Von der Inkarnation und der Nächstenliebe.
von Martinus
Der Welterlöser muss die Inkarnation der „Wissenschaft der Nächstenliebe“ sein.
Wir sehen also hier, wie die „Gesinnung“ hinter der Religion oder den religiösen Kräften im Menschen bestimmt, ob diese Kräfte im Dienste des „Guten“ oder des „Bösen“ benutzt werden. Ja, wie wir hier gesehen haben, kann die „Religion“ sogar dort im Dienst des „Bösen“ benutzt werden, wo diese Benutzung den Hauptvorschriften der Religion selbst direkt widerspricht.
Aber die „Gesinnung“ ist auch in Bereichen bestimmend, die vollständig außerhalb des rein Religiösen liegen. Wie viele Menschen können sich heute davon freisprechen, die eine oder andere kleine, nicht gerade schmeichelhafte und noch weniger der Wahrheit entsprechende Neuigkeit über diesen oder jenen ihrer Nächsten verbreitet zu haben, der ihnen nicht besonders sympathisch ist? Ja, sieht man nicht, dass Individuen, die sogar sich selbst als besonders moralische Kapazität ausgeben – als diese oder jene prophezeite geistige Autorität oder Größe, die kommen sollte, als Inkarnation eines Messias, als Inkarnation von Christus oder ähnliches –, Werkzeuge für dieselbe Art von „Neuigkeitsverbreitung“ über ihren Nächsten sind, wenn dieser Nächste zu Wesen gehört, deren Hochintellektualität ein beschwerliches Hindernis für die Ausbreitung des Glaubens an ihre eigene vermutete hohe geistige Identität und Größe bildet?
Aber jeder Baum muss seine ihm eigene Art von Früchten tragen. Und eine moralische Kapazität, ein Christus, der herabsetzende Äußerungen über seinen Nächsten fördert, die nicht als Wahrheit bestätigt werden können, kann unmöglich mit dem „Christus“ identisch sein, der mit der Wahrheit eins war. Aber selbst wenn diese herabsetzenden Äußerungen der Wahrheit entsprechen, wird ein Christus, der sie verbreitet, ebenso wenig identisch mit dem wahren Christus sein können, der „eins mit dem Weg war“.
Der „Weg“ ist doch der, „seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben“. Und es gibt wohl niemanden, der zu Recht behaupten kann, daß der Welterlöser „Jesus Christus“ nicht die inkarnierte „Nächstenliebe“ war? Ja, es müssen wohl die „falschen Christuswesen“ selbst sein, deren Mangel an Nächstenliebe allzu offensichtlich kompromittierend ist für ihre Behauptung, der Welterlöser zu sein. Außerdem besteht die Persönlichkeit des Welterlösers nicht aus einem Wesen, das bloße äußere Freundlichkeit, Vergebung oder Nächstenliebe zeigt.
Er ist weit mehr als ein guter und netter Mensch. Er ist auch die Inkarnation der „Wissenschaft der Nächstenliebe“, denn ohne sie wäre seine Mission als Welterlöser unmöglich. Und solchen Qualifikationen gegenübergestellt ist es klar, dass sich Wesen, die noch nicht einmal so weit in ihrer Entwicklung gekommen sind, dass sie ein guter und netter Mensch sein können und daher auch nur in weit, weit geringerem Maße im Besitz der Wissenschaft dieses Gesinnungszustandes sein können, ganz offensichtlich vor dem normal intellektuell begabten Menschen kompromittieren, wenn sie behaupten, „Christus“ oder einer der allergrößten Führer der Menschheit zu sein.
Insbesondere dann, wenn sie, wie schon gesagt, sich geradewegs dazu herablassen, herabsetzende Neuigkeiten über Mitwesen zu verbreiten, deren wirkliche Hochintellektualität ihnen im Wege ist, ja dann ist doch deutlich zu sehen, dass ihre Gesinnung sie mit jener Art von wahrheitsverfolgenden Wesen identisch macht, über die Christus sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“.
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 3 - 4, 1978 mit dem Titel: "Den hemmelige magt bag våbnene" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
©Martinus Institut 1981 www martinus.dk