Trauerstein - Spuren der Erinnerung
Auf der Suche nach einem geeigneten Grabstein für das Grab meines verstorbenen Mannes, entdeckte ich das Atelier von Franz Ludescher in Tübingen - Lustnau.
Es wirkte auf mich wie ein verwunschener Ort mit einer besonderen Ausstrahlung, auch durch die vielen schönen Skulpturen.
Ich erfuhr dann im Gespräch mit Franz Ludescher, dass es nicht nur möglich ist den von mir gewünschten roten Sandstein zu organisieren, sondern darüber hinaus noch die Möglichkeit besteht, selber an der Steingestaltung mitzuarbeiten und so in aktiver Trauerarbeit Verlustgefühle zu verarbeiten. Sätestens da war für mich klar, dass das Atelier in Lustnau der richtige Platz ist.
Nach dem Tod eines geliebten Menschen bleibt oft wenig Zeit für die Seele. Vieles muss organisiert werden und Verwaltungsaufgaben stapeln sich.
Durch die Arbeit am Stein bekommt man ein Gefühl von Ruhe und Zeitlosigkeit. Das Atelier von Franz Ludescher wurde so etwas wie eine für mich, wo ich mich aus dieser hektischen Welt zurückziehen und mich auf die "Handarbeit" konzentrieren konnte, die mir den Kopf frei machte, für das Wesentliche, Gedanken, Erkenntnisse und für Meditation.
Aber auch Trauerarbeit ist nicht immer einfach natürlich. Vieles kam hoch was noch im Verborgenen schlummerte. Nach den ersten Einführungen in das Material und den Umgang mit den Geräten, fing ich mit einem kleineren "Übungsstein" an.
Ich war zuerst unsicher, wurde dann zunehmend zuversichtlicher. Franz Ludescher ermutigte auf eine zurückhaltende Art, aber ich spürte, dass er ruhig und sicher an eine Entwicklung glaubte und zwar meine Eigene - mit dem Stein.
Als dann eines Tages bei der Arbeit ein Stück vom Stein absplitterte, war ich untröstlich. Ich räumte alles weg, ging nach Hause und plötzlich wurde mir noch mal in aller Härte klar, dass auch in meinem Leben ein Mensch weggebrochen war.
Ich musste der Wahrheit in Auge sehen, unwiderruflich war mein Mann von uns gegangen. So wie das Stück Stein nicht einfach wieder angeklebt werden konnte, so kam auch mein Mann nicht einfach wieder zurück. Das war schwer. Die darauffolgende Trauer war heftig, aber sehr heilsam für mich.
Ich erzählte Franz Ludescher von dem abgesplitterten Rand und er sagte ruhig: "Ja, so etwas kann passieren". Dann wies er darauf hin, dass die Möglichkeit besteht was Neues aus dem "Unglück" zu machen, zu gestalten. Ich machte mich ans Werk. Wie symbolisch! Auch ich musste in meinem Leben suchen, neu gestalten.
Die Arbeit am Stein zeigte mir die Grenzen auf, aber auch die Möglichkeiten! Denn es gibt immer eine Chance auf Gestaltung, wichtig ist nur dran zu bleiben.
Die Trauerarbeit am Stein hat mir viel gegeben und ich habe viel gelernt. Die Erkenntnisse sind tief verankert durch das aktive Tun und sie formen jetzt mit die Basis für mein weiteres Leben. Ich danke Franz Ludescher für die einfühlsame Begleitung im ganzen Trauerprozess und kann jedem Menschen nur empfehlen seinen eigenen "steinigen" Weg nicht nur zu gehen, sondern wirksam zu gestalten.
Mariann Dàilly