Nichts ist jemals geschehen
vom advaitaMedia Verlag -
Papaji 1 - Nichts ist jemals geschehen
„Diese Welt ist ein großes Samsara. Jeder ist darin gefangen, die Ehrlichen ebenso wie die Unehrlichen. Sehr wenige erkennen dies und bemühen sich, dem zu entrinnen.“ (S.190)
Der erste Teil der Biografie über Papaji entführt - zumindest den abendländischen Leser - in eine fremde Welt. Irrwitzig und unterhaltsam beschreibt der Biograph David Godman das Leben seines Meisters Papaji. Zeitzeugen, Familienmitglieder und Briefauszüge beleuchten aus verschiedenen Perspektiven das wundersame Leben Papajis.
Auch wenn Papaji durch sein unschuldiges Wesen göttliche Führung anzog, so mangelte es gleichzeitig nicht an Prüfungen seines Vertrauens. Die Dinge sind, wie sie sind! - teilt er uns immer wieder unspektakulär mit und macht kein großes Aufheben darum.
Wahrscheinlich ist es letztlich der Verstand des Lesers, der diesen Dingen wieder eine größere Bedeutung gibt, als sie tatsächlich sind.
Im ersten Teil der Biografie erfährt der Leser einiges über Papajis Kindheit, über seine Zeit bei Ramana Maharshi bis hin zu seinen ersten Jahren als Guru. Bereits in seiner Kindheit zeichnete sich ab, dass Papaji unter keinen gewöhnlichen Lebensumständen aufwuchs. Es heißt, dass er fast sein ganzes Leben lang nie länger als ein Jahr an irgendeinem Ort gelebt hat.
Zudem besaß er einen tiefen, intuitiven Zugang zur Spiritualität und zu Menschen und Dingen um ihn herum. Die gewöhnliche Schulbildung war ihm egal, trotz Strafe. Stundenlang mit geschlossenen Augen einfach dazusitzen, war für ihn als Kind viel natürlicher. Zugleich galt sein Bestreben von frühester Zeit an, es den höchsten Vorbildern gleichzutun, wobei er auch stets den direkten Erfahrungsweg wählte.
Eines Tages entschloss Papaji sich beispielsweise - gemäß des großen Buddha – in einer Weise zu fasten, dass er sich schließlich nur noch von einem Reiskorn am Tag ernährte. Sein eigentliches Essen schenkte er den Hunden. Dazu stahl Papaji seiner Mutter heimlich einen Sari, färbte ihn, verkleidete sich und ging als Bettelmönch umher.
Das Buch erzählt uns viele solcher Geschichten aus dem Leben von Papagi und es wird deutlich, was wahre Hingabe bedeutet. Es zeigt aber ebenso, dass dieser Weg nicht frei von Fallen ist und auch bei Papaji zu einigen Umwegen geführt hat. So schrieb er über sein (Wieder-) Erwachenserlebnis bei Ramana Maharshi:
„Er (Ramana Maharshi) konnte sehen, dass mein Haupthindernis darin lag, an der wunderschönen Form Gottes festzuhalten, wie auch an der Liebe, die ich für sie empfand. Er hatte mir geraten, die Erscheinungen dieser kurzlebigen Götter zu ignorieren und stattdessen nach Wesen und Quelle desjenigen zu fragen, der sie sehen wollte. Er hatte versucht, mich darauf hinzuweisen, was wirklich und von Dauer ist; doch dumm und arrogant wie ich war, hatte ich seinem Rat keine Beachtung geschenkt… Wäre ich dem Maharshi schon früher im Leben begegnet, hätte ich auf seine Lehren gehört und sie umgesetzt, wären mir wahrscheinlich Jahre fruchtlosen, äußeren Suchens erspart geblieben. (S.148)
Ramana Maharshi war es auch, der Papaji danach wieder an seine Pflichten als Familienvater erinnerte und ihn zurück zu Frau und Kinder schickte. In den Tagen herrschten Gewaltexzesse zwischen Muslimen und Hindus, sodass beide Gruppierungen in getrennten Abteilungen reisten.
„Geh und setz dich zu den Muslimen in ihr Abteil. Dort wird dir nichts geschehen.“ Dieser Stimme des Maharshis folgte Papaji, als er den Zug betrat. So befand er sich als Hindu in einem Waggon voller mordlustiger Muslime. Wenn die Muslime brüllten: „Tötet die Hindus! Tötet die Hindus!“ - dann brüllte er mit und überlebte unbeschadet die Fahrt. Die Hindus in den anderen Waggons wurden dagegen während der Fahrt niedergemetzelt. (S.198)
Dies sind heftige Zeugnisse und zeigen, wie in einer Welt der Gewalt und politischer Unruhen trotzdem das Göttliche stets existent ist. Wer es versteht, sich von den Ereignissen der Welt und von der Psychose der Massen nicht mitreisen zu lassen, wird in allen Lebensumständen im Vertrauen verweilen können.
Wie stark die Prägungen durch Politik und Kultur auf Papaji wirkten, das wird im Buch an vielen Stellen deutlich. Unvergesslich wird für mich der Bericht über Papajis Traum bleiben, in dem er sich in seinem letzten Leben als berühmten Yogi sah.
In diesem Leben verspürte er, als er schon älter war, ein starkes sexuelles Verlangen nach einem viel jüngeren Mädchen, das in seinem damaligen Ashram eine Arbeiterin aus einer niederen Kaste war. Er ging seinem Verlangen nicht nach - doch der Wunsch blieb und so wurde dieses Mädchen wiedergeboren und wurde zu seiner Frau in seinem Leben als Papaji.
Über diese Entdeckung, dass Papaji seine Frau, die in diesem Leben zwar Brahmanin, aber im vorherigen Leben ein heimlich geliebtes Mädchen einer niederen Kaste war, erschreckte ihn so sehr, dass er sie längere Zeit nicht berühren konnte, noch nicht einmal ihre Kleider anfassen wollte und seine Wäsche getrennt von ihrer aufhängte!
Auch wenn dieser Zustand mit dem Nachlassen des Schocks verschwand, so ist dies ein erschreckendes Beispiel dafür, wie tief verwurzelt - selbst bei einem realisierten Menschen - das Kastendenken Indiens ist. So liefert das Buch genügend Anlass, über die eigenen Prägungen nachzudenken und tiefer zu erforschen, was die Welt eigentlich ist und wie wir uns mit unerfüllten Wünschen immer weiter an diese ketten.
Papajis Erfahrungsweg, der in dieser Biographie beschrieben ist, lehrt sehr menschlich das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen und führt den Leser erfrischend humorvoll in das Verständnis der Advaita-Lehre. In der Art, wie er mit seinen Worten die Lebensweise eines Erleuchteten ausdrückt, ist dann auch alles gesagt:
„Der erleuchtete Mensch agiert, ohne zu denken. Für das, was er tut, gibt es keine Beweggründe. Papajis Handlungen sind stets eine Reaktion auf das, was um ihn herum geschieht.“ (S. 310)
Papaji- Nichts ist jemals geschehen Band I - erschienen bei advaitaMedia 2015. Softcover, 535 Seiten, 19,80 €. ISBN: 978-3936718331
Ben Albrecht – Leser von advaitaMedia 2. April 2019
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