Diesen Artikel schreibe ich für Silberwaldfreunde, deren Seele mehr oder weniger großen Herausforderungen ausgesetzt ist. So beginne ich wieder am Anfang dieses Aufsatzes mit einen berühmten Satz: „Die Seele ist ein weites Land …“. Der Satz ist vom Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler, einem Zeitgenossen von Siegmund Freud, dem Vater der Psychoanalyse. Bekanntlich setzten beide sich, ihrer Zeit entsprechend, mit der Psychotherapie auseinander.
„Die Seele ist ein weites Land …“ genügt dem Silberwald, dem Wald der spirituellen Wahrheit und eines ebensolchen Wissens nicht. Was kann noch über dieser Vorstellung eines Bildes vom Seelenland stehen? Ein weites Land impliziert meist ein weithin unüberschaubares, geheimnisvolles, oft horizontloses und doch irgendwie ebenes Land. Wäre das so schon genug beschrieben, für die Welt des Silberwaldes ist es unzureichend, ungenügend. Irgendwie hört sich das zweidimensional und gleichzeitig nach mehr an – Die Landschaft der Seele ist wesentlich mehr, als nur weit.
Staatlich legitimierte Psychologen, aber auch immer häufiger Heiler und Schamanen leben Großteils von der Angst anderer. Die Angst wurde nicht nur unter den Psychologen, vermehrt jetzt auch unter Heilern zum lukrativen Geschäft, Angst ist und war schon immer ein blühendes Geschäft. Einige von diesen Heilern redeten mir Angst ein, sagten, ich hätte Angst und dunkle Schatten, Knoten in meiner Seele oder so etwas wie eine Urschuld in mir. Es ist leicht vorstellbar, dass solche Aussagen bei Menschen, deren Seele mehr oder weniger aus dem Gleichgewicht ist, auf fruchtbaren Boden fallen. Im Alltag ist die Angst allgegenwärtig und ebenso das Geschäft mit ihr.
Gehen wir das Bild der Angst einmal unerlaubt vereinfacht an. Der Mensch wird nicht nackt geboren. Von Anfang an bekommt er eine Seele mit, die nicht blank und rein ist. In seinem Werden, in seiner Entwicklung entwickelt seine Seele aber eigenständig ein Profil. Bewusst und unbewusst werden Entwicklungsstörungen, Krisen, Traumata, Katastrophen und Verbrechen an ihr erlebt und durchlebt. All diese Momente geben der Seele Profil. Es entstehen Berge an Problemen, Schuldgefühlen etc., damit einhergehend tiefe Täler des Alleinseins und Einsamkeit, der Verzweiflung, schlimmstenfalls des Grauens. Das weite Land der Seele wird zu einem der Berge. Je nach Erlebtem türmen sich in Lebensspannen riesige Gebirge auf.
Da ist mit Knoten lösen oder Schatten beseitigen nichts. Denn Berge und Gebirge lassen sich nicht so einfach einebnen. Seelenprofile können nicht einfach abgearbeitet, abgehobelt werden. Bestenfalls erodieren sie in enorm langen Zeiträumen und dafür ist eine Lebensspanne zu kurz. Denn die Lebenszeit wird benötigt, Seelengebirge aufzubauen, für ein Abbauen bleibt da keine Zeit mehr. Der Mensch in seinem Sein des Jetzt muss mit den angehäuften Bergen, mit seinem Seelengebirge umgehen lernen und letztlich es auch können. Kann natürlich nicht ein jeder. „Er muss in seinem Seelengebirge Pfade finden, sich bewegen, letztlich klettern lernen.“ Mit seinen Problemen, Lasten und Verwerfungen muss er umgehen, mit ihnen leben lernen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig und es kommt darauf an, wie er mit ihnen lebt, mit ihnen fertig wird.
Viele schauen vom Talboden hinauf in die Berge, in ihr ganz persönliches Gebirge und sind beindruckt, aber auch irritiert, haben Angst davor. Meist sind sie passiv, wollen nicht zu Fuß auf und in diese ihnen fremde Welt gehen. Am Talboden ist es bequemer, auch lässt sich ohne Sicht und in engen Horizonten vermeintlich ruhiger leben. Die Täler der Seele liegen im Schatten der Berge, dort gedeihen Sümpfe, sowie ungesunde und dicke Luft. Berge, Gebirge an Problemen und Lasten sind ihnen fremde Welten. Es ist scheinbar leichter im Sumpf der Täler im Schatten der Berge zu leben. Es gibt ja die Heileren, die Knoten lösen und dunkle Flecken auflösen. Aber leider stehen die Berge und die Gebirge immer noch unverrückbar fest und hoch.
Dem entgegengesetzt gibt es die Seelengänger, die Unbequemen, die Fitten, die keine Angst vor ihrer und anderer Angst haben. Die machen sich auf den Weg in die Höhe der Berge. Sie finden Seelenpfade in die Berge, lernen klettern, sie erreichen Höhe. Die Luft wird immer besser, dampfende Sümpfe bleiben zurück. Mit jeden Schritt, jeden Klimmzug in die Höhe der Seelenberge erweitert sich die Sicht, rücken Horizonte in die Ferne. Die Seele beginnt zu atmen, ihre sich erweiternden Horizonte öffnen Freiheiten. Der Blick in die Tiefe der Täler, in die Sümpfe, in den Smog rückt Zurückgelassenes in immer weitere Ferne. Der Seelenkletterer steht sprichwörtlich auf seine eigenen Problemen und Lasten, er ist nicht mehr in ihnen, erst über ihnen und er kann mit ihnen „händeln“, umgehen. Das Zurückgebliebene bleibt gegenwärtig, bestimmt aber den Kletterer nicht mehr. Er ist nicht mehr fremdbestimmt, er ist frei – mehr oder weniger.
Klettern muss aber gelernt sein, bleibt niemanden erspart. Dem Menschen ist von Natur aus die Bequemlichkeit einerseits, andererseits auch das Klettern gegeben. Er muss sich nur entscheiden, ein Berg-, bzw. ein Seelenführer kann ihm beim Suchen nach Seelenpfaden in die Berge, beim Klettern lernen helfen. Letztlich geht er aber seinen Weg alleine, die Freiheit, frei sein, bekommt niemand geschenkt – vor allem die Freiheit hat ihren Preis.
Damit nicht alles so hart, vielleicht zu negativ sich anhört bzw. liest, für die Seele gibt es auch viel Schönes und Außergewöhnliches. Durch sie kann Heilung eintreten. Die Berge werden dabei nicht weniger hoch, aber Wunden können sich schließen und vernarben. Seelenpfadführer sind hier die Heiler, aber das ist ein mühsamer und nicht so einfacher Prozess. Die Sprache der Heilung ist Magie, nur manchmal ist sie zu wenig, es benötigt mehr. In der Höhe der Berge tritt früher oder später Gelassenheit, Ruhe und ein sich Zurücknehmen ein. Die Weite der Horizonte relativiert die Welt der Täler, aber auch die Berge, die eigenen. Werte verschieben, reduzieren sich, vieles ist nicht mehr wichtig. In endlos scheinenden Raum der Freiheit der Horizonte verliert sich die Zeit, können
Dimensionen verlustig gehen. Bescheidenheit, Ertragen, Dulden, Demut und ein „auf –sich-nehmen“ stellen sich ein.
Was ist nun aber, wenn die Seele gar kein Gebirge, sondern ein dichter Dschungel oder gar ein stürmischer Ozean ist? Nun, hinter dem Dschungel, hinter jedem Ozean gibt es Berge, gibt es Gebirge. Da wären wir wieder am Ausgang unserer Arbeit. Die Welt der Berge, die Gebirge scheinen eine ohne Ende zu sein, der Kreislauf der großen Seele der Seele des Menschen beginnt immer von neuem.
Armin vom Silberwald, einer der alten Meister des Waldes und Elfenmeister; einer, der die Nacht, den Mond und die Dunkelheit liebt, aus der Dunkelheit kommt
Schwazer Silberwald im Silberwaldjahr der Biene