Biodanza - Das Leben im Zentrum
von Gabriele Freyhoff -
Biodanza unterstützt das Prinzip des Lebens.
Montagabend. Andrea und Karl stecken fest im engen Verkehr des Feierabends. Sie haben einen anstrengenden Tag hinter sich. Sie arbeitet im Qualitätsmanagement und ist sehr gefordert, vielen Ansprüchen zu genügen. Er entwickelt Software und fühlt sich einseitig belastet, er ist müde und verspannt. Vor kurzem haben sie Biodanza kennen gelernt und waren überrascht über die unerwarteten Inhalte und Wirkungen des Tanzes.
Eigentlich wollten sie „nur“ einen Abend regelmäßig zusammen tanzen, um etwas Gemeinsames zu machen und Stress abzubauen. Doch nun sind sie begeistert und fasziniert von der ungeahnten Perspektive. Beim Tanzen - jedenfalls bei Biodanza, dem Lebenstanz - verändert sich ihr Lebensgefühl.
Karl erinnert sich: „Ich war immer schüchtern und habe mich eher zurückgezogen als mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen.“ Und nun macht es mir sogar Spaß, mit meinen persönlichen Charme in einem „Feuertanz“ zu zeigen und die Anziehungskräfte zu Frauen zu spüren. Zum Glück ist Andrea nicht eifersüchtig, sondern lässt ihrem Mann die neuen Erfahrungen; sie genießt das wieder erwachte Prickeln in ihrer Beziehung.
Und für sich selbst merkt sie, dass sie optimistischer in die Welt schaut und weniger kritisch den Mitmenschen und sich selbst gegenüber ist. Sie spürt deutlich, dass sie selbstbewusster geworden ist. Eigentlich erstaunlich, was Biodanza bewirkten kann!
Natürlich kommen sie zu spät zum heutigen Abend. Sie anderen sitzen im Kreis zusammen und das vorgestellte Thema sind „Die menschlichen Instinkte“. Karl fühlt sich im Moment überhaupt nicht instinktiv; alle Impulse dieser Art scheinen aus ihm gewichen zu sein. Er fühlt eigentlich nur seinen Kopf.
Aber, tatsächlich haben wir Menschen biologische Regungen, die für unser Überleben sorgen: der Nahrungsinstinkt garantiert unsere materielle Grundlage. Der Instinkt der Fürsorge und Mütter(Väter)lichkeit garantiert das Überleben unserer Spezies: Kinder aufzuziehen oder anderen Menschen in Notsituationen zu helfen.
Daraus erwächst auch unser Mitgefühl. Eine ganz andere Funktion hat da unser Instinkt des Kampfes und der Flucht – diesen fühlt Andrea fast jeden Tag, im Arbeitsprozess; sie ist abends total erschöpft vom „Kampf“ in menschlichen Konflikten und möchte nur noch flüchten. Unbekannter dagegen sind Instinkte wie der Impuls des Wanderns oder der Instinkt der Verführung und Zurschaustellung.
Viele Instinkte sind einfach verschüttet. In unserer heutigen Gesellschaft lernen wir kaum noch, unseren Instinkten zu vertrauen und ihnen zu folgen, sondern folgen oft einer Reihe von Ratgebern und Techniken, die uns ein besseres Leben versprechen. Interessant und neu ist es dann zu erfahren, in sich selbst die Wurzel des Lebens wieder zu finden und auszudrücken.
Der Instinkt des Erforschens, des Spiels und der Abenteuerlust ist ein gutes Beispiel:
Wie oft gestatten wir uns einfach nicht, diesem Impuls nachzugehen? Dabei kann unser Leben dadurch eine angenehme Leichtigkeit bekommen.
Und wie sieht es mit dem Instinkt des Schutzes aus?
Und mit dem des Gleichgewichtes und der Ruhe? Manche Instinkte dürfen sich wohl nur im Urlaub entfalten... Und darum, sie wieder zu spüren, sozusagen das persönliche „Biofeedback“ wieder zu aktivieren und danach zu leben, darum geht es in Biodanza. Ein Schritt dahin, mehr von innen heraus zu leben als sich nach den Anforderungen, die von außen kommen zu richten. Es weicht immer mehr das „ich sollte“ und “ich bin falsch“ dem „ich darf“ und „ ich bin genau richtig“.
Andrea genießt an diesem Abend besonders den Tanz, der große spielerische Anteile hat: Bewegungen, die spontan entstehen, die zum Lachen bringen, wo sie einfach etwas Neues ausprobieren kann. Karl beginnt seinen Körper wieder zu fühlen mit dem Tanz, der mit dem Wanderinstinkt in Verbindung steht.
Alle Poren seines Körpers scheinen sich im schwungvollen Rhythmus des Walzers zu öffnen, so dass er danach im Tanz der Verführung mit einer Partnerin sich männlich und stark fühlt, ganz eintaucht in den wirbelnden Rhythmus der Musik und die im Tanz entstehenden gegenseitigen Anziehungskräfte sehr genießt. Vor noch einer halben Stunde hätte er nicht geglaubt, dass solche Energien in ihm stecken! Und nun fühlt sich das Leben wundervoll an. Da könnte man Biodanza fast jeden Tag machen wollen!
In Realität ist jedoch Biodanza so etwas wie der Weg zurück zur Quelle, zur Quelle des Lebens, die ja eigentlich in uns steckt. Und diese Quelle wieder zu spüren, sprudeln zu lassen in Bewegungen zu Musik, mit anderen, in Begegnungen mit sich selbst, mit einer anderen Person oder mit vielen anderen ist wie ein Auftanken, wie ein wieder Anschließen an den Strom des Lebens.
Dieses Lebensgefühl - so war es nicht nur bei Karl - ist zunächst wie in einer Oase, einen Abend in der Woche spürbar. Dann, nach und nach, öffnen sich Gelegenheiten im Alltag, Genuss, Lebendigkeit und die eigenen Bedürfnisse zu leben, in Kontakt zu gehen und präsent zu sein. Das Leben wird genussvoller, praller. Es scheint mehr Liebe da zu sein, zu sich selbst, zu anderen Menschen, zum Leben überhaupt.
Andrea tankt besonders auf in dem ganz friedlichen und ruhigen Tanz des Schutzes. Wie wunderbar es doch ist, sich geschützt zu fühlen! Oh, da ist so ein großes Bedürfnis! Nun erst merkt Andrea, wie oft sie sich stärker macht, als sie in Wirklichkeit ist. Ihr Beruf fordert sie: muss „ihre Frau stehen“, Führung übernehmen. Wie gut tut da das Empfangen!
Andrea liebt diese Entspannungsphase in Bidoanza. Jede Session hat eine solche Phase. Für sie ist es reine Erholung; danach fühlt sie sich sie wie neugeboren. Da es in jeder Bidoanza-Session eine kurze Einführung gibt, weiß sie inzwischen, dass Biodanza die regenerativen Funktionen des Organismus anregt: sanfte Musik, gedämpftes Licht und langsame Bewegungen aktivieren den Parasympathikus, den Teil des autonomen Nervensystems, der Verdauung fördert, die Hautsensibilität, die Drüsensekretion.
Da fließt buchstäblich das Wasser im Mund zusammen! Wenn es ihr nur gelingen würde, diesen Teil auch im Alltag zu leben! Doch manche Dinge brauchen eben Zeit. Von anderen weiß sie, es ist ein Prozess, ein Prozess, das Leben wieder im Zentrum sein zu lassen, nicht die Verpflichtung, die Leistung, das Geld, sondern den Respekt vor dem Leben in allem: den Mitmenschen, der Natur und nicht zu letzt sich selbst.
Gabriele Freyhoff
Biodanza-Ausbilderin und Kursleiterin in Köln
Hier mehr interessantes rund um das Thema "Selbstwert & Lebensqualität" von Gabriele Freyhoff.
Eigene praktische Erfahrungen machen?
Und wenn Sie mehr lesen möchten: