Viram Oliver und die Suche nach dem Glück - Teil 2
von Oliver Unger -
So lief das Leben recht ruhig dahin, Viram schnitt immer noch hauptberuflich Haare, doch der Kontakt zu seinen Kunden veränderte sich und wurde tiefer und achtsamer. Dann der Einschnitt: Die Beziehung mit seinem damaligen Lebensgefährten zerbrach. Eine sehr schwierige Zeit folgte. Emotionen, Sehnsüchte und Ängste fuhren Achterbahn miteinander. Lange dunkle Monate folgten und Viram wusste nicht, wohin mit sich.
Und dann geschahen plötzlich mehrere wunderbare Dinge zugleich: Er verliebte sich neu. Alles lief prima, bis auf diese eine Kleinigkeit, mit der er noch ein wenig zu kämpfen hatte: der neue Mann war ein Sannyasin. Er hatte schon davon gehört. Dass das mit Bhagwan zusammenhing, war ihm egal, doch den Sannyasins, denen er vorher schon begegnet war, lag ein Zauber inne, der es ihm etwas mulmig ums Herz werden ließ. Sie zogen ihn an und stießen ihn zugleich ab. Und durch seinen neuen Freund Firdouz, der zu allem „Überdruss“ zu jener Zeit sogar im Kölner Osho Uta Institut arbeitete, musste er sich dem Thema stellen. Manchmal liegt das Glück eben direkt vor der Haustür. Im Uta wurde Viram durch neue spirituelle Lehrer und deren Impulse inspiriert. Seine Skepsis gegenüber Sannyas wich dem Gefühl, zu sich selbst nach Hause zu kommen und sich dem Fluss des Lebens anvertrauen zu können. „ Ich nahm Sannyas aus vollem Herzen. Ich wollte für mich ein Zeichen setzten, und empfand es wie eine Hochzeit mit dem Leben.“
Die mühselige Suche nach Lösungen und Zielen, die vielleicht irgendwann in der Zukunft liegen könnten, schien ein Ende zu haben. Seine Erkenntnis, dass Jetzt, in diesem Moment das Leben stattfindet, konnte vom Kopf in den Bauch rutschen. Sie wurde zu einer Erfahrung. JETZT ist alles da, was man braucht, JETZT gibt es die Erfüllung – nicht irgendwann.
Inspiriert und aufgetankt widmete sich Viram dem Projekt, dem er sich - teils unbewusst - zeitlebens verschrieben hatte: der achtsamen, authentischen Kommunikation mit sich selbst und mit anderen Menschen. Seine persönliche Wahrheit nicht mehr zurückhaltend, trennte in seinem Freundeskreis die Spreu vom Weizen. Die scheinbaren Verluste irritierten und verletzten ihn zwar, doch die Erfahrungen, die er im Osho UTA Institut machen durfte und die Menschen, die dort einen ähnlichen Weg gehen wie er, halfen ihm, sich treu zu bleiben.
Die Einsicht, dass es am kraftvollsten und heilsamsten ist, einfach man selbst zu sein, bereichert seine ganze Arbeit und auch sein Privatleben. Haare schneiden, Einzelsitzungen geben Familienaufstellungen leiten, Viram kommt mehr und mehr in sein Element.
Im Laufe der Zeit entwickelte er aus diesen Erkenntnissen ein neues Kommunikations- und Achtsamkeitsmodell, das er in seinem Buch „Endlich ehrlich zu mir selbst“ erstmalig einer breiten Öffentlichkeit vorstellt (erschienen im Windpferd-Verlag unter seinem Geburtsnamen Oliver Unger). Menschen, die spüren, dass es nötig ist, ihrem Bauch zu vertrauen und Wege suchen, den inneren Signalen mit Worten und Taten Ausdruck zu verleihen, finden sich hierin wieder. Sie bekommen mit dem Buch praktisch einzusetzende Anregungen und einfache Übungen an die Hand, mit denen sie ihre Achtsamkeit in der alltäglichen Kommunikation steigern können.
Die sanfte Welle hoher Bewusstseins-Energie und das tief empfundene Zugehörigkeitsgefühl zur jeweiligen Gruppe, z.B. dem Freundeskreis, den Kollegen oder Familie, das authentische Kommunikation bei allen Beteiligten bewirkt, veranlasste Viram seinem System den treffenden Namen Tief berührt zu geben.
Zusammen mit seinem Partner Firdouz, mit dem Viram Unger seit 2006 in eingetragener Lebenspartnerschaft lebt, gründete er 2008 in Wuppertal das Ridaya (vom indischen hridaya = Herz). In den Räumen des Ridaya bringen sich zur Zeit etwa zwölf teilweise international tätige Therapeuten ein und geben dort Einzelsitzungen und Selbsterfahrungsseminare rund um die Themen Grenzen, Selbstregulation, Systemische Aufstellungen und Körperarbeit. Die Stadt mit den meisten religiösen Strömungen in Deutschland, auch „Perle des Bergischen Landes“ genannt, schien trotz dieser bunten Mischung eine spirituelle Wüste zu sein. Doch Ridaya mischt seitdem auf. Mutige und lebensfrohe Werbeaktionen machen auf die Oase inmitten der ehemaligen Textil-Metropole aufmerksam.
Viram und sein Mann Firdouz haben sich auf die Fahne geschrieben, ein Leben zu leben, das nichts und niemanden ausgrenzt. Auf die Anfangsfrage „Wie wird man glücklich?“ kann Viram jetzt lachend antworten: „Wenn ich mir die Erlaubnis gebe, jede Form von Anspannung auszudrücken.“
Man könnte es auch das Prinzip der „alles einschließende Liebe“ nennen. Inspiriert durch die Arbeit Bert Hellingers sowie ihrer unmittelbaren Lehrer, u.a. von Ramateertha Robert Doetsch, richten sie ihren Blick immer wieder darauf, wie Menschen vor Gott gleich sind, ganz egal ob es Mutter Theresa oder Adolf Hitler ist. „Es ist eine völlig andere Art, die Menschen auf diese Weise anzuschauen und stößt nicht wenig auf Unverständnis“, sagen die beiden jungen Männer. Der gewählte Weg ist lehrreich und herausfordernd. Immer wieder verlangt er Klarheit und Mut, ebensolche an den Mann / die Frau zu bringen. Sie lernen unweigerlich, gut auf sich aufzupassen und Ordnungen bzw. Grenzen zu achten. Damit ist das Ego jeden Tag neu gefordert, z.B. demütig zu sein. Aber welche Selbsterfahrung ist schon tief greifender als das tägliche Leben?
Herzlichst Oliver Unger
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