Eine Floskel - Hier ist es schön
von Peter Classen
Häufig höre ich Menschen, wenn sie in ihren Häusern oder Gärten sind, sagen: Haben wir das hier nicht schön!“ Dieser Satz ist jedoch sachlich falsch, und zudem auch sehr gefährlich. Zum einen geht schön immer nur vom Betrachter aus. Was für den einen schön ist, ist für einen anderen das Gegenteil. Zum anderen ist es der Ort an sich, der schön ist, unabhängig davon, ob wir körperlich anwesend sind oder nicht.
Fahren wir für einige Wochen in Urlaub, bleibt der Ort genauso schön, als wären wir anwesend. Er verändert sich nicht. Natürlich bedarf es wieder unserer Pflege, wenn wir zurückkommen. Das ist dann unsere Verpflichtung gegenüber diesem Ort, die wir bewusst oder unbewusst übernommen haben, als wir diesen Ort als unser Eigen bezeichnet haben.
Die Erfahrung, dass wir keinen Ort auf dieser Erde als unser Eigentum bezeichnen können, sondern lediglich die Verantwortung für diesen Ort für eine begrenzte Zeit übernommen haben, machen die meisten jedoch erst auf dem Sterbebett. Natürlich dürfen wir dies auch schon früher tun. Dadurch befreien wir uns aus dem Zwang immer mehr besitzen zu wollen, und können in ein aktives Leben zum Wohl aller eintreten.
Es besteht jedoch auch eine große Gefahr bei der Aussage: „Habe ich das hier nicht schön!“ Mit einer solchen Denkweise löse ich oft beim Zuhörer Eifersucht aus. Ein bewusster Zuhörer, der die tieferen Zusammenhänge kennt, erkennt diese Hintergründe, und bleibt neutral. Ein unbewusster jedoch wird sehr schnell eifersüchtig auf den anderen, und wird versuchen, selber es noch schöner zu bekommen. Ein irrsinniges Gehetze nach noch mehr, noch besser, noch größer setzt ein, dass alle Beteiligten jedoch nur verlieren können. Wie bereits erwähnt, spätestens auf dem Sterbebett.
Gelingt es einem jedoch nicht selber Eigentum zu bekommen, entsteht sehr leicht Hass auf den oder die Besitzenden. Einbrüche und Vandalismus sind dann oft die Folgen. Menschen, die eine so egozentrische Denkweise haben, legen damit selber den Grundstein für die Zerstörung ihres angeblichen Besitzes.
Wie können wir aber nun verantwortungsvoll mit Besitz umgehen?
Dazu ein persönliches Beispiel:
Zurzeit baue ich mit meiner Partnerin ein altes Bauernhaus an der Nordsee aus. Der alte Wohnbereich wird unser privater Rückzugsort, und die unter dem gleichen Dach befindliche Scheune wird ein Ort der Begegnung. Dort entsteht ein Seminarraum, den auch andere Seminarleiter gerne benutzen können, und auf der Galerie in der Scheune entstehen Schlafplätze. Dusche, Toilette und eine Gemeinschaftsküche sind ebenso im Bau.
Ein großer alter Garten, in dem wir auch Gemüse und so weiter anbauen, und unsere Hühner leben, gehört ebenso zum Gemeinschaftsbereich. Kommen Besucher, ob privat oder als Seminarteilnehmer, gehört ihnen die Schönheit dieses Ortes. Für die Zeit ihres Aufenthaltes, und auch darüber hinaus in ihrer Erinnerung. In ihrem Bewusstsein nehmen sie die Schönheit dieses Ortes mit nach Hause. Es gehört ihnen.
Da uns nur sehr wenig Geld zur Verfügung steht, konnten wir dieses Haus natürlich nicht kaufen, sondern haben es von einer Bekannten gemietet. Ohne im Grundbuch eingetragen zu sein, haben wir die Verantwortung für diesen Ort übernommen, und führen eine Grundrenovierung durch. Ein Großteil der Baumaterialien stammt aus zweiter Hand, und Freunde bringen uns immer wieder Dinge, die sie nicht mehr benötigen, und wir dringend brauchen. So entsteht gemeinsam etwas Neues zum Wohle aller. Einschließlich uns selber.
In Kürze werde ich Bilder von diesem Ort auf meine Homepage setzen, und auch in Zusammenarbeit mit Vigeno hier Seminare anbieten. Unsere Gäste haben dann die Möglichkeit hier an Seminaren teilzunehmen, die Schönheit dieses Ortes zu genießen, bei uns zu übernachten, oder aber für die Nacht in die nahe gelegene Jugendherberge oder in ein örtliches Hotel zu gehen. Sie haben die freie Wahl.
Mit diesem Artikel mache ich zum einen natürlich Werbung in eigener Sache, möchte aber auch andere einladen, solche Orte entstehen zu lassen. Denn gemeinsam sind wir stark.
Und wenn ich mit meiner Partnerin im Garten sitze, sage ich manchmal zu Ihr: „Hier ist es schön“.
Ihr Peter Classen