Manifest für das Leben - Teil 6 -
Sicherheit, Tod, Vollkommenheit.
von Veit Lindau –
Sicherheit.
Es gibt keine Sicherheit in physischer Form. Leben ist gefährlich. Alles, was wir berühren, wird irgendwann sterben. Wir suchen unsere Sicherheit nicht im Bauen von Sandburgen. Wir krallen uns nicht am Ufer des Erreichten fest. Wir leben voll in dieser Welt, doch wir sind nicht von dieser Welt. . Wir schwimmen in der Mitte des Flusses und werden eins mit ihm. Krisen sind für uns natürliche Stromschnellen des Lebens. Wenn die nächste Stromschnelle kommt, pinkeln wir noch einmal ins Wasser oder furzen in den Wind, denn das bringt Glück. Dann atmen wir tief durch und suchen bewusst die Vereinigung mit dem Wirbel. Unsere einzige Sicherheit ist der ewige Wandel des Stromes und das noch tiefer liegende Meer der Stille in uns. Frieden entspringt dem Erkennen dessen, was bleibt, wenn alles geht.
Der Tod.
Rebellen des Geistes wissen instinktiv, dass es keine Garantie für ein Leben danach gibt. Wir geben uns nicht der trügerischen Sicherheit religiöser Konzepte hin. Ja, auch wir haben Angst vor dem Tod. Wir unterdrücken sie nicht, wenn sie kommt. Wir atmen sanft weiter. Wir erlauben ihr, langsam in unsere Glieder zu kriechen und sich dort in freudige Erregung zu verwandeln. Wir warten nicht wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf den großen Tod. Wir trainieren das Loslassen jeden Tag. Wir bereiten uns vor, indem wir jeden Tag kleine Tode sterben – immer dann, wenn wir unsere Komfortgrenze überschreiten. Wir ahnen, dass der letzte Tanz den Geschmack der ganzen Reise haben wird. Deshalb leben wir jetzt so, wie wir einmal sterben möchten.
Vollkommenheit.
Wir sehen die Vollkommenheit der Spirale des Lebens. Diese Vollkommenheit ist nicht dasselbe wie die menschlichen Vorstellungen von Schönheit, Perfektion und Fairness. Unsere Urteile über richtig und falsch unterliegen dem Wandel der Zeit. Vollkommenheit hingegen ist der klare Grundgeschmack des ewigen Mysteriums. Es ist eine nicht intellektuell verstehbare, doch in der Tiefe erfahrbare Angemessenheit des Seins.
Auch wenn es manchmal unser Herz zu zerreißen droht und unseren Verstand ängstigt – auch das Dunkle ist Teil des vollkommenen Tanzes. Genau wie jede Geburt durch eine Phase des Schmerzes und der Enge eingeleitet wird.
Das Leben hat immer Recht. Jedes Teil hat das Recht, zu sein, wie es ist. Wir begegnen menschlichen Irrungen mit Mitgefühl und Klarheit. Alles ist Liebe und ist da, um dem Großen und Ganzen zu dienen.
So sei es.
Herzlichst
Veit Lindau
Der Artikel ist ein Auszug aus dem Buch "Seelengevögelt" von Veit Lindau.