Liebeserklärung an einen Transvestiten.
von Ines Nandi -
Liebeserklärung.
In unserer kleinen Stadt lebt ein Mann, der gerne eine Frau wäre – besser gesagt, er IST eine Frau, denn er fühlt sich so. Auch wenn ihm ganz offenbar das Geld gefehlt hat und fehlt, um sich eine hormonelle und operative „Geschlechtsumwandlung“ zu leisten.
Friedrich – so will ich ihn einmal nennen – lebt wohl seit eh und je von Sozialunterstützung. Da ich ihn nicht persönlich, sondern nur vom gelegentlichen Sehen kenne, kann ich nur spekulieren, dass er keinen Arbeitsplatz gefunden hat, seit er begann, sich weiblich zu kleiden.
Aus Erzählungen weiß ich, dass er sich seine Garderobe aus Altkleidersäcken zusammensucht, die an der Straße liegen. Er hat langes, kräftiges dunkles Haar, das er als Pferdeschwanz oder im Knoten frisiert, und er trägt immer einen BH.
Meistens ist er mit dem Fahrrad unterwegs; neulich fuhr er in Leggings an mir vorbei. In Hosen habe ich ihn noch nie gesehen, denn er bevorzugt offenbar kurze Röcke. Die muskulösen Männerbeine und die tiefe Stimme ergeben einen auffälligen Kontrast zu dem betont weiblichen „Outfit“...
Friedrich ist ein freundlicher, friedfertiger Mensch, der sich vollkommen natürlich und „normal“ verhält.
Keine Spur von „Transen-Getue“, wie man es von den Glamour-Transvestiten aus dem Showgeschäft kennt. Keine Affektiertheit – er ist nicht als Frau verkleidet, sondern er gibt sich so, weil es ihm eben natürlich ist.
Ich habe keine Ahnung, ob er als Kind schon mit seinen Eltern um seine innere Identität als weibliches Wesen gefochten hat.
Jedenfalls ziehe ich immer wieder den imaginären Hut vor dem Mut und der Konsequenz, mit der er das lebt, was er als seine Bestimmung fühlt. Trotz Männerstimme und Männermuskeln – Friedrich ist eine Frau, und daher möchte ich jetzt von Friederike sprechen und „sie“ sagen.
Ich möchte nämlich meinen Respekt und meine Hochachtung für diese ganz besondere Frau ausdrücken, die sich den „falschen“ Körper gewählt hat. Ich glaube fast, sie sieht ihren männlichen Körper überhaupt nicht als „falsch“ an! Ihre Ausstrahlung signalisiert nämlich, dass sie ihn angenommen hat und so sein lässt, wie er eben von Geburt her ist.
Friederike ist nicht „spirituell“ in dem Sinne, wie wir das häufig verstehen. Ich glaube nicht, dass sie sich für den „Aufstieg“ interessiert. Wahrscheinlich hat sie noch nicht einmal davon gehört. Und sie hat vermutlich auch noch nichts von der „Selbstliebe“ gehört, kurz, ich nehme an, dass sie von all unseren Konzepten keine Ahnung hat und dass sie sie auch nicht besonders interessieren würden, wenn man ihr davon erzählte.
Das ganz Besondere an dieser Frau ist, dass sie Selbstliebe LEBT, indem sie ihre innere Selbstwahrnehmung für alle anderen sichtbar ausdrückt.
Friederike steht zu Sich Selbst und nimmt dafür auch materielle Nachteile hin. Dabei vermittelt sie immer einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck. Ich habe sie noch niemals klagen hören, wenn ich einmal ein paar Gesprächsfetzen mitbekam.
Ich empfinde, dass wir alle, die wir unterwegs zu uns Selbst sind, uns von diesem Menschen eine „große Scheibe abschneiden“ können. Unser Innerstes nach außen kehren und unser Äußeres annehmen – das ist es, was wir von Friederike lernen dürfen!
Meine Hochachtung vor diesem wirklich besonderen Transvestiten!
Herzlichst
Ines Nandi