Menschen achtet, im Alter und in der Jugend. Denn wer das kann, braucht sich um das richtige Waschen und füttern keine Gedanken mehr machen. Das kommt dann ganz automatisch.
Herzlichst
Stefanie Menzel
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