Angst, Furcht und Bewusstseinserweiterung
von Gerd Bodhi Ziegler -
Angst gehört in die Kategorie jener Bewusstseinsschwingungen, die das Leben auf diesem Planeten maßgeblich prägen, sowohl individuell als auch global. Auf der Ebene der Dualität ist Angst der Gegenpol zu Liebe und Freude, die ihrem Wesen nach verbindend, umfassend, entgrenzend, expansiv und schöpferisch sind. Angst hingegen zieht zusammen, macht eng, unbeweglich und starr; sie vernichtet Lebendigkeit und Intelligenz in jeder Form.
Auf der physischen Ebene des Überlebens hat eine ihrer Formen, die Furcht beispielsweise vor dem Ertrinken, Verbrennen oder Abstürzen eine klare Berechtigung. Furcht ist dazu da, uns vor reellen Gefahren, die im Umgang mit der materiellen Welt für unseren Körper entstehen könnten, zu schützen. Furcht veranlasst beispielsweise ein Kind, die Herdplatte nicht anzufassen, solange sie heiß ist, oder nicht auf die Straße zu laufen, solange darauf Autos fahren.
Aber auch diese verständliche Variante von Angst muss nach einigen Erfahrungen nicht mehr unser Leben bestimmen. Diese Phase kann schon im Kleinkindalter abgeschlossen sein. Dann ist aus der Furcht vor Autos oder heißen Herdplatten eine natürliche Vorsicht geworden, die aber nichts mehr von einer psychischen Schwingung der Angst in sich trägt. Wir haben ja gelernt, nicht ins kalte Wassern, ins brennende Feuer zu springen oder unachtsam eine Straße zu überqueren.
Anstelle der ursprünglichen Furcht können also Erfahrung, Bewusstsein, Wachheit und Achtsamkeit treten. Dies betrifft in gleicher Weise alle anderen Ebenen Ausprägungen und möglichen Ursachen von Angst. Letztlich entstammen alle Ängste einem Bewusstsein, das einem Säugling oder Kleinkind entspricht. Je weiter und umfassender sich unser Bewusstsein entwickelt, desto überflüssiger werden unsere Ängste.
Tatsächlich deutet jede Variante, jeder Anflug von Angst auf ein mehr oder weniger enges Bewusstsein hin. Das Ausmaß an Angst, das unser Leben und Verhalten bestimmt und beherrscht, ist der Gradmesser unserer Unbewusstheit. Die Aspekte unseres Lebens, die am meisten von Angst bestimmt sind, bedürfen der größten Bewusstseinserweiterung, der intensivsten Entwicklungsarbeit.
Ebenso liegt jedem Leiden unseres Lebens eine Angst zugrunde! Wenn wir uns auf dem Weg unserer Entfaltung blockiert fühlen, sind wir ausnahmslos an eine neue, tiefere Schicht von Angst gestoßen. Nur wenn wir gelernt haben, Angst anzunehmen und zu transformieren, können wir solche Blockaden aus eigener Kraft auflösen.
Angst und Liebe schließen sich ihrem Wesen nach aus! Wo Angst regiert, kann keine Liebe fließen. Und umgekehrt: Wo Liebe und Freude vorhanden sind, kann sich Angst nicht mehr zeigen. Genauso wie Licht und Dunkelheit einander ausschließen, so ist es unmöglich, dass Angst und Kraft, Angst und Liebe, Angst und Freude, Angst und Bewusstsein gleichzeitig existieren.
Wir stehen also vor der Entscheidung, unser Leben überwiegend von Angst oder von Liebe beeinflussen zu lassen. Der weitaus größte Teil der Menschen, die uns heute umgeben, lebt in Angst. Ihr Verhalten im Umgang miteinander, in der Politik, Medizin, Wirtschaft und Gesellschaft ist überwiegend durch Angst bestimmt.
Angst und ihre Varianten wie Misstrauen, Spekulation, Gier, Sicherheitsdenken, List, Opportunismus, Unehrlichkeit, Konkurrenz oder Machtstreben sind so verbreitet, dass wir uns geradezu daran gewöhnt haben, mit ihnen zu leben. Ja, es scheint schwerzufallen, sich ein Leben ohne diese „Notwendigkeiten“ überhaupt vorzustellen.
Doch genau dies gilt es zu wagen! Versuchen wir doch einmal – vielleicht nur für einen kurzen Moment – uns vorzustellen, wie eine Welt frei von Angst aussehen könnte. Frei von Angst – das bedeutet, erfüllt von Liebe und Freude! Stell dir vor, du seist ein geübter Maler und hättest den Auftrag, das Bild einer angstfreien Welt, also ein Gemälde der Liebe und Freude zu malen.
Du lässt vor deinem inneren Auge das Bild einer Landschaft entstehen, die in allen ihren Aspekten Freude ausdrückt. Schmücke sie mit deinen Lieblingsfarben, mit Sonnenlicht und Wärme, mit Lebendigkeit und Harmonie, Natürlichkeit und Klarheit. Mache dir bewusst, mit welchen Attributen du dieses Bild deiner inneren Landschaft beschreiben würdest: Schönheit, Harmonie, Farbenfreude, Licht und Wärme, Kraft, Ausstrahlung, Natürlichkeit, Gesundheit, Lebendigkeit…
Wir wir uns bewusst machen, dass dieses innere Landschaftsbild eine Entsprechung unserer eigenen Vision der Freude darstellt, erahnen wir die Qualität eines Lebens frei von Angst. Wir können nun innerlich in diese Landschaft eintreten, uns einleben, uns vielleicht sogar niederlassen. Wir vollziehen damit einen wichtigen Schritt zu einem angstfreien und an Liebe orientierten Leben.
Die Motivation für unser Verhalten und Handeln entspringt dann nicht mehr nur den Notwendigkeiten und Zwängen des physischen Überlebens. Wir entfalten unser Potenzial und manifestieren durch die Kraft unseres Geistes alles Wünschenswerte, alles, was den Ausdruck von Liebe vermehrt, alles, was das Leben zum Fest der Dankbarkeit, Freude und Kreativität emporhebt.
Mir ist bewusst, dass uns ein solchen Denken in den Augen mancher Mitmenschen in die Ecke naiver, idealistischer Träumer stellen könnte, denen man helfen sollte, nicht ganz den Bezug zur „Realität“ zu verlieren. Doch wären solche „Realisten“ bereit, in tiefer Meditation ihr Bewusstsein zu erweitern, könnten sie zumindest in diesen Momenten der Unbegrenztheit, des inneren Friedens, der Freiheit erkennen oder doch erahnen, wer wir Menschen in Wirklichkeit sind. In solchen Zuständen erweiterten Bewusstseins haben wir Zugang zu unserer ESSENZ, zu unserem göttlichen Potenzial.
Wenn allgemein bekannt und akzeptiert wird, dass wir nur einen winzigen Ausschnitt der Realität wahrnehmen, dass wir nur einen kleinen Bruchteil unserer Gehirnkapazität nutzen, dann sollte doch die Folgerung naheliegen, dass wir mit einem sich erweiternden Bewusstsein eine innere und äußere Realität wahrzunehmen in der Lage sind, die unsere jetzigen Horizonte bei weitem übersteigt. Wenn wir in meditativen Momenten etwas von diesen wunderbaren Räumen in uns erspüren, dann wissen wir einfach, dass all unser evolutionäres Streben, all unser Sehnen dem einen Ziel gilt: das in uns angelegte Potenzial zu entwickeln und somit Schritte zu tun auf dem Weg zu unserem Erwachen.
Diese Entfaltung, dieses Wachsen und Erblühen ist auf jedem kleinsten Schritt eine Emanation der Liebe, die von göttlich-kreativer Freude begleitet wird. Die Frequenz der Freude verändert ihre Qualität auf jeder neuen Bewusstseinsebene. Da wir uns jedoch auf dem Schulungsplaneten Erde inkarniert haben, der bis zu einem bestimmten Entwicklungsgrad die Dualität als Grundlage des Lernens braucht, müssen wir uns vorläufig auch der Angst stellen. Solange sie vorhanden ist, brauchen wir sie zur Bewusstwerdung! Erst wenn wir die in ihr vorhandenen Lektionen verstanden und die mit ihr einhergehenden Erfahrungen integriert haben, wird Angst als Lehrmeister überflüssig.
Der Text ist ein bearbeiteter Auszug aus meinem Buch „Vision der Freude“ (erschienen 1992).
Herzlichst
Gerd Bodhi Ziegler
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