Unsere Gesinnung und die Lebenskette von Ursache und Wirkung.
von Martinus -
Unsere eigene Gesinnung, unser eigenes Hervortreten ist identisch mit der ewigen Lebenskette von Ursache und Wirkung.
Was ist nun „Gesinnung“? Die „Gesinnung“ ist genau die Erscheinung beim Lebewesen, die bedingt, dass es eben ein „Lebewesen“ ist. Die „Gesinnung“ ist das „Leben“ selbst. Das Leben wiederum besteht aus den beiden Phänomenen „Schöpfung“ und „Erleben“, die wieder mit dem identisch sind, was in meinem Hauptwerk „Livets Bog“ als das „Grundfazit Nr. 2 des Lebens“ beschrieben und als „Ursache und Wirkung“ bezeichnet wird.
„Schöpfung“ kann nicht entstehen oder manifestiert werden, ohne „Ursache“ und „Wirkung“ zu sein. Da aber „Wirkungen“ genauso unmöglich entstehen können, ohne zur „Ursache“ für neue „Schöpfung“ zu werden, die wieder zur „Ursache“ neuer „Wirkungen“ wird und so fort, ist das „Leben“ oder die „Gesinnung“ eine unendliche Kette von Manifestationen oder Schöpfungen, ist eine unendliche Kette von Erleben und wird dadurch zur Bestätigung seiner selbst als „ewig“ oder „unsterblich“.
Es ist dieses „Ewige“ oder „Unsterbliche“ im Lebewesen, das es entweder als ein Mord, Leiden und Unglück hervorbringendes Wesen oder als ein segensreiches, Freude und Glück hervorbringendes Wesen hervortreten lässt. Es ist dieses „Ewige“ im Wesen, das es „böse“ oder „gut“ sein lässt, das es gleich der übrigen Natur sein lässt, eins mit den Gesetzen, nach denen sich diese Natur entfaltet, oder das es gegen die Natur sein lässt, gegen deren Gesetze und damit in Disharmonie mit jenem großen Leben sein lässt, in dem man „lebt, sich bewegt und ist“.
Es ist also die „Gesinnung“, die unsere Sorgen, unser Unglück bedingt, genauso wie sie unser höchstes Glück und unsere höchste Seligkeit bedingt. Alles in unserem Schicksal ist eine Ausmündung aus diesem oder jenem in unserer „Gesinnung“. Aber wenn unsere „Gesinnung“ ein so allumfassender Faktor in unserem Schicksal ist, ja unser Schicksal selbst ist, dann wird jegliche Auffassung, wir selbst seien „Märtyrer“ oder unser Leben sei ein „Martyrium“, für das dieses oder jenes unserer Mitwesen die Verantwortung trage, geradezu identisch mit der Kulmination von „Aberglaube“.
Es ist nicht dieses oder jenes Wesen, das unser wirklicher und tiefster „Feind“ ist, es ist nicht dieses oder jenes Wesen, das die wahre „Ursache“ unseres „Unglücks“ ist, genauso gut ist es natürlich auch nicht dieses oder jenes Wesen, das die wahre „Ursache“ dafür ist, dass unser Schicksal als „Glück“ oder „Seligkeit“ hervortritt. Wie sollte das wohl auch zugehen? Ob eine Sache als „Unglück“ oder „Glück“ wahrgenommen werden kann, ist keine Frage des Auftretens unseres Nächsten uns gegenüber, es ist keine Frage dessen, was er tut oder nicht tut.
Die wahre „Ursache“ für unsere Wahrnehmung der Dinge als „böse“ oder „gut“ ist ausschließlich nur eine Frage unserer eigenen „Gesinnung“, also unseres eigenen Hervortretens als identisch mit der ewigen Lebenskette von „Ursache und Wirkung“. Durch unsere Identität mit dieser Lebenskette können wir ja unmöglich „Wirkungen“ erleben, deren vorausgehende „Ursache“ nicht wir selbst sind. „Wirkungen“ können unmöglich ohne eine vorhergehende „Ursache“ entstehen.
Wenn ein Mensch uns plötzlich auf einem dunklen Weg überfällt und ausplündert, ja uns vielleicht verletzt und verstümmelt, dann sind wir Objekt einer Serie von „Wirkungen“ geworden. Nun wird man vielleicht hervorheben, in einer solchen Situation seien wir doch total unschuldig und daher Opfer eines „Verbrechens“ geworden und hätten das Recht, uns dafür zu „rächen“, indem wir den Urheber des Verbrechens „bestrafen“ lassen. Und dies ist innerhalb des juristischen Gesetzessystems oder Rechtswesens, das jede kultivierte Gesellschaft vorläufig gezwungen ist zu fördern, auch vollkommen richtig.
Innerhalb des Wahrnehmungsbereiches oder des Überblicks über das Mysterium des Lebens, den man dort zur Verfügung hat, können die Dinge nicht anders beurteilt werden. Aber gleichzeitig ist es auch eine Tatsache, dass der Bereich, von dem aus die genannte Beurteilung festgestellt wird, doch nur einen außerordentlich kleinen lokalen Bereich in dem ungeheuren Spiel der Kräfte darstellt, der die Ganzheit ausmacht, was in diesem Fall die „ewige Kette von Ursache und Wirkung“ des Räubers ist. Diese Kette ist ja durch ihre „ewige“ Existenz identisch mit der „Unendlichkeit“. Wenn wir aber diese Ganzheit nicht sehen können, sondern vielmehr nur einen mikroskopisch kleinen Teil dessen, wie können wir dann sicher sein, dass unser Urteil über das Verhalten des Räubers absolut „gerecht“ ist?
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 3 - 4, 1978 mit dem Titel: "Den hemmelige magt bag våbnene" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk