Spiritualität: Antwort auf den Brief eines Kranken - Teil 2 -
von Martinus -
Lieber N.N.!
Was ich Ihnen hier schreibe, ist vielleicht nur ein geringer Trost. Es befreit Sie ja nicht direkt und plötzlich von Ihrem Leid, lieber N.N., aber es gibt Ihnen die richtige Analyse des Leidensproblems der Wesen, durch die Sie die vollkommen richtige Einstellung zu Ihrer Schicksalssituation erreichen können. Die richtige Einstellung führt wiederum zu richtigen Gedanken oder Gedankenimpulsen. Ihre Situation ist also nicht hoffnungslos.
Die richtigen Gedankenimpulse sind nämlich dasselbe wie zwischenkosmische elektrische Impulse. In dem Maße, in dem Sie mit den richtigen Impulsen denken, laden Sie Ihr Schicksalselement mit diesen Impulsen auf. Diese wirken wiederum als positive Lebenskraft zurück. Ihr ganzer physischer Organismus ist eine zwischenkosmische elektrische Apparatur.
Und alle Funktionen werden von organischer oder zwischenkosmischer Elektrizität angetrieben. Die Aufladung geschieht also durch all die Eindrücke, die Sie durch die Sinne erhalten, durch all die Erlebnisse, die auf Sie zukommen, von denen einige Freude und Glück fördern, während andere melancholisch machen und deprimierend sind. Die höchste Instanz, die über die von diesen Gedankenimpulsen verursachte zwischenkosmische Elektrizität oder Lebenskraft herrscht oder sie führt, ist Ihr Ich oder Ihr höchstes Selbst. In Bereichen, in denen ein Mensch unfertig oder unwissend ist, kann er nicht richtig denken.
Er kann nicht aufgrund von Kenntnissen oder Erfahrungen handeln, die er nicht hat. Aber das Denken geschieht trotzdem. Es wird jedoch fehlerhaft und führt in die Irre. Dadurch wird es negativ und verursacht Kurzschlüsse in jenen Bereichen der Mentalität und des Organismus, die es aufrecht erhalten und damit bei Gesundheit, Normalität und Wohlbefinden erhalten sollte.
Wie gesagt, geschieht die elektrische Aufladung des Menschen, die dasselbe ist wie die Aufladung mit Lebenskraft, durch Sinneserlebnisse sowohl aus der physischen als auch aus der geistigen Welt. Die Sinnesorgane sind Organe zur Verwandlung physischer Reaktionen in zwischenkosmische elektrische Impulse, die bei ihrer Passage durch das Unterbewusstsein zu einem lebendigen Erleben im wachen Tagesbewusstsein werden.
Von dort aus passieren sie weiter die Batterieorgane, um hier als treibende Kraft für die Denk- und Willensfunktionen des Wesens und für ihre Überführung in eine Manifestation durch den physischen Organismus angesammelt zu werden.
Diese Manifestation verursacht wiederum eine Reaktion in der äußeren Umgebung. Und diese Reaktion ist dasselbe wie das Schicksal des Wesens. Leider kann ich hier nicht auf eine detailliertere Darstellung dieses Themas eingehen. Ich hoffe jedoch, Sie können hieraus erkennen, dass Sie ein sehr effektives Mittel für eine Heilung selbst in der Hand haben. Es gilt also, die absolut richtige Einstellung zu sich selbst und zu seinen Mitwesen und zu seiner Umgebung zu bekommen.
Je richtiger man hier denkt und dadurch die göttliche Wahrheit oder Wirklichkeit in jeder Situation oder in allem, was geschieht, sieht und damit die unerschütterliche Logik des Lebens erkennt, die bewirkt, dass absolut alles, was die Natur erschafft, im Schlussfazit und damit auch im eigenen Schicksal zur Freude und zum Segen wird, desto mehr lädt man seine Lebenskraftbatterien (die zwischenkosmischen elektrischen Organe im Überbewusstsein) mit positiver Lebenskraft auf. Positive Lebenskraft entsteht also aus optimistischen Gedankenarten. Basieren die Gedankenarten eines Wesens dagegen auf Pessimismus und Schwarzseherei, auf Selbstmitleid und Martyriumsempfindungen, Verbitterung gegenüber anderen Menschen, von denen man glaubt, dass sie an den eigenen Leiden schuld sind, so führt das nur zu negativen zwischenkosmischen elektrischen Impulsen und damit zu einer sehr mangelhaften oder geschwächten Lebenskraft.
Aber eine geschwächte Lebenskraft bedeutet eine geschwächte Funktion im Organismus und in der Mentalität. Eine solche geschwächte Funktion kann wiederum nur eine verminderte Lebenslust oder eine verminderte Freude am Dasein bewirken. Lebensglück und Freude am Dasein zu fühlen, ist eine Funktion. Und Funktionen können nur durch Kraft angetrieben werden. In dem Maße, in dem es an Kraft fehlt, kommt die Funktion zum erliegen. Diese Schwächung der Funktion liegt also allen existierenden Formen von mentalen und körperlichen Krankheiten zugrunde. Und diese wiederum können das Wesen zum Selbstmord treiben, dessen Verwirklichung die Kulmination von Torheit ist.
Die innerste Ursache aller Krankheiten ist somit ein falsches Denken und eine falsche Auffassung. Das Wesen muss alles aufbieten, um zu optimistischen Gedanken zu kommen, was man erreicht, indem man die wirkliche Wahrheit des Lebens erkennt, die an sich die Kulmination von Optimismus ist, was durch ihre Identität mit der Alliebe begründet ist.
Wenn ein solches Wesen mit geschwächter oder zusammengebrochener Lebenskraft anfängt darüber nachzudenken, wie es für andere kranke und leidende Wesen nützlich sein könnte, werden diese Gedanken anfangen, neue Lebenskraft zu entwickeln. Gleichzeitig gibt es nichts, was mehr positive Lebenskraft fördert oder hervorbringt, als die Erkenntnis, dass man nicht unschuldig leidet und dass die eigenen Leiden bedeuten, durch Gott von einer niedrigeren Daseinsebene auf ein höheres und vollkommeneres Lebensniveau, auf dem man von allen Krankheiten und Leiden befreit ist, erhöht zu werden. Wir müssen hier im Auge behalten, dass wir ohne das Erleben der Finsternis und damit der Leiden unmöglich die Fähigkeit erreichen können, das Licht zu erleben.
Der Weg, der den Menschen aus seinen Leiden herausführt, ist somit der, sich in optimistischer und humaner Gedankenführung zu üben. Ohne diese Gedankenführung gibt es keine vollkommene Lebenskraft im menschlichen Organismus und in der menschlichen Mentalität. Der Mensch muss jedoch selbst mithelfen, seine Lebenskraft auf die Beine zu bringen. So wie der Gärtner seine Gemüsefelder von Unkraut freihalten muss, damit seine Pflanzen darin nicht ersticken, genauso muss auch der Mensch in seinem Bewusstsein, in den Terrains seiner Gedanken- und Willensführung, das erstickende Unkraut jäten, das hier gedeihen und auf seine Lebenskraft und seine Normalität schwächend und lähmend und damit zerstörend auf seine Lebenslust oder seine Freude am Dasein wirken kann.
Dieses mentale Jäten besteht darin, die Schwarzseherei und jede Verbitterung den Wesen gegenüber, von denen er meint, sie seien schuld an seinen Leiden und seinen Beschwerlichkeiten, wie auch jede andere Verbitterung zu eliminieren. Und dies wird leichter, je mehr er mit seinem Märtyrergefühl und seinem Selbstmitleid und all den Klagen über seinen Zustand anderen Wesen gegenüber aufhört und wenn er versteht, dass das Leben, kosmisch gesehen, gerecht und vollkommen ist, und dass er an seinem Schicksal selbst die Schuld trägt.
Es ist natürlich nicht so leicht, seine Natur in dieser Weise zu ändern und sich damit aus der Finsternis zu erheben, aber es gibt absolut keinen anderen Weg zur wirklichen Garantie für Glück und für Freude am Dasein. Es gibt jedoch keine Schwierigkeiten, die so schlimm sind, dass sie nicht überwunden werden können. Und hierbei ist die wunderbare göttliche Kraft, die in allen Lebewesen in Gestalt des Gebetsprinzips verankert ist, eine ungeheure Hilfsquelle für das Wesen, das gelernt hat, diese Macht zu verstehen. Jedes Gebet, in dem ein Mensch um Hilfe bittet, sich in Richtung einer selbstlosen Lebensweise voller Nächstenliebe zu entwickeln, wird mit absoluter Sicherheit erhört werden.
Hier kann das Gebet ein außerordentlich großer Bereich weißer Magie sein. Es war diese Macht, die Christus die Stärke gab, seine Kreuzigung auf sich zu nehmen und nicht vor ihr zu flüchten, was er ohne weiteres hätte tun können – dann wäre jedoch seine große Mission missglückt. Und es war dieselbe Macht, die es den Jüngern ermöglichte, in Jesu Fußspuren zu gehen und ihre Kreuzigung auf sich zu nehmen, wie er es getan hatte. Es war auch diese Macht, die den ersten Christen eine solche Lebenskraft, einen solchen Optimismus gab, dass sie singend in die Arena gehen konnten, wo sie von wilden Tieren zerrissen wurden.
Ich habe Ihnen hier einen kleinen Einblick in die Schicksalswissenschaft gegeben, und ich hoffe, dass Sie dadurch etwas Freude und Hilfe bekommen konnten. Abgesehen von diesem kleinen Fingerzeig, den ich Ihnen gegeben habe, ist Ihre Krankheit eine Angelegenheit zwischen Gott und Ihnen selbst, lieber N.N.
Und hiermit die liebevollsten Grüße und allerbesten Wünsche für Sie.
Herzlichst
Martinus
Diesen Brief schrieb Martinus am 07. März 1957. Im deutschen Kosmos ist er erstmals in Heft 2/1980 erschienen.
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 17, 1968 mit dem Titel: "Svar på et brev fra en syg" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk