von Andrea Tüngler -
Obwohl sich alle Menschen bewusst oder unbewusst nach ihrer wahren Berufung sehnen, gibt es unterschiedliche Vorstellungen, was darunter zu verstehen ist. Viele Menschen glauben, dass für eine Berufung ein herausragendes Talent vorhanden sein muss oder dass vereinzelte Menschen einer vorgegebenen Bestimmung zu dienen haben. In Wahrheit ist jeder einzelne Mensch dazu bestimmt, seine wahre Berufung zu entdecken. Jeder Einzelne ist aufgefordert, dem Ruf seiner Seele zu folgen und sich auf seinen individuellen Lebensweg zu begeben.
In den ersten Lebensjahren werden wir durch unser familiäres System geprägt. Wir entwerfen einen Lebensplan, in dem wir schon früh in unserem Leben festlegen, welchen Weg wir einschlagen werden und wie wir diesen Plan in die Tat umsetzen wollen. Diese Entscheidungen über unseren Lebensentwurf wurden gefällt als wir noch relativ unbewusst waren und unsere Aufmerksamkeit vor allem darauf gerichtet war, im Familiensystem zu bestehen.Unserem Lebensskript entsprechend verfolgen wir später als Erwachsene meist nicht unseren eigenen beruflichen Weg, sondern folgen vorgegebenen und festgelegten Spuren innerhalb eines hierarchischen gesellschaftlichen Systems. Manchmal streben wir eine berufliche Karriere an, die zwar unseren ganzen Einsatz fordert und gesellschaftliches Ansehen einbringt, dennoch entsprechen die Ziele, die wir dabei verfolgen, nicht immer unseren wahrhaftigen Lebenszielen. Ein übersteigertes Karrierestreben kann im Gegenteil dazu führen, seinen wahren Aufgaben und seiner Berufung aus dem Weg zu gehen, wodurch persönliches Wachstum und Entwicklung verhindert wird. Erhalten wir in unserem Beruf Anerkennung und tragen wir eine verantwortungsvolle Position, lohnt es sich dennoch zu fragen: Wer ist es, der uns „ruft“? Handelt es sich um die elterlichen Erwartungen? Leben wir unser in frühen Jahren entworfenes Lebensskript oder handeln wir wirklich im Sinne unserer eigentlichen Berufung?
In unserer heutigen hektischen Zeit ist das Berufsleben immer mehr zum reinen Geldverdienst geworden. Viele Menschen fühlen sich am falschen Platz, sind erschöpft, ausgebrannt, über- oder unterfordert und erledigen ihre Arbeit nur noch mühsam und lustlos. Viele Menschen haben den Zugang zu ihren natürlichen Talenten und zu ihrer inneren Stimme verloren und wundern sich über die Leere und Sinnlosigkeit, die sie bei der Ausübung ihres Berufes empfinden.
Dies ist umso bedauerlicher, da die berufliche Verwirklichung ein bedeutsamer Lebensbereich der Persönlichkeitsentfaltung darstellt, in dem wir uns erfahren und entwickeln und an unseren Aufgaben wachsen und reifen.
Umso erfreulicher ist es, dass sich immer mehr Menschen auf die Suche nach sich selbst begeben, um ihre verlorenen wahren Potentiale wiederzuentdecken und den Ruf ihrer eigenen Seele wahrzunehmen.
Auf dem Weg des ganzheitlichen Erkennens kann ein Blick in das individuelle Geburtshoroskop wertvolle Hinweise liefern, wie wir uns unserer wahren Berufung annähern können.
Das individuelle Lebensziel jedes Menschen wird durch die Himmelmitte, das MC (Medium Coeli), symbolisiert. In symbolischer Sprache gibt es Auskunft darüber, was wir in unseren Leben erreichen, aufbauen und verwirklichen wollen.
Setzt man das MC mit der Frage nach der Berufung gleich, kann der Eindruck entstehen, dass es sich hierbei um Ziele handelt, die eher mystischen Charakter haben und nur im Himmel zu finden sind. Nun ist die Himmelsmitte aber Spitze des zehnten Steinbock-Hauses und verweist gerade auf eine Auseinandersetzung auf der Erde, nicht im Himmel. Das MC ist der Aufruf zur Hinwendung an unsere eigenen irdischen Lebensziele mit der Aufforderung, diese in die Realität umzusetzen.
Auf dem Weg zu unserem MC müssen wir uns in der gegenüberliegenden Himmelstiefe, dem IC (Imun Coeli) verwurzeln. Der IC symbolisiert bildlich den Boden, auf dem wir stehen. Um unseren eigenen Zielen entgegen streben zu können, müssen wir uns mit unserem Ursprung und unseren Wurzeln verankern. Je tiefer wir uns verwurzeln, desto weiter ragen unsere Äste in den Himmel.
Das sechste Haus beschreibt die Arbeitsbedingungen, das Arbeitsklima, die Mittel und Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, unsere Fähigkeit zur Einordnung und Anpassung, unsere Arbeitsmethoden und unseren persönlichen Arbeitsstil.
Im zweiten Haus finden wir unsere angeborenen Talente und natürlichen Ressourcen, auf die wir bauen können. Jede Neigung und Veranlagung unserer Persönlichkeit stellt ein Naturtalent dar. Die Rückbindung an die ursprünglichen Anlagen und Talente ist ein wesentlicher Schritt, die eigenen Schätze zu heben und sich selbst wertvoll zu fühlen.
Die Analyse der Erdhäuser im Horoskop liefert in astrologischer Symbolsprache hilfreiche Antworten auf folgende beruflich relevante Fragen:
Haus 10: Was ist mein Lebensauftrag? Was soll verwirklicht werden? Woraus besteht mein Lebenswerk? Wozu bin ich berufen?
Haus 6: Welche Mittel stehen mir hierbei zur Verfügung? Was ist meine passende Arbeitsweise? Wo ist mein Platz im System?
Haus 2: Auf welche Ressourcen und Talente kann ich zurückgreifen? Was gibt mir Sicherheit? Worauf kann ich bauen?
Die astrologischen Häuser 10, 6 und 2 bilden das sogenannte Erd-Trigon, welches das Fließen der Energien in den beruflichen Lebensbereichen begünstigt. Die Energien der jeweiligen Häuserherrscher fördern und unterstützen sich gegenseitig. Ist einer der drei Faktoren dieses Erd-Trigons blockiert, kann die Energie nicht mehr fließen; es kommt zum inneren Energiestau und zum äußeren beruflichen Stress.
Die astrologischen Symbole des Horoskops beschreiben die individuellen Möglichkeiten und Lösungen, die verborgenen Potentiale ans Tageslicht zu befördern und die Energien wieder fließen zu lassen. Wir gewinnen neue Perspektiven und Wege, zu unserer individuellen Aufgabe zurückzufinden und mehr Sinn und Freude in unser Berufsleben zu bringen.
Die Astrologie bietet zwar wertvolle Hilfe und Unterstützung, den eigenen Lebensweg zu finden, gehen muss ihn jeder allein und das erfordert Mut! Das Tor in die berufliche Freiheit fordert die Bereitschaft, das unsichtbare Band zu den Eltern zu durchtrennen, sich von den elterlichen Erwartungen zu lösen, die vorrangige Suche nach gesellschaftlicher Anerkennung aufzugeben und umzudenken.
In unserer heutigen Leistungsgesellschaft ist es üblich, dass wir unsere Fähigkeiten und Talente von Außen nach Innen betrachten. Wir haben erfahren, dass ganz bestimmte Fähigkeiten in der Gesellschaft anerkannt sind. Je mehr wir uns auf den Weg unserer Berufung begeben, desto mehr gestalten wir unsere Fähigkeiten von Innen nach Außen. Anstatt uns am Außen zu orientieren, welche Talente wir entwickeln sollen, orientieren wir uns an unseren inneren Talenten und bringen sie im Außen zum Ausdruck.
Die Suche nach der wahren Berufung leitet einen tiefgreifenden Bewusstwerdungsprozess ein. Anstatt in der Gesellschaft nach Anerkennung oder Bestätigung zu suchen, werden alte Ideale und Glaubenssätze hinterfragt und zunehmend eigene Ideale bezüglich der individuellen Lebenslaufbahn geformt. Dieser Prozess beinhaltet das Ablösen aus vorgegebenen Richtlinien und gesellschaftlichen Bewertungen, das Abwerfen der aufgetragenen Lasten und endet in der Entwicklung einer eigenen inneren Kompetenz, die keine Titel und äußere Bestätigungen mehr braucht.
Wir verlassen den Weg der Normalität, um uns auf den Weg zu machen, ein Original zu werden. Wir hören wieder auf den Ruf unserer Seele und bauen eine eigene Form, die unserer Seele gerecht wird. Unsere gesellschaftliche Aufgabe, zu der wir uns berufen fühlen, erfolgt dann nicht im Dienst der Gesellschaft, sondern im Dienst unserer Seele für die Gesellschaft.