Sehnsucht - Die treibende Kraft.
von Martinus -
Die treibende Kraft hinter den technischen und wissenschaftlichen Triumphen unser Zeit
Warum haben wohl die Menschen von heute die Kräfte der Natur dazu gebracht, für sie zu arbeiten? Warum wohnen wir in schönen Häusern, die uns vor Wind und Wetter Schutz bieten, die im Winter beheizt werden können und in denen wir Licht anmachen können, wenn es dunkel wird? Warum können wir mit Flugzeugen fliegen und mit Schiffen sowohl auf als auch unter der Wasseroberfläche fahren und uns auf viele andere Arten schnell durch den Raum bewegen?
Weil wir uns das gewünscht haben, wir haben uns danach gesehnt, eine solche Herrschaft über die Naturkräfte zu erreichen. Aber wann konnten wir diese Sehnsüchte und Wünsche haben? Natürlich zu dem Zeitpunkt, als wir die technischen und wissenschaftlichen Erfahrungen nicht hatten, die wir heute haben. Damals, als wir primitive Steinzeitmenschen waren, die in dunklen Höhlen leben mussten und die einen verzweifelten Kampf zur Aufrechterhaltung ihres Lebens führen mussten, entstanden die ersten Sehnsüchte nach einem unabhängigeren Dasein, in dem man nicht so leicht der Übermacht der Natur unterliegt.
Natürlich hatten die Steinzeitmenschen nicht die Fähigkeit, sich elektrisches Licht, Zentralheizungen, Autos, Flugzeuge usw. zu wünschen. Alle diese Details im Zivilisationsbild sind erst in späteren Zeiten in der Wunsch- und Traumwelt des Menschen entstanden – allmählich, als er begann, technische und wissenschaftliche Erfahrungen zu machen.
Aber die Sehnsucht nach einem Dasein, in dem all die dämonischen Kräfte, mit denen die Menschen in der Natur zu kämpfen hatten, überwunden waren, war die treibende Kraft, war die Ursache der technischen und wissenschaftlichen Triumphe unserer heutigen Zeit. Das bedeutet nicht, dass sich diese Wünsche und Sehnsüchte bloß von Generation zu Generation vererbt hätten, das wäre ja vollkommen ungerecht und kosmisch gesehen gibt es keine Ungerechtigkeit im Universum. Man stelle sich vor, die Steinzeitmenschen und andere Menschen der Vergangenheit, die sich nach einer winzig kleinen Annehmlichkeit im Dasein gesehnt hatten, müssten sterben, ohne jemals bloß einen Bruchteil dieser Annehmlichkeiten erlebt zu haben – und die heutigen Menschen, die, falls sie niemals zuvor gelebt hätten, gar nicht imstande gewesen wären, irgendeinen Wunsch oder ein Begehren in Richtung Komfort oder Behaglichkeit zu hegen, würden in unsere heutige Zeit mit all ihren technischen Hilfsmittel und ihrem technische Können hineingeboren!
Das heißt, einige, die sich in dem Maße nach einem angenehmeren Dasein gesehnt hatten, müssten sterben, ohne es jemals erlebt zu haben, und einige, die solche Wünsche und Sehnsüchte niemals hatten, würden es vollkommen unverdient erreichen. Das wäre doch himmelschreiend ungerecht. Aber so ist es doch auch nicht. Die Steinzeitmenschen, die sich danach gesehnt hatten, die Naturkräfte zu überwinden und dadurch ein besseres Dasein zu erreichen, sind dieselben wie die modernen Menschen, die allmählich, was das rein Physische und Praktische betrifft, ein solches Dasein erreicht haben.
Die Menschen leben heute in einer intellektualisierten Steinzeit
Hinter der ganzen modernen Zivilisation und Kultur stehen die Leiden und Erfahrungen vieler Inkarnationen. Es sind jedoch noch nicht genug Leiden und Erfahrungen, denn sonst wäre die Kultur und Zivilisation unserer Zeit völlig anders als sie ist, sie wäre human und basierte auf Nächstenliebe und auf der Verteilung von Gütern.
Die tierisch geprägte Mentalität des Steinzeitmenschen macht sich immer noch, auch in unserer heutigen Kultur, geltend. Was sind all die großen Kriege mit ihrer gigantischen Entfaltung raffinierter technischer Waffen anderes als eine Verlängerung von primitiver Steinaxt, Wurfspieß und Pfeil und Bogen des Steinzeitmenschen? Es ist eine intellektualisierte Steinzeitwelt, in der die Menschen heute leben. Ihnen sind viele Sehnsüchte und Wünsche erfüllt worden, und all diese Kreisläufe von Hunger und Sättigung waren gleichbedeutend mit einer Entwicklung von einem eher tierischen zu einem eher menschlichen Zustand. Aber um wirklich zu dem zu werden, was sie als Bezeichnung für sich in Anspruch nehmen: zum Menschen, müssen die Erdenmenschen neue Sehnsuchtskreisläufe in Gang setzen, die sich – auf ihrer Bahn verlaufend – der Erfüllung in kommenden Zeiten entgegen bewegen können, und das haben viele Menschen auf der ganzen Welt bereits getan. Das, wonach sie sich sehnen, ist Frieden auf Erden.
Herzlichst Martinus
Erstmals im deutschen Kosmos 5/1975 erschienen. Aus einem Vortrag vom 20.11.1941. Die Bearbeitung wurde von Mogens Møller vorgenommen und von Martinus gutgeheißen.
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 15, 1974 mit dem Titel: "Længsel" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk