Die dynamische Meditation.
von Oliver Unger -
Die dynamische Meditation ist eine kathartische Meditation. Das bedeutet, man gibt seinen inneren Prozessen und Gefühlen in dieser Meditation Raum. Osho sagt, dass es für uns Westler nur schwer bis gar nicht möglich ist, still zu sitzen und zu meditieren, ohne dass wir zuvor unseren ganzen inneren Müll und Druck losgeworden sind. Ich bin mir nicht sicher, was ich von dieser Aussage halten soll, doch ich habe sie für mich erst einmal hingenommen und geglaubt.
Wenn man bei einer Dynamischen Meditation anwesend ist und den Meditierenden zusieht, könnte man denken, dass sie wohl sehr viel inneren Müll und Druck haben müssen, denn meist geht es in der Dynamischen Meditation sehr turbulent und laut zu. Die Anwesenden weinen, fluchen und schreien oft in der jener zweiten von fünf Phasen, in der ihre Innenwelt zum Ausdruck kommen soll.
Doch ist es besonders wichtig zu schreien, damit man innen stiller wird?
Dies ist eine Frage, die auf vollständige Klärung wohl noch eine Weile warten muss.
In der Dynamischen Meditation gibt es, wie bereits erwähnt, fünf Phasen, die aufeinander aufbauen. Der Meditierende beginnt mit einer Übung, in der er heftig, arhythmisch, also chaotisch, durch die Nase ausatmet.
Dabei wird unser Verstand vollkommen „wahnsinnig“. Er schafft es kaum, die Kontrolle zu behalten, geschweige denn den Ausdruck von Gefühlen zu verhindern, was er ja schließlich sonst fast immer tut.
Manchmal hatte ich bei dieser Phase wirklich Angst zu sterben. Auch das ist eines der Gefühle, die durch diese Atemtechnik hervorkommen dürfen. Sonst im Leben würde es sicherlich weniger Raum bekommen.
Der Meditierende bekommt durch die Anwendung der ersten Phase fast wie von selbst den Drang, seine Gefühle in der zweiten Phase auszudrücken. Ich fand das faszinierend, dass ich mich gar nicht anstrengen oder umstellen musste, um die zweite Phase der Meditation „durchführen“ zu können.
Sie führte mich durch, statt umgekehrt. Außerdem dachte ich am Anfang meiner „Meditations-Karriere“, dass sich zwar irgendjemand diese Meditation ausgedacht haben muss, aber wäre nie auf die Idee gekommen, dass er mit der Meditation lediglich einen natürlichen Drang, eine natürliche innere Bewegung benannte und in Struktur brachte.
Somit dürfen in der zweiten Phase der dynamischen Meditation die Gefühle einen Platz bekommen, die in der ersten Phase gelockert und hervorgerufen worden sind.
Neuere psychotherapeutische Erkenntnisse zweifeln den Wert solch massiver Techniken an, was auch bestimmter Sicht sicherlich Berechtigung hat. Es gibt Therapeuten, die sagen, dass in diesen kathartischen Ausdrücken die Gefahr einer (Re-)Traumatisierung liege und man sich daran gewöhnen würde, alles lautstark und heftig auszudrücken, statt es in Selbstregulation zu bringen.
Solche Aussagen berücksichtigen jedoch nicht das ganze Bild. Zum Beispiel mache man sich nur mal klar, dass es den meisten Menschen, die in Mitteleuropa leben, unglaublich peinlich ist, Gefühle auszudrücken. Daher ist solch ein kathartischer Ausdruck, wie er in dieser Meditation erfolgt, auch eine Art Übungsfeld.
Für diejenigen, die glauben, dafür andere Wege benutzen zu können, sei gesagt, dass man die zweite Phase der Dynamischen Meditation auch stiller verbringen kann. Ich selbst schreie auch nicht in dieser Phase, sondern folge meinen Körperempfindungen achtsam, bewege mich, falls ich Erstarrungsreaktionen bemerke und wenn einmal ein Tränchen oder ein Zittern kommt, darf auch dieses hinaus in die Welt. Es geht doch letztlich darum, dass das Gefühl einen Platz bekommt und ausgedrückt wird, ohne dass man dafür verurteilt wird oder sich selbst zurück nimmt. Außerdem kann man genießen, dass es gerade in diesem Moment alle Anwesenden tun. Schließlich ist dies im „normalen Leben“ nicht oft der Fall.
Es folgt die dritte Phase, die körperlich unglaublich anstrengend ist, denn sie besteht daraus, dass man immer wieder hochspringt, mit seinen Fersen bei der Landung richtig fest auf dem Boden aufkommt und dadurch eine massive Erschütterung im Körper erzeugt. Beim Aufkommen auf den Boden ruft man dann auf eine Weise „huh!“, so dass es richtig tief aus dem Becken kommt.
Viele müssen diese Phase „abbrechen“ oder in ihr pausieren, weil diese Bewegung wirklich bis zur Erschöpfung führt. Und das soll sie auch. Es lohnt sich also, sich wirklich komplett zu erschöpfen, alles zu geben, die vollen zehn Minuten durchzuhalten und am Ende total (teilweise schmerzerfüllt) schlapp zu sein.
Da ist dann nämlich wirklich kein Gedanke mehr im Kopf, kein Gefühl mehr, das ausgedrückt werden möchte. Und man denkt nicht eine Millisekunde mehr über seine Bügelwäsche, den Job oder die Mutter nach.
Da ist dann wirklich nichts mehr da, außer innere Stille. Und man ist komplett mit beiden Füßen auf der Erde. Das ist der perfekte Zustand, um in die vierte Phase einzutreten: das Innehalten.
Die vierte Phase beginnt mit einem lauten „Stopp!“, das von der Meditations-CD kommt.
Genau so, wie die letzte Körperhaltung beim „huh!“-Rufen war, bleibt man stehen, wenn das „Stopp!“ ertönt. Man bewegt sich nicht. Und in dir bewegt sich auch nichts mehr, außer dein Atmen und dein Blut. Das ist so ein hammertolles Gefühl. Ich will es nicht mehr loswerden.
Durch die Nicht-Bewegung des Körpers kann man die Nicht-Bewegung des Geistes unterstützen. Unglaublich, welche Lebensfreude dann auf einmal in dir Platz findet. Denn was bleibt, wenn nichts mehr da ist? Kein Gedanke, keine Sorgen, kein Konzept – einfach NICHTS? Es bleibt pure Lebensfreude – das Gefühl, mit dem wir am meisten Schwierigkeiten haben.
Warum haben wir Schwierigkeiten? Weil es droht, den Verstand durcheinander zu bringen. Es entreißt dem Ego die Macht.
Mit dieser Lebensfreude kann man in der letzten, der fünften Phase, tanzen. Tanze in den Tag. Tanze dein Leben. Verschwinde im Tanz.
Die Dynamische Meditation wird in vielen Instituten durchgeführt. Vielleicht auch in deiner Nähe. Viel Lebensfreude dabei!
Herzlichst Oliver Unger