So fühlst Du Dich wohler, wenn Du mal wütend bist?
von Martina Eyth -
Die Erfahrungen, die ich als Kind machte, führten dazu, dass ich das Gefühl hatte, nicht richtig zu sein, wenn ich wütend war. Also tat ich nicht nur als Kind sondern auch als Erwachsene alles dafür, meine Wut nicht nach außen dringen zu lassen. Ich unterdrückte sie. Es war mir peinlich, wütend zu sein. Ich fürchtete mich davor, abgelehnt zu werden, wenn jemand spürte, dass ich wütend war. Dazu gehören wollte ich, also musste ich mich einfügen, sonst würde ich ausgeschlossen werden, zumindest war es das, was ich befürchtete. Wie ist das bei Dir? Magst Du Dich auch dann, wenn Du wütend bist?
Wann und wodurch werden wir eigentlich wütend?
Ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, aber ich werde wütend, wenn mich jemand belästigt, bedrängt, mir keinen Raum gibt oder mich über längeren Zeitraum mit Projektionen belästigt. Solche Situationen machen hilflos, ratlos und orientierungslos. Ich weiß dann für einen Moment nicht weiter und mir wird alles zu viel. Wenn ich wütend bin, fühlt es sich an wie ein emotionaler Kurzschluss. So, als würde eine Sicherung rausfliegen, weil zu viel Spannung herrscht.
Ich liebe es, mich selbst und meine Empfindungen zu erforschen. Ich erforsche, warum ich bin wie ich bin, wodurch Empfindungen wie z. B. Wut entstehen und was ich brauche, damit ich mich wieder wohl und zentriert fühle. Durch meine Forschungsarbeiten lerne ich mich selbst kennen und kann mir in herausfordernden Situationen liebevoll begegnen.
Liebe, Verständnis und Mitgefühl ist das, was ich brauche, wenn ich wütend bin
Wenn Du Dir vorstellst, dass Du überfordert bist und nicht weiter weißt, Du gibst Dein Bestes und trotzdem funktioniert das, was Du vor hast einfach nicht. Du willst so gerne, dass es funktioniert, aber es klappt nicht. Vielleicht möchtest Du für einen besonderen Anlass eine Torte außergewöhnlich dekorieren und die filigranen Muster, die Du designen willst, werden einfach nicht so schön wie Du es gerne hättest. Oder Du willst etwas ganz besonderes basteln und möchtest, dass es richtig schön aussieht, weil Du Dein Bastelwerk einem Menschen schenken möchtest, den Du sehr schätzt. Doch Deine Bastelei wird nicht so perfekt, wie Du es Dir vorgestellt hast. Kennst Du solche Situationen? Kannst Du Dir vorstellen, dass Du in so einer Situation wütend werden könntest?
Wie würdest Du Dich fühlen, wenn jemand neben Dir stehen und Dir deutlich machen würde, dass er sieht und spürt, wie viel Einsatz Du gibst. Du spürst, dass sein Mitgefühl ehrlich ist, und dass er Dich wirklich versteht. Dass er es nachvollziehen kann, dass Du wütend bist, weil Du so gerne etwas wirklich Schönes gestalten möchtest, und es schwer zu akzeptieren ist, dass es nicht so klappt, wie Du es gerne hättest.
Würden Dir das Verständnis und das Mitgefühl gut tun? Kann es sein, dass Du Dich dadurch etwas entspannen würdest? Bei mir wäre es so. Bei Dir auch?
Sei Du der Mensch für Dich, der immer für Dich da ist
Ganz gleich ob wir wütend, traurig, enttäuscht, ratlos, hilflos oder orientierungslos sind, wir haben immer die Möglichkeit uns selbst das zu geben, wonach wir uns sehnen. Ob andere Menschen spüren, wie es uns geht und was wir brauchen, das wissen wir nicht. Doch wir können selbst für uns da sein. Wir können uns selbst die beste Freundin oder der beste Freund sein.
Wir können uns selbst in die Arme nehmen und uns trösten, uns Mut machen, uns gut zu sprechen, uns Mitgefühl und Verständnis schenken. Wenn wir uns selbst annehmen mit all unseren Empfindungen, die wir haben, dann begegnen wir uns liebevoll.
Stell Dir vor, jeder würde es mitfühlend annehmen, wenn ein anderer wütend ist
Seitdem ich es nicht mehr schlimm finde, wenn ich wütend bin, kann ich auch gut mit der Wut anderer umgehen. Ich weiß und spüre, dass derjenige, der wütend ist, in einer emotionalen Not ist, dass er nicht weiter weiß, etwas nicht so klappt, wie er es gerne hätte, er ratlos oder hilflos ist.
So, wie wir bei einem Unfall helfen, wenn sich jemand verletzt hat, so können wir auch für unsere Mitmenschen da sein, wenn sie auf inneren Ebenen in Not sind. Es war für mich oft schwer, offen zu bleiben, wenn jemand in meiner Nähe wütend war. Es gab Situationen, in denen ich mich gerne aus dem Staub gemacht hätte. Doch ich bin geblieben. Manchmal habe ich nichts gesagt, ich war einfach nur da, offen, verständnisvoll und mitfühlend. Es braucht nicht immer Worte. Und manchmal tun Worte dem wütenden Menschen gut. Wie so oft im Leben, gibt es für den Umgang mit einem wütenden Menschen keinen Fünf-Schritte-Plan. Doch ich bin sicher, dass Du Deinem Gefühl vertrauen kannst. Du weißt in den entsprechenden Situationen bestimmt, was es zu tun oder zu lassen gilt. Das Wichtigste ist, dass Du dem Menschen, der gerade wütend ist, das Gefühl schenkst, dass es ok ist, wenn er wütend ist, dass es nichts Schlimmes ist, wütend zu sein, dass es verständlich ist. Wenn Dir das gelingt, dann bist Du ein Segen für jeden, der wütend ist.
Wie fühlst Du Dich, wenn Du Dir vorstellst, Dir selbst so zu begegnen, wenn Du mal wieder wütend sein solltest? Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du Dir in herausfordernden Momenten die beste Freundin oder der beste Freund bist.
Von Herzen
Deine Martina