Spiritualität - das Vater- und Sohnbewusstsein erleben – Teil 3.
von Martinus -
Wie kann die Gottheit alles hören oder erleben?
Aber wie kann die Gottheit alles hören und sehen? Das kann sie, weil alle Lebewesen zusammen ihre Organe für die Wahrnehmung darstellen. Sie hat dadurch Sinne für das Erleben von allen Arten von Wesen, allen Arten von Zuständen – sowohl normale als auch anormale. Sie hat Sinne für alle existierenden Lebensäußerungen – Organe, durch die sie jede individuelle Psyche versteht und damit imstande ist, mit ihr zu kommunizieren. Sie hat Sinne, die es ihr möglich machen, ebenso leicht mit einer Ameise, einer Fliege oder Mücke zu „reden“ wie mit einem Elefanten, einem Flusspferd oder mit Giraffen. Sie sieht alles, hört alles und versteht alles. Auf diese Weise hat sie in der Welt keine Entsprechung und wird damit zu dem „absoluten Einen“. Das bedeutet aber nicht Einsamkeit in dem Sinne, wie der Gottessohn diesen Begriff versteht.
Die Lebensbedingungen des Gottessohnes sind ja die, dass er Mitwesen hat. Hierdurch bekommt seine Lebensfreude die Möglichkeit zu kulminieren. Aber für die Gottheit beruht die Kulmination der Lebensfreude darauf, dass sie einsam ist, d.h. dass sie keine gleichgestellten Wesen hat. Das ist es ja gerade, weshalb sie als Allvater, als Gottheit existiert. Für sie wird das tägliche Erleben des Lebens durch ihre Einsamkeit ebenso natürlich, selbstverständlich und glücklich, wie das Erleben des Gottessohnes durch seine Einstellung auf dieses große Eine glücklich und erfreulich wird.
Das Lebenserleben der Gottheit
Nun werden sicher viele glauben, dass das Erleben des Lebens der Gottheit nicht so reich an Nuancen sein kann wie das des Gottessohnes. Die Gottheit kann ja nichts „außerhalb“ von sich selbst erleben, so wie es beim Gottessohn der Fall ist. Der Gottessohn kann sowohl eine äußere Welt als auch eine innere Welt haben, was bei der Gottheit ja nicht der Fall sein kann. Ebenso kann die Gottheit keine so reichlich detaillierte und dekorierte Natur vor sich haben wie der Gottessohn. Da die Gottheit alles ist, was existiert, kann sie nur sich selbst erleben, was den meisten langweilig vorkommen wird. Wenn wir nur uns selbst erleben könnten, käme das Leben den meisten wohl unaushaltbar vor. Aber hier sind wir wieder unserem Drang erlegen, die Gottheit in unserem eigenen Ebenbild zu formen. Die Bedingung für das Leben der Gottheit ist es ja nicht, einer von vielen zu sein, wie dies für unser Leben gilt. Die Bedingung für ihr Leben ist es, das aus den Vielen bestehende Eine zu sein. Dort, wo sie das am klarsten erlebt, hat sie ihre höchste Lebensfreude. Sie ist sinnesmäßig ganz anders dafür ausgestattet, mit den Myriaden von Lebewesen ihres eigenen Organismus persönlich zu kommunizieren, als der Gottessohn. Ihre ganze Welt befindet sich genau in ihrem eigenen Organismus. Sie existiert nur, um Zentrum zu sein, um Sammlungspunkt und Vaterprinzip für all die in diesem Organismus existierenden Lebewesen zu sein.
Da sie über zeit- und raumdimensionale Wahrnehmung erhaben ist, sind Größe und Distanz, Zeit und Raum kein Hindernis in ihrem Gespräch oder ihrer Kommunikation mit irgendeinem Lebewesen.
Dadurch wird ihr eigener Körper eine reiche Quelle für Bewusstsein, Lebenserleben und Kommunikation mit allen möglichen Nuancen von Bewusstseinssphären und Wesensarten, die der Gottessohn in seiner raum- und zeitdimensionalen Welt erst erreichen können wird, wenn er die oben erwähnte kosmische Einweihung passiert hat, durch die er „eins mit der Gottheit“ wird und damit eins mit dem Grundton des Universums: der Nächstenliebe, die die Erfüllung aller Gesetze ist.
Das Erreichen des „kosmischen Bewusstseins“
Kosmisches Bewusstsein zu erreichen und damit eins mit dem Vater zu werden, ist genau dasselbe wie „in Gottes Abbild, ihm gleichend“ zu werden. Das ist das Erleben des innersten Mysteriums der Nächstenliebe, denn seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben heißt, den Vater zu lieben wie sich selbst. Dadurch ist der Gottessohn in Kontakt mit dem Vater, der den Sohn genau wie sich selbst liebt. Durch das Erleben des kosmischen Bewusstseins wird der Gottessohn auf den Aussichtspunkt des Vaters gehoben. Wenn dies geschieht, weichen alle Grenzen, die Illusion der Finsternis ist gebrochen und das Dasein wird zur Harmonie von unendlicher Schönheit, zu einer alles durchdringenden und alles überstrahlenden Vibration von Intuition und Seligkeit.
Herzlichst Martinus
Aus einem Vortrag am 4.5.1947.
Bearbeitet von E.G. Larsson und von Martinus gutgeheißen
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 11, 1971 mit dem Titel: "Fader- og sønnebevidstheden" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk