Die Engelmenschin und der dicke Brummer - Erzengel Gabriel.
von Ines Nandi -
Die Engelmenschin und der dicke Brummer.
Einmal stand eine Engelmenschin abends in ihrem Bad und putzte sich die Zähne. Gerade wollte sie zur Zahnseide greifen, da summte und brummte eine dicke schwarze Fliege um ihren Kopf herum.
„Fliege, geh bitte weg, du störst mich“, sagte die Engelmenschin, denn sie besaß die Fähigkeit, mit Tieren zu kommunizieren, auch mit den kleineren Hausbesuchern.
„Du hast wohl noch nicht gemerkt, mit wem du es zu tun hast, Engelchannelerin“, hörte sie den Brummer antworten.
„Nein, in der Tat. Wer bist du denn?“
„Ich bin Erzengel Gabriel und habe mich vorübergehend in diese Fliege hinein versetzt“, vernahm sie zu ihrem Erstaunen.
„Erzengel Gabriel? Das ist aber eine komische Verkleidung, die du da gewählt hast.“
„Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen“, lachte der Engel fröhlich. „Ich weiß, dass du mich in meiner Engelsgestalt nicht sehen kannst, weil du in einem früheren Leben beschlossen hast, dein Drittes Auge ganz fest zu verschließen.
Also erwog ich, dir einmal als dicker Brummer zu begegnen, und ich muss sagen, das ist für mich eine ganz neue und sehr interessante Erfahrung! Ich wusste noch nicht, wie es sich anfühlt, einen Fliegenkörper zu tragen. Es ist lustig, wirklich!“
„Das glaube ich dir sofort. Aber was willst du denn von mir?“
„Ich? Gar nichts! Ich möchte mich nur ein wenig mit dir unterhalten, über Gott und die Welt und über Engel im Allgemeinen und im Besonderen.“
„Aha. Engel interessieren mich eigentlich gar nicht.“
„Ich weiß. Du bist ärgerlich auf uns, weil ICH dir einmal ein paar unbequeme Wahrheiten ins Gesicht gesagt habe. Dafür möchte ich mich heute bei dir entschuldigen. Ich hätte etwas taktvoller vorgehen sollen und nicht so direkt.“
„Danke, ich nehme deine Entschuldigung an“, brummte die Engelmenschin. „Einer dicken schwarzen Fliege kann ich nichts abschlagen.“
„Ha, ha, ha. Einem Engel Gottes sehr wohl, wie?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Aber heimlich gedacht, ich habe es ganz genau gehört.“
„Ach, du lieber Gott. Ja, ich bin immer noch wütend auf dich.“
„Gut, dass du es sehen kannst. Vielleicht stimmt dich unser Gespräch um. Ich schlage vor, wir gehen in deinen HeilRaum und du schreibst alles auf.“
Eigentlich hatte die Engelmenschin ja schlafen gehen wollen, aber jetzt war sie mit einem Mal hellwach. Sie begab sich in das Zimmer, in welchem sie gelegentlich hilfesuchende Menschen empfing und setzte sich an ihren Schreibtisch.
Die Fliege war so plötzlich verschwunden, wie sie erschienen war, aber die Stimme des Engels war immer noch da. Erzengel Gabriel begann die schriftliche Unterhaltung mit einem Scherz:
„Na, Fliegenfreundin, kannst du dich damit abfinden, einen Engel zu channeln anstelle eines fetten Brummers?“
„So einigermaßen“, frotzelte die Engelmenschin zurück. „Und nun komm mal zur Sache! Was gibt es über Engel im Allgemeinen und im Besonderen mitzuteilen, das ich noch nicht weiß?“
„Ha, ha, im Prinzip überhaupt nichts. Es gibt allerdings so einiges, das du geflissentlich vergessen hast, als du dich aus den himmlischen Reichen auf die Erde begabst, und genau dieses möchte ich dir in Erinnerung rufen – wenn ich darf.“
„Du darfst, du darfst“, schrieb die Engelmenschin und grinste in sich hinein. „Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen!“
Erzengel Gabriel begann zu erzählen. Er sprach von einer Großen Feuerwand, die aus dem Nichts entstanden war, als Gott die Evolution allen Seins ins Leben rief. Die Seelen, die sich urplötzlich in dieser Feuerwand wiederfanden, fühlten sich so, als ob ihre Universelle Einheit zerschlagen würde und in zahllose Einzelteile zersplitterte.
„Einige Seelen – oder einige Engel, wenn du so willst – blieben außerhalb dieser Feuerwand und direkt mit Gott verbunden. Gott wollte dies so, damit sie später den anderen helfen könnten, wieder in das Licht der Liebe und in die Einheit zurückzukehren.
Jedoch durchliefen und durchlaufen diese Engel zusammen mit allen anderen seither ungezählte Entwicklungsprozesse. Auch dies nach dem Willen Gottes. Ich, Gabriel, gehöre dieser Gruppe an.“
Die Engelmenschin war ganz ernst geworden, während sie diese Worte aufschrieb. Sie spürte einen sengenden Schmerz, zunächst in ihrer Brust; dann erschien es ihr, als wolle er ihren gesamten Körper in tausend Stücke zerreißen.
„Ich selbst war Teil der Seelen in der Feuerwand“, stellte sie fest. „Und ich bin danach auf eine endlos lange Reise gegangen, die bis heute andauert. Was aber sollte das Ganze? Ich weiß jetzt wieder, dass Gott durch uns, Seine Kinder, neue Erfahrungen machen wollte. Wozu nur?
Es war doch so wunderschön in der Ursprünglichen Einheit! Ich habe mich mein Leben lang danach zurückgesehnt, das wird mir gerade jetzt bewusst.“
„Den wahren Grund weiß Gott allein“, sagte der Engel, „und es ist Sein und Ihr Geheimnis. Auch ich kann dir nicht sagen, ob Sie es jemals offenlegen wird.“
„Jetzt verstehe ich aber wieder, warum ich zornig auf dich war“, schrieb die Engelmenschin. „Ich hatte in einem meiner Erdenleben den Zugang zur Liebe vollständig verloren und zahlreiche Menschen verletzt und missbraucht.
Als ich nach Hause in die Lichtwelten zurückkehrte, hast du mich darauf hingewiesen. Ich machte mir aber selbst schon große Vorwürfe und fand deine 'Predigt' total überflüssig.“
Erzengel Gabriel lachte ein warmes, liebevolles Lachen. „Selbstvorwürfe sind nur eine Fortsetzung der Selbstverletzung! Ich sagte dir damals, dass du dich selbst am meisten verwundet hattest, indem du andere missbrauchtest.
Ich wollte fortfahren und dich darum bitten, in die SELBSTliebe zurückzukehren. Du aber entferntest dich voller Zorn und hörtest meine Worte nicht mehr an. Das machte mich sehr, sehr traurig.“
Die Engelmenschin fühlte auf diese Worte hin eine Flut von sanfter Liebe ihr ganzes Sein durchströmen. Ihr Herz öffnete sich und wurde so weit wie schon lange nicht mehr – seit vielen, vielen Leben nicht mehr...
„Danke, Gabriel“, flüsterte und schrieb sie, „jetzt kann ich dich auch wieder liebhaben.“
Und dann merkte sie, wie sie umarmt wurde... Im selben Augenblick hörte sie ein Summen und Brummen.
Die dicke schwarze Fliege war in ihrem HeilRaum und mühte sich am Fenster ab, um einen Ausgang, oder eher einen Aus-Flug zu finden.
Die Engelmenschin räumte einige Gegenstände weg, die auf der Fensterbank standen, zog den Rollladen hoch und öffnete das Fenster ganz weit.
Die laue Sommernachtluft drang ins Zimmer. Sie duftete nach Lindenblüten, obwohl gar keine Linden in der Nähe wuchsen. Sssssst! Der Brummer schwirrte weg, und mit ihm war auch die Energie von Erzengel Gabriel gegangen.
„Du darfst jederzeit wiederkommen, guter Freund!“, rief die Engelmenschin ihm nach. Und da sie immer noch hellwach war, legte sie sich eine Meditationsmusik in den CD-Player und genoss es für eine Weile, ihr geöffnetes Herz zu spüren...
Herzlichst
Ines Nandi