Befreiung vom Herdenbewusstsein - Teil 2 -
von Martinus -
Es ist für den Menschen schwierig, sich von der jetzigen Kultur zu befreien.
Eine solche Befreiung kann sich auf viele Weisen äußern. Zum Beispiel auf die, dass junge Menschen den Militärdienst verweigern, weil sie die Soldaten anderer Nationen nicht als Feinde, sondern als Mitmenschen auffassen, die sie nicht töten wollen. Sie kann sich auch auf die Weise äußern, dass man seine Ernährungsgewohnheiten ändert und damit aufhört, animalische Nahrung zu essen, und aus ethischen wie auch gesundheitlichen Gründen Vegetarier wird.
Sie kann sich im religiösen Bereich zeigen, indem viele Menschen fühlen, dass ihre religiöse Einstellung nicht mit den Dogmen übereinstimmt, die die Grundlage der offiziellen Religion sind. Sie kann sich auch innerhalb politischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Bereiche, innerhalb des Unterrichts und in vielen anderen Dingen äußern.
Aber selbst wenn sich die Menschen eine gewisse Befreiung von alten Gewohnheiten, Sitten und Vorstellungen innerhalb lokaler Bereiche unserer jetzigen Kultur verschaffen, ist damit nicht automatisch verbunden, dass diese Menschen wirklich freie Menschen geworden sind. Sie können auf vielen anderen Gebieten an Gewohnheiten und Vorurteile gebunden sein und vielleicht zugleich für ihre neuen Ideen auf eine Weise Propaganda machen, die den alten Methoden, was Intoleranz und Fanatismus angeht, verdächtig ähnlich ist.
Die Menschen sind dem kosmischen Kreislaufprinzip unterworfen
Aber wie kann man ein selbständig denkendes und befreites Individuum werden, das sich über die „öffentliche Meinung“ hinwegsetzen kann, ohne in dieser oder jener geistigen Ecke politischer, religiöser oder sonstiger Art zu landen? Das kann man nur, indem man die Gesetze des Lebens in der Weise kennenlernt, dass man in Übereinstimmung mit ihnen handeln kann.
Auf die Gesetze des Lebens kann keine Religion und auch keine politische Partei ein Patent haben. Sie existieren unabhängig von allen menschlichen Ideen und Zusammenschlüssen.
Auf der anderen Seite sind die Ideenwelt der Erdenmenschen und ihre mehr oder weniger idealistischen Vereine, Parteien oder anderen Vereinigungen aber nicht unabhängig von den Gesetzen des Lebens.
Sie sind dem kosmischen Kreislaufsprinzip unterworfen, genauso wie alles andere im Leben. Das bedeutet, dass sie einen zarten, keimenden Zustand, eine Wachstumsperiode auf dem Weg zur Kulmination haben, und nach der Kulmination einen gradweise degenerierenden Zustand auf dem Weg zum Tod.
Aber nichts stirbt, ohne in einer neuen Gestalt wieder aufzuerstehen. Parteien, Sekten und Vereine lösen sich auf, wie Stoff, der verwittert, und die einzelnen „Zellen“ im Stoff, also die einzelnen Menschen, die Mitglieder dieser Zusammenschlüsse waren, treten vielleicht in andere Zusammenschlüsse ein, deren Form von Idealismus sie mehr in Übereinstimmung mit ihren eigenen Meinungen und Idealen sehen.
Oder sie bilden vielleicht selbst neue Zusammenschlüsse und versuchen, Proselyten und Anhänger ihrer Ideen zu werben. Hinter all diesen Umgruppierungen existiert ein bestimmter Entwicklungsplan, da die Gruppen, Sekten, Vereine oder Parteien, derer die Menschen müde geworden sind und mit denen sie nichts mehr zu tun haben wollen, von Herdenmentalität und Gewohnheitsdenken dominiert werden, während diejenigen, zu denen sie hinstreben oder die sie bilden möchten, im allgemeinen auf etwas größerer persönlicher Freiheit und selbständigerem Denken beruhen.
Herzlichst Martinus
Aus einem Vortrag vom 21. Juni 1951. Bearbeitet von Mogens Møller und gutgeheißen von Martinus
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 13, 1973 mit dem Titel: "Frigørelse af flokbevidstheden" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus, EG
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk