Befreiung vom Herdenbewusstsein - Herdeninstinkt.
von Martinus-
Der Herdeninstinkt der Erdenmenschen gehört zum Tierreich.
In unserem Jahrhundert hat die Erdenmenschheit in einer sehr unangenehmen Weise erfahren, wie das Herdenbewusstsein oder die Herdenmentalität zur Ursache schrecklichen Unglücks und Leidens werden kann. Ein einziger Mann hat Millionen von anderen Menschen dazu gebracht, den Arm emporzustrecken und „Sieg-Heil“ zu rufen und dann mit stampfenden Füßen hinaus in die Welt zu marschieren, um andere Völker mit Waffenmacht und Propaganda in dieselbe Massensuggestion hineinzuziehen.
Dass so etwas stattfinden konnte, liegt natürlich nicht nur daran, dass Hitler eine kolossale Willenskraft besaß, sondern in besonderem Maße daran, dass er es vermochte, an den Herdeninstinkt der Erdenmenschen zu appellieren, an primitive Instinkte und Gefühle, die zum Tierreich gehören und die auch in den Schrecken des Krieges und der Konzentrationslager zur Auslösung kamen.
Aber Hitler und der Nazismus erlitten eine offenkundige Niederlage, und der Menschheit wurde gezeigt, wie eine solche Mentalitätsentfaltung derselben Götterdämmerung unterliegen musste, wie sie sie anderen zugefügt hatte.
Dieses Erlebnis hat sicher einen Teil der Menschen klüger gemacht, aber nicht alle. Politische Propaganda kann die Menschen immer noch dazu bewegen, in der Masse tierische Handlungen zu begehen, die das Leben auf der Erde zu einem Dschungeldasein machen, in dem das Prinzip „Macht vor Recht“ dominiert.
Es ist jedoch nicht der Sinn des Lebens der Erdenmenschen, dass sie weiterhin dem Dschungelgesetz unterworfen sein sollen. Eine Mentalitätsänderung wird die Erdenmenschheit nach und nach in ganz andere Lebensbahnen führen, und das wird gerade durch die individuelle Entwicklung geschehen, die zur Befreiung vom Herdenbewusstsein führt.
Einige Menschen wollen sich heute gerne von der Herdenmentalität befreien.
Nun darf man aber nicht glauben, dass Herdenbewusstsein und Massensuggestion etwas sind, was sich nur in politischer Propaganda äußert, und auf keinen Fall auch nicht, dass es nur der Nazismus ist, der auf der Herdenmentalität beruht. Der Nazismus war ein deutliches und krasses Beispiel für politische Propaganda und was sie mit sich bringen kann.
Aber die Erdenmenschen sind einer Menge anderer Variationen dieses Prinzips ausgesetzt, und sie müssen sie durchmachen, um dadurch die notwendigen Erfahrungen zu machen, die sie nach und nach unempfänglich für Propaganda und Suggestion machen, damit sie fähig werden, selbständig zu denken und von ihrem eigenen Denken aus zu handeln und nicht vom dem anderer aus oder von dem aus, was zum guten Ton gehört oder Sitte und Brauch ist.
Nun werden einige vielleicht einwenden, dass es ja nichts Böses ist, dem guten Ton oder Sitte und Brauch des Landes und des Milieus zu folgen, in dem sie leben. Das ist es auch nicht, genauso wie es nichts Böses ist, dass das einzelne Tier der Tierherde folgt und dasselbe tut wie die anderen. Für das Tier ist es sogar eine Tugend und eine Notwendigkeit. Und das ist es auch lange Zeit für die Erdenmenschen gewesen, die von religiöser und politischer Diktatur geführt wurden. Aber viele Erdenmenschen sind in unserer Zeit dabei, diesem Zustand zu entwachsen, sie fühlen selbst, dass sie sich mit vielen dieser Formen von Sitte und Brauch und Gewohnheitsdenken, die das Milieu dominieren, in dem sie leben, nicht mehr auf einer Wellenlänge befinden und sie versuchen – oft mit großer Mühe – sich von der Herdenmentalität zu befreien.
Herzlichst Martinus
Aus einem Vortrag vom 21. Juni 1951. Bearbeitet von Mogens Møller und gutgeheißen von Martinus
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 13, 1973 mit dem Titel: "Frigørelse af flokbevidstheden" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus, EG
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk