Die Perchten von Altötting.
von Ina Maria von Ohr -
Die Perchten von Altötting.
Etliche Menschen haben heutzutage das Bedürfnis, sich um alte Bräuche und Riten zu kümmern. Sie forschen nach den restlichen erhalten gebliebenen Überlieferungen, setzen die gefundenen Bruchstücke zusammen und lassen sie wieder lebendig werden. Selbiges geschieht in der Vorweihnachtszeit ebenfalls in Altötting. Hier erscheinen an einem besonderen Tag am Rande des jährlichen Christkindelmarktes – der wegen seines traditionellen Erscheinungsbildes sehr zu empfehlen ist – die Perchten unter Führung eines verkleideten Bischofs.
Es sind über mannsgroße Bären mit gewaltigen Gebissen, die sich hopsend bewegen und viele gute Gaben, meist Süßigkeiten an die umstehenden Kinder verteilen. Wegen der zottligen, sehr gut gemachten Kostüme und dem Spektakel kommen die Leute auf dem Kirchplatz zusammen und die Kinder machen große Augen. Der Bischof hat wohl die Aufgabe, diese Bären zu führen und seine Sorge darauf zu richten, daß die Geister keinen Schaden anrichten können. Soweit das derzeitige Geschehen.
Jetzt will ich nach innerer Sicht diesen Fetzen eines guten alten Brauches in den richtigen Zusammenhang setzen:
Die Perchten als Bären gab es bei unseren Vorfahren überhaupt nicht. Bei unseren Ahnen war es üblich, daß die große alte Mutter als überragende Göttin in drei verschiedenen Ausdrucksformen verehrt und angebetet wurde. Diese Ausdrucksformen waren der Frühling, der Sommer und der Winter. Herr Wolf- Dieter Storl hat dies besonders umfassend in seinem Buch „Die alte Göttin und ihre Pflanzen“ beschrieben. Auf Seite 30 geht er direkt auf den Namen Percht ein.
Die alte Göttin wurde in ihrer frühjahrslichen Erscheinung in bestimmten bayrischen Gegenden Percht genannt. 40 Tage nach der Wintersonnenwende, am Ende des ersten Achtels des Jahreskreises, kam sie auf die Erde und zeigte sich. Sie hatte ihre nun aus dem Winterschlaf erwachten Bären im Gefolge, mit denen sie über die Fluren zog.
Sie segnete die Wiesen, Felder und Wälder und ihre Bären verteilten gute Gaben an die Kinder. Die Percht war vollkommen in weiß gekleidet und wurde von einer jungen Frau mit einem Kranz von ersten Frühlingsblühern um den Kopf dargestellt.
Die alte Göttin ist ein Wesen, daß für das Wohl und Wehe auf der Erde zuständig ist. Ob sie von den Menschen wahrgenommen wird, ändert den Lauf der Jahreszeiten und ihre Daseinsform keinesfalls. Götter haben von der Schöpfung bestimmte Aufgaben erhalten, die sie zu erfüllen haben, damit das Leben seinen reibungslosen Gang nehmen kann. Die alte Göttin ist eine dieser Wesen, die entscheidend für unser aller Leben wirkt.
Leider wird bei dem Aufzug der Perchten in Altötting sowohl die alte Göttin verneint, als auch werden unsere Vorfahren verspottet. Hier wird den Menschen vermittelt, daß die Kirche - vertreten durch ihren Bischof - die Phantasien der Menschen in geregelte Bahnen lenken muß.
Der Auftritt der fälschlich als Perchten bezeichneten Bären erfolgt zu einer gänzlich falschen Jahreszeit. Hier ist keinerlei sachlicher Hintergrund zu erkennen. Unseren Ahnen wird unterstellt, daß sie über die Vorgänge des Lebens unzureichende Kenntnis besaßen.
Allein, um die Ehre unserer Ahnen wiederherzustellen, sollten wir uns gegen die Verballhornung alter Sitten und Gebräuche stellen, sondern diese in ihrer ursprünglichen Form wieder zum Leben erwecken.
Herzlichst
Ina Maria von Ohr