Ihr hattet euch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So tun alle Gläubigen; darum ist es so wenig mit allem Glauben.
Nietzsche, Ecce Homo (Vorwort)
Nietzsche könnte den ersten Satz von Paulus abgeschrieben haben. Der lobt es, den "Herrn" zu finden, bevor der Mensch auf die Suche geht.
Hier ist der Grund verborgen, warum alles fundamentalistische Christentum Esoterik ablehnt, warum diese unsägliche und selbstgerechte Verdammung der Selbsteinweihung insbesondere durch die Freikirchen.
Wirkliche Spiritualität schert sich weder um das Eine, noch das Andere, sondern fühlt die Verbindung mit dem Universum. Mir scheint, "der Glaube" hat vor diesem essentiellen Erlebnis Angst. Kontrollzwang und Dogmatismus entstehen schon bei dieser grundlegenden Frage und disqualifizieren jedes "bekennende" Christentum und jede "katholische" (zu deutsch "allgemein": das Monopolisierungs- und Machtstreben ist schon programmatisch im Namen festgeschrieben) Glaubensorganisation als inhuman.
Theokratie und Scharia sind dasselbe.
Nietzsche setzt hier ein Fanal für die individuelle Freiheit, das braucht keine weitere Erläuterung.
Interessant ist lediglich Nietzsches Formulierung "so thun alle Gläubigen". Hat er es aus Kalkül formuliert? "So tun - als ob" schwingt mit. Dem Pfarrersohn mag ich die feine Beobachtung glauben, wie der Christenmensch den Schein des Heiligen leuchten läßt.