Enttäuschende Partnerschaften und Vertrauen lernen
von Gerd Bodhi Ziegler
Vertrauen lernen
„Bin wieder zurück vom Besuch meiner Mutter, dem Grab meines Vaters, der kleinen Stadt meiner Schulzeit und der Gegend meiner Kinder- und Jugendzeit. Es war wichtig, alles nochmals zu segnen und mit liebenden und dankbaren Augen zu betrachten (vor allem die Schule!). So konnte ich den verschiedenen Aspekten meiner Vergangenheit nochmals bewusst begegnen und mit allem Frieden schließen.
In der Begegnung mit meiner Mutter wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich ihr schon recht früh in meiner Kindheit mein Vertrauen entzogen habe, weil ich mich nicht von ihr gesehen, angenommen und verstanden fühlte. Dieses Vertrauen habe ich dann auch Vater, Großvater, Lehrern, Predigern, Autoritäten, dem Gott meiner Kindheit und später auch allen für mich wichtigen spirituellen Lehrern entzogen.
Enttäuschende Partnerschaften
Ebenso wenig habe ich bisher wirklich meinen Partnerinnen und Geliebten vertraut, weil ich bei keiner den Eindruck hatte, wirklich gesehen und angenommen zu sein, so wie ich bin. Wie konnten sie auch!
So habe ich mich mehr und mehr auf mich selbst zurückgezogen. Doch auch dies trennte mich von mir selbst und dem Leben, der Existenz. Ich konnte weder dem Leben noch mir selbst wirklich vertrauen! So wurde ich menschenscheu, unfrei, leblos, isoliert… Ich blieb mit meiner Bedürftigkeit und meinen Sehnsüchten allein, dürstend und suchend nach Liebe, Verbundenheit, Hingabe, Vertrauen…
Ich möchte wieder ganz und gar vertrauen können! Doch ist es möglich, irgendjemanden oder irgendetwas Begrenztem zu vertrauen? Was ist Vertrauen überhaupt und was bedeutet Vertrauen im Menschsein?
Vertrauen geht einher mit der Erkenntnis der wahren Natur meiner selbst und allem! Persönlichkeit, Egostrukturen und alles Begrenzte dieser Welt der Erscheinungen sind sicher nicht vertrauenswürdig. Erst das Wissen um die göttliche Essenz, die in allem existiert, bildet die Grundlage wahren Vertrauens. Alles andere wäre nur naive Täuschung und kindisch-regressive Versuche, Einheit durch Symbiose herzustellen.
Insofern gehört die Ent-täuschung zum Bewusst- und Erwachsenwerden. Wichtig ist nur, dass die Verletzungen des Selbstvertrauens und der Selbstliebe gefühlt, umarmt und durch tiefe Einsicht geheilt werden. Denn es braucht starkes Selbstvertrauen und bedingungslose Selbstliebe, damit die auf Überlebenskampf programmierte Persönlichkeit entspannen und in der Grenzenlosigkeit des SEINS aufgehen kann.
In Beziehungen wird dann der/die Andere nicht mehr gebraucht. Es werden keine Bedingungen und Ansprüche mehr gestellt. Ebenso wenig besteht ein Drang oder eine Notwendigkeit, an der Beziehung zu arbeiten. Nichts muss verändert oder verbessert werden. Jeder kann ganz als er/sie selbst wertgeschätzt werden. Alles hat Raum und ist Teil der Liebe und Freiheit. So kann das Zusammensein als ein kostbares Geschenk dankbar und wertschätzend genossen werden.
Jeder übernimmt volle Verantwortung für sein Wohlbefinden und ist auch mit sich allein erfüllt und glücklich. Der Andere ist nicht für das eigene Erleben verantwortlich, weder für Glück und Erfüllung noch für Mangel, Schmerz und Trauer. Nähe, gegenseitige Unterstützung, Offenheit, Vertrauen und Hingabe erwachsen aus dem gemeinsamen essenziellen Wissen um die eigene Ganzheit, sowie aus einem wertschätzenden, liebenden Angezogensein und der Freiheit von Abhängigkeit. Aus der Freude am Teilen des inneren und äußeren Reichtums, aus der Inspiration liebender Berührung und der Tiefe liebenvollen Austauschs. Aus der Bereitschaft, sich selbst und dem Gefährten immer wieder neu zurückgeben und sich in Freiheit loszulassen. Dies führt zu tiefer Verbundenheit und echtem Vertrauen.“
(Eintrag vom 19.9.2006)
Herzlichst Gerd Bodhi Ziegler