Welche Aufgabe hat der Verstand in unserem Leben?
von Michael Ensle -
Wir haben uns im Blog der vergangenen Woche damit beschäftigt, wie wir unsere Entscheidungen treffen.
Wie triffst Du Deine Entscheidungen?
Wie ist es Dir bei diesen ergangen?
Wir werden uns heute damit beschäftigen, welche Aufgabe unser Verstand in unserem Leben hat. Wenn ich mir diese Frage vor vielen Jahren gestellt hätte, dann wäre die Antwort noch ganz anders ausgefallen.
Damals war mein Verstand der zentrale Teil, der mein ganzes Leben steuerte. Eindrücke wurden kommentiert, Erfahrungen analysiert, Argumente gesammelt und Entscheidungen getroffen. Ich vertraute meinem Verstand voll und ganz und fand diesen Zugang zu diesem Zeitpunkt auch vollkommen normal.
Doch so sehr ich mein Leben auch checkte, gab es schon damals einzelne Situationen in meinem Leben, an die ich anders heranging. Und zwar waren es die großen Entscheidungen, die ich mit meinem Verstand nicht zu lösen imstande war.
Neben dem einen und anderen Berufswechsel war das vor allem die Entscheidung für meine damalige Partnerin. Mein Verstand versuchte krampfhaft herauszufinden, ob sie die richtige ist (und nicht vielleicht eine bessere nachkommt) und konnte darauf natürlich keine zufriedenstellende Antwort finden.
Gerade in dieser Phase entdeckte ich mein sogenanntes Bauchgefühl, das in mir aufstieg und alles so klar erscheinen ließ. Da gab es dann auch nichts zu diskutieren und abzuwägen, sondern es war einfach da; ganz deutlich und eindeutig wahrnehmbar.
Da mein Verstand das so nicht akzeptierte und mich mit seinen Argumenten erschlug, wählte ich damals folgenden Weg. Wenn wieder eine (große) Entscheidung anstand, dann durfte mein Verstand zu Beginn eine Liste machen (was spricht dafür und was dagegen bzw. ich erstellte eine +/- Liste).
Dann legte ich diese weg und wartete auf das Bauchgefühl, das dann in den nächsten Tagen in aller Klarheit auftauchte und mir sagte, was für mich passt. Damit war auch mein Verstand beruhigt, weil er dabei war und es aus seiner Sicht letztlich seine Liste war, die dem Bauchgefühl die erforderlichen Informationen gegeben hatte, um zu dieser Entscheidung zu kommen.
Mit dieser Technik ist es mir gelungen, zwischen meinem Verstand, dem es vor allem darum geht, dass ich (über)lebe und meinem Gefühl, das mir anzeigt, was für mich passend ist, eine gewisse Harmonie herzustellen.
Ich versprach quasi meinem Verstand, dass er bei allen Entscheidungen mitreden darf, wenn er gleichzeitig meinem Gefühl Raum gibt, um sich zu zeigen. Damit konnte ich beide für mich nutzen.
Der Verstand ist aus meiner Sicht dazu da, mein Überleben zu sichern und mir dabei zu helfen, gut und sicher durch das Leben zu kommen. Er will, dass es mir gut geht und tut das auf seine Art und Weise. Da er jedoch erlebt hat, dass Gefühle für mich sehr bedrohlich sein können (Schmerz, Leid, Kontrollverlust,…), habe ich ihm – so wie das viele andere auch tun – die Aufgabe übertragen, mich davor zu schützen.
Da er dieser Aufgabe sehr genau nachkommt, versucht er meine Gefühle zu kontrollieren und in manchen Fällen auch zu unterdrücken, wenn er darin eine Gefahr für mich sieht.
Durch diese Methode der Entscheidungsfindung habe ich gelernt, meine Gefühle wieder wahrzunehmen und ihnen zu vertrauen. Und in dem Maße, in dem mir das gut getan hat, war auch mein Verstand dazu bereit, die Zügel etwas lockerer zu lassen.
Ich lade Dich heute dazu ein, Dir die Frage zu stellen, welche Aufgaben Dein Verstand übernommen hat und welchen Raum Deine Gefühle einnehmen (dürfen).
Michael Ensle