Spiritualität und wie bekommt man die Kraft zu verzeihen?
von Martinus -
Wenn man Menschen nach juristischen Gesetzen bestraft, übertritt man das kosmische Gesetz zu verzeihen.
Durch Christus wurde den Menschen gesagt, dass man seinem Nächsten nicht nur siebenmal täglich, sondern siebenundsiebzigmal täglich verzeihen soll. Das bedeutet in Wirklichkeit, dass es nicht eine einzige Situation gibt, in der man nicht verzeihen soll. Kann es nun auch richtig sein, diesem Lehrsatz zu folgen?
Dem modernen intellektuell betonten Menschen genügt es nicht, dass Christus oder eine andere Autorität so etwas gesagt hat. Man will die Logik darin sehen können und dieser Lehrsatz scheint jeglicher Vernunft zu widersprechen. Soll dieser Lehrsatz für die Menschen unserer Zeit akzeptabel sein, so muss er als ein wissenschaftliches Fazit hervortreten, das logisch ist, d.h. in Kontakt mit den Lebensgesetzen.
Aber dann müssen die Menschen auch die Lebensgesetze vollkommen kennenlernen, nicht nur die Gesetze, die für die physische Materie gelten, sondern auch die geistigen Gesetze, die hinter der ganzen äußeren Struktur des Universums existieren.
Wenn die irdische Menschheit jemals imstande sein soll, eine höhere und humanere Kultur zu entfalten als diejenige, die zur Zeit auf dem Erdball herrscht, dann kann das nur auf der Basis einer genauen Kenntnis der kosmischen Gesetze und einer Lebensentfaltung in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen geschehen.
Der einzelne Mensch muss lernen, all die sogenannte Logik zu durchschauen, die nur lokal und ohne Verbindung mit den wirklichen Verhältnissen und Erscheinungen des Lebens ist. Aufgrund einer solchen lokalen Logik glauben viele Menschen, dass Christi Lehrsätze, wieder und wieder zu verzeihen, töricht und naiv seien. „Wenn jemand einem anderen Unrecht tut“, sagen sie, „kann man ihm nicht ohne weiteres verzeihen.
Er muss bestraft werden, dann hat er Angst, seine falsche Handlungsweise zu wiederholen. Wie soll man sonst dem Bösen beikommen?“ Für eine gewisse Entwicklungsepoche ist es natürlich, dass diese Auffassung der höchste Ausdruck von Vernunft sein müsse, und diese Entwicklungsepoche ist noch nicht vorbei, sie bildet die Grundlage für das rechtliche und politische System der Gesellschaft.
Jeder, der auf die Weise Unrecht begeht, dass er juristische Gesetze übertritt, wird nach den Paragraphen des Gesetzes bestraft werden. An gewissen Plätzen der Erde ist die strengste Strafe geradezu Mord, auch wenn das unter der Bezeichnung „Hinrichtung“ oder „Liquidation“ geschieht. Die moralische Institution, die Gesetzes- und Rechtswesen heißt, ist also in gewissen Fällen eine Mörderinstitution, und ihre Morde und übrigen Verhängungen von Strafen sind auch in den sogenannten christlichen Ländern durch die obersten Behörden autorisiert.
Aber eine Gesellschaft, deren juristische Gesetze auf einer solchen Moralauffassung basieren, ist in Wirklichkeit keine christliche Gesellschaft. Innerhalb dieses Bereiches ihrer Kultur ist sie heidnisch. Sie ist „kosmisch unterentwickelt“, auch wenn sie in anderen Bereichen noch so viel technische Geschicklichkeit und wissenschaftliche Tüchtigkeit entfalten mag.
Die Menschheit kann das Prinzip der Nächstenliebe noch nicht vollauf in ihrer Gesetzgebung manifestieren.
Dass etwas unterentwickelt ist, will ja nur sagen, dass es nicht fertig entwickelt ist. Es befindet sich in der Entwicklung, auf dem Weg zu einer höheren Stufe. Und dass eine höhere Entwicklungsstufe noch nicht erreicht wurde, kann nichts und niemandem vorgeworfen werden.
Man kann doch einem Affen nicht vorwerfen, dass er kein Mensch ist, und den Autoritäten in den genannten Gesellschaften kann man nicht vorwerfen, dass sie das Prinzip der Nächstenliebe in ihren Gesetzen und in ihrer Wesensart noch nicht vollauf manifestieren.
Dahin werden sie in einer fortgeschritteneren Entwicklung einmal kommen, und dann werden sie auf ihren heutigen Zustand als unmenschliche Barbarei und unglaubliche Unwissenheit zurückblicken. Aber noch haben sie die Auffassung, dass Mord mit Mord bekämpft werden muss, Zorn mit Zorn und Unannehmlichkeiten mit anderen Unannehmlichkeiten, also das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.
Man glaubt wirklich, dass man Krieg mit Krieg und Mord mit Mord abschaffen kann und dass man überhaupt von den Unannehmlichkeiten, die sogenannte Verbrecher der Gesellschaft bereiten, frei werden kann, indem man den Verbrechern Unannehmlichkeiten bereitet.
Diese Methoden hat man jahrtausendelang angewandt und doch kommen Krieg, Mord und andere Verbrechen heute nicht weniger vor als vor Jahrtausenden. Es scheint also keine besonders effektive Methode zu sein, um diese Erscheinungen auszurotten, und es ist ganz natürlich, dass das nicht der Fall ist.
Wir wissen doch alle, dass man Feuer nicht mit mehr Feuer löschen kann, sondern mit Wasser, d.h. einem Stoff, der den entgegengesetzten Charakter des Feuers hat.
Herzlichst
Martinus