Hilfe, mein Kind hat ein Problem! – Teil 2.
von Melanie Jochem - MK Akademie -
Was nehmen unsere Kinder nur alles auf sich, um die ihnen zustehenden Rechte wie Liebe, Aufmerksamkeit, Zuwendung, Unterstützung, Wertschätzung, Empathie, Grenzen und Regeln... zu bekommen? Dafür nehmen Sie in der Tat sehr viel auf sich. Wir finden das immer wieder, wenn Kinder z.B. extrem aufmucken, aggressiv werden und sich durch ihr Verhalten dominant in den Mittelpunkt setzen.
Wie reagieren die Eltern? Häufig mit lauten Worten, in denen sich durchaus ein aggressiver Ton wieder finden lässt, mit Genervtheit und Gereiztheit, mit Ungeduld, Konsequenzlosigkeit gegebenenfalls sogar mit Schlägen. Was lernen die Kinder daraus? Wenn sie Aufmerksamkeit wollen, müssen sie sich Daneben-Benehmen, denn „Dann sind Mama und Papa mit ihr Aufmerksamkeit ganz bei mir und nicht die ganze Zeit bei meinem kleinen Bruder.“
Und schon hat sich das einmal erlernte Verhaltensmuster verfestigt und unser Gehirn sucht ständig nach Situationen oder kreiert sogar solche Situationen, in denen es sich bestätigt fühlt, dass Aufmerksamkeit nur durch Daneben-Benehmen funktioniert. Diese Kinder ecken dann im Kindergarten an, später in der Schule und sorgen zu Hause für stete Unruhe. Aus der Hypno-Therapie / NLP kennt man dafür den Begriff der CoEx Chunks. (Condenced Experience) = Blöcke erlernter Verhaltensmuster. Bekommt das Gehirn keinen Anreiz, ein solches Verhaltensmuster zu verändern, sucht es beständig nach bestärkende Situationen, die das eigene Verhalten rechtfertigen.
Wenn jetzt der Therapeut einzig mit dem Kind arbeitet, ihm gegebenenfalls sogar Medikamente verabreicht, wird der Familie weiterhin signalisiert, dass nur das Kind ein Problem ist beziehungsweise hat. Genauso wird auch das Kind daran bestätigt, dass es so wie es ist Falsch ist. Das kann sogar zu einer großen Bürde für das Kind werden. Versetzen Sie sich bitte einmal in ein solches Kind hinein, das von allen Seiten gespiegelt bekommt wie verkehrt es ist und darüber hinaus erkennt, dass es (das Kind) alleine verantwortlich für die ganzen großen Probleme der Familie ist.
Der Therapeut bemüht sich darum, dem Kind in irgendeiner Art und Weise zu helfen. Jetzt hat das Kind zum Beispiel eine neue Verhaltensweise gelernt, wie es sich verhalten soll, wenn der Bruder ihn mal wieder doof anguckt. Im besten Falle hilft dem Kind das; die Frage ist nur wie lange? Eher wird es allerdings dazu führen, dass das Kind mit dieser neuen Verhaltensweise zu Hause auf andere Art und Weise aneckt. Damit ist der nächste Ärger vorprogrammiert. Erinnern wir uns daran dass unser Kind Aufmerksamkeit von seinen Eltern wollte.
Es geht also in der Therapie gar nicht darum, wie das Kind mit seinen Aggressionen lernt umzugehen sondern meines Erachtens darum, herauszufinden welche Bedürfnisse bei dem Kind nicht erfüllt werden und dann die ganze Familie an die Hand zu nehmen, um gemeinsam für alle zusammen neue Regeln zum Beispiel im Umgang miteinander zu erarbeiten.
Häufig schwingen hier Komponenten mit wie z.B. dass die Eltern in ihrer Partnerschaft nicht wirklich zufrieden sind, dass die Eltern vielleicht durch ihre Eltern auch kaum bis wenig Aufmerksamkeit bekommen haben oder anderes. Sie sehen, dass das Kind nur der Träger eines Symptoms ist, die Ursachen sich aber weit in das Gesamtsystem erstrecken können.
In meine Praxis kam ein Mädchen (fast 17 Jahre) begleitet von ihren Eltern, die berichteten, dass ihre Tochter immer wieder heftige Panikattacken bekommt. Nachdem ich das Mädchen erst einmal stabilisiert hatte, lag es eindeutig auf der Hand, dass bei ihr keine Ursache zu finden ist für die Ausprägung ihrer Symptome. Ich bat daher darum, mit ihren Eltern zu besprechen, ob die gesamte Familie bereit wäre an diesem Thema zu arbeiten.
Zur nächsten Sitzung kamen alle zusammen. Wir haben uns dann die Angst im System genauer angeschaut. Es wurde schnell deutlich aus welcher Richtung sie kam, so dass sich mein Verdacht erhärtet hatte, das nicht das Mädchen der Träger der Angst, sondern nur der Stellvertreter war. Im Rahmen einer systemischen Aufstellung wurde noch deutlicher dass alle Familienmitglieder die Angst stabil hielten und dass es für alle komisch war, wenn diese weg wäre.
Hätte ich jetzt weiterhin nur mit den Mädchen an dieser Angst gearbeitet, ohne das System mit ins Boot zu holen, hätte sie entweder ein neues Symptom ausgeprägt oder wäre wieder nach einer Weile in das alte Muster zurück gefallen, da ja alle von dieser Angst profitierten. Aber keinem war das bewusst.
Erst nach dem wir das so deutlich sichtbar machen konnten, konnten wir an die produktive Arbeit gehen, etwas Anderes verbindendes für alle zu finden, die Angst an ihren Platz zurückbringen und somit das Mädchen aus der Stellvertretung herausnehmen. Die Entwicklung die sich danach bei ihr gezeigt hat ist phänomenal. Von Angst und Panik keine Spur mehr.
Ich möchte Sie daher ermutigen, ihre Kinder aus einem liebevollen und wertschätzen Auge anzuschauen und sich dabei zu fragen, was ihnen ihr Kind spiegeln möchte. Sehen Sie die grenzenlose Liebe ihres Kindes zu Ihnen, dass ihre harschen Worte, den Unmut der Familie, die Schläge... auf sich nimmt, um ihnen ihr eigenes Thema zu verdeutlichen. Es ist nicht immer leicht, sich seinen eigenen Themen zu stellen. Es tut auch manchmal ganz schön weh, lieb gewonnene Verhaltensweisen abzulegen und zu verändern. Aber sollten das uns unsere Kinder nicht wert sein? Je eher wir die Verantwortung für unsere eigenen Themen übernehmen, diese bearbeiten und verändern umso eher kann auch Ruhe in die Familie einziehen.
Herzliche Grüße
Ihre Melanie Jochem
MK Akademie = ENTWICKLUNG wächst durch WISSEN. Wachsen SIE über sich hinaus!