Simulanten - Die Welt will betrogen sein.
vom Mankau Verlag -
Die „Anleitung für Simulanten“ nimmt die allzu menschliche Fähigkeit zur Täuschung aufs Korn.
Zwar verlangen die Zehn Gebote, der Katechismus und Kants Kategorischer Imperativ, dass wir nicht lügen, täuschen, tricksen. Allerdings zeigt die bloße Existenz dieser Vorschriften, dass Menschen sogar in erheblichem Maße gerade dazu neigen. Mehr oder minder gute Gründe dafür und praktische Tipps, sich nicht bei der Täuschung ertappen zu lassen, stellt jetzt die „Anleitung für Simulanten“ vor.
„Die Welt urteilt nach dem Scheine“ – J. W. v. Goethe
Nur wer geschickt zu täuschen und zu tricksen gelernt hat, kann überleben und sich fortpflanzen. Das ist ein Ergebnis evolutionsbiologischer Forschung, und wir wissen nur zu genau, dass sich diese Erkenntnis leicht auf die menschliche Gesellschaft übertragen lässt.
Mit der „Anleitung für Simulanten“ widmet sich das Autorenteam aus dem Pädagogen und Psychologen Prof. Dr. Gisbert Roloff, dem Orthopäden und Internisten Dr. med. Andrzej Angielczyk sowie der Psychologin und Schriftstellerin Priv. Doz. Dr. Barbara Zoeke einem Thema, das jeder aus eigener Erfahrung kennt.
Nicht nur Mutter Natur verteilt so begehrte Merkmale wie Schönheit, Gesundheit und Begabung höchst ungerecht, auch unsere Gesellschaft ist recht parteiisch, wenn es um die guten Plätze geht. Und so ist es kein Wunder, dass es geschickte Täuscher wie Felix Krull oder Effi Briest zu höchsten literarischen Weihen gebracht haben.
Angesichts der ungerecht verteilten Chancen und Risiken erscheint es nur allzu legitim, wenn sich in der modernen Medien- und Marktgesellschaft das Tricksen zum eigenen Vorteil als probates Mittel zum Zweck erweist.
Der mit „Reiseführer ins Schummelland“ untertitelte, äußerst ungewöhnliche Ratgeber stellt augenzwinkernd die Vielfalt der Verhaltensweisen vor, selbst ein Stück vom Kuchen abzubekommen.
Typen der Täuschung
Unsichere Jobs, schlechte Bezahlung, Doppelbelastung durch Arbeit und Familie, Pflegefälle zuhause – das sind nur einige Stressoren, die auf Dauer derart strapazieren können, dass die Flucht in die Krankheit oder aber die Simulation von Krankheit als einzige Auswege gesehen werden.
Daneben gibt es nicht nur die Frechen und Faulen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen zu drücken versuchen, sondern auch die Selbstverdoppler, die trotz fester Anstellung Nebenjobs annehmen, um ihr Einkommen aufzubessern, die Unzufriedenen, denen jeder Arbeitstag nur Mühen bringt, aber auch die Belasteten und wenig Widerstandsfähigen, die den Ansprüchen der Arbeitswelt einfach nicht gewachsen sind.
Die dramatische Zunahme an psychosomatischen Störungen wie Fibromyalgie und Burnout – ob simuliert oder nicht – sind Ausdruck einer veränderten Kultur. Angesichts dieser Situation stehen Ärzte und Gutachter nicht selten vor dem Dilemma, ob die Aufdeckung einer Täuschung nur das Richtige im Falschen bedeutet.
Nachschulung in Sachen Vortäuschung
Im ersten Teil des Buches geht es um Täuschung in ihren vielen Varianten. Da kann sich jeder nochmals davon überzeugen, dass selbst Lebewesen mit einem einfachen Strickleiternervensystem zu allerhand Lug und Trug in der Lage sind. Wie viel mehr trifft dies dann auf den Menschen zu.
Der zweite Teil befasst sich mit dem, was viele erwarten: der kleineren oder größeren Inszenierung bei Ärzten und Gutachtern.
Der dritte Teil behandelt die Probleme von Traumatisierten, ein angesichts weltweiter kriegerischer Auseinandersetzungen sehr aktuell gewordenes Thema.
Der vierte Teil schließlich wendet sich an die Gegenseite im Spiel. Wer täuscht wen wie lange und mit welchem Erfolg? Eine besondere Form des Fingerhakelns, vielleicht auch des Florettfechtens, jedenfalls des Streits mit offenem Ausgang. Mundus vult decipi – die Welt will betrogen sein, heißt es am Ende des Buches.
Aber die Autoren haben ihre alten Lateiner genau gelesen. Denn eine andere Weisheit laut: Primum non nocere, vor allem nicht schaden und Salus aegroti suprema lex, das Heil des Kranken ist das oberste Gesetz.
Diese gut bekannten Regeln der Mediziner sollten durch den Leitsatz der Juristen ergänzt werden: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten.
Bei einer vorschnellen Verurteilung ist Zurückhaltung geboten – jeder könnte der Nächste sein.
Buchtipp
Sie haben noch nie simuliert? Wirklich nicht? Vielleicht stört Sie nur der Begriff – haben Sie vielleicht schon einmal die Wahrheit „ausgeschmückt“? Ein bisschen „schön gefärbt“? Oder Unerfreuliches charmant verborgen?
Die vielfältigen Verhaltensmuster des Täuschens und Tricksens, des Herunterspielens und Aufplusterns sind bereits uralt. Auch in der Tierwelt gibt es „Simulanten“:
Weichtiere und Insekten, Fische und Vögel und selbstverständlich unsere nächsten Verwandten, die Affen, verfügen über ein ganzes Arsenal von Finten, um Feinde abzuwehren oder Konkurrenten zu übertölpeln. Doch der Homo sapiens übertrifft dank seines hoch entwickelten Gehirns die tierischen Vorfahren bei Weitem, wie die Autoren – ausgehend von prominenten Fallbeispielen – auf unterhaltsame Weise darlegen.
Den speziellen Bereich des Simulierens in der ärztlichen Sprechstunde stellen die drei Autoren augenzwinkernd als „Gebrauchsanweisung“ für Simulanten vor. Und jeder, der möchte, bekommt praktische Tipps für so manches Zipperlein. Mit dieser ironischen Betrachtungsweise soll jedoch das moralische Dilemma von Medizinern und anderen Professionellen nicht übersehen werden, die von Fall zu Fall zu entscheiden haben, ob das Vortäuschen einer Störung angesichts skandalöser Arbeitsbedingungen oder schwer belastender Lebensanforderungen zuweilen nicht sogar zu rechtfertigen ist …
Die „Anleitung für Simulanten“ richtet sich an Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Schüler und Lehrer, Mediziner und Patienten, Hochstapler und Tiefstapler – und zeigt nicht zuletzt, wie sehr wir alle in eine Kultur der Täuschung verstrickt sind.
Gisbert Roloff / Andrzej Angielczyk / Barbara Zoeke: Anleitung für Simulanten. Reiseführer ins Schummelland. Mankau Verlag 2014, Taschenbuch, 12 x 19 cm, 191 S., 9,95 € (D) / 10,30 € (A), ISBN 978-3-86374-153-2
Herzlichst Ihr Mankau Verlag