Was haben Worte mit Stress zu tun?
Stress, ein Begriff, den jeder kennt und der jetzt durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den unrühmlichen Status erhielt, neben Aids, das größte Gesundheitsproblem des 21. Jahrhunderts zu sein. In den Statistiken der Fehltage durch Krankheit, nimmt Stress mit 50 bis 60 Prozent eine traurige Spitzenposition in Europa ein. Jeder 10. leidet unter stressbedingten Schlafstörungen und die Lebensbelastung durch Lärm, wird von immerhin 13 Millionen Menschen in Deutschland als großer Stressfaktor angegeben. Im Berufsleben fühlt sich jeder 4. überfordert und über 50.000 Menschen müssen Jahr für Jahr wegen psychischer Überlastung in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden.
Kein Mensch, keine berufliche oder private Situation können und Stress bereiten. Das ist eine Aussage, bei der vielen von Ihnen vielleicht den Kopf schütteln. Trotzdem hat dieser Satz nicht nur seine Berechtigung, sondern er hat recht. Nur wenn ich, ganz individuell und intuitiv entscheide, dass ich kämpfen oder fliehen sollte, habe ich Stress. Er entsteht ganz allein nur durch mich und meine Bewertung.
Worte besitzen Macht, sie wirken auf andere, das ist Sinn und Zweck der Kommunikation. Aber Worte sind nicht nur Ausdruck der Gedanken und Gefühle, sie hinterlassen auch beim Sprechenden einen Eindruck und nicht selten liegt der Schwerpunkt dabei auf dem „Druck“. Worte sind Kommunikationsmittel zwischen Gedanken- und Gefühlswelt und dem Körper. Sie können befreiend wirken, wir können uns „von der Seele reden“, was uns beschäftigt.
Sie können uns auch bedrücken, einfach alles, was wir ausdrücken wollen, können wir mit Worten transportieren. Dieser Transport findet immer von uns zu unserer Umwelt einen Weg, aber er findet auch von unserem Geist, unserer Seele zum Körper hin statt. Belastende Worte, belasten den Körper.
Jeder Mensch, der auf eine Bühne tritt kennt es, das Gefühl innerer Anspannung, das wir gerne als „Lampenfieber“ bezeichnen. Es müssen aber nicht immer die Bretter sein, die für manchen Menschen die Welt bedeuten, es kann auch ein Vortrag sein, ein Gespräch mit dem Vorgesetzen oder auch eine freie Rede zu einem besonderen Anlass im Kreis der Familie.
In aller Regel kann uns nichts passieren, aber viele denken oder sagen sich, „das schaffe ich nicht“, „das geht sicher schief“. Das sind die belastenden Worte, die uns Stress bereiten. Hinter Ihnen verbirgt sich die Angst zu versagen, das Gefühl im öffentlichen Raum angreifbar zu sein, die Furcht sich zu versprechen, zu stottern oder auch den Faden zu verlieren. Machen Sie sich bewusst, dass das die ganz normalen Ängste sind, die in solchen Situationen auftreten.
Wenn ich einen Vortrag halte oder ein Seminar leite, habe ich „Lampenfieber“ und das ist gut so und wichtig. Ich habe Erfahrung, ich weiß was ich tue und wie ich es tue und trotzdem, brauche ich diesen „Kick“, den Adrenalinschub. Ob Redner oder Sportler, nur damit schaffen es beide, zur Höchstform aufzulaufen. Die Kunst ist es, damit umzugehen. Lähmt mich meine Angst oder schwingt sie mit und beflügelt mich.
Der Unterschied zwischen Menschen, die selten in solchen Situationen sind und zwischen Vortragsprofis liegt für mich darin, nicht nur die Herausforderung mit allen Risiken und Gefahren zu sehen, sondern in der Vorfreude auf das bevorstehende Ereignis. Freude ist für mich eine ganz wichtige Einstellung, die ich mir immer wieder bewusst mache, wenn ich vor die Öffentlichkeit trete. Versuchen Sie es doch auch einmal, vielleicht werden Sie über das Ergebnis, im wahrsten Sinne, freudig überrascht sein.
Sehr stressende Sätze sind auch: „ich bin enttäuscht“, „ich habe Frust“. Hören Sie sich einmal bewusst an Ihrem Arbeitsplatz oder im Familien- und Freundeskreis um. Sie werden merken, wie oft der Begriff „Frust“ in der Umgangssprache auftaucht. Rede ich mir den Frust ein, begehe ich ein Stück weit Selbstzerfleischung, ich stemple mich selbst zum Versager und bei wem sich dieser Gedanke eingeprägt hat, wird sehr häufig weiter enttäuscht werden, besser gesagt, wird sich sehr häufig selbst frustrieren. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung wird eintreten.
Kehren wir noch einmal zum Beispiel mit der Rede zurück. Es gibt Tage, die sind nicht unsere (eine weitere negative Suggestion) und ein Vortrag kann schief gehen. Jetzt kann ich frustriert sein, und bin es mit Sicherheit auch, aber das sollte eine Momentaufnahme sein und bleiben. Sobald ich mich wieder gefangen habe, kann ich die Situation auch ganz anderes bewerten, „das ist eine neue Erfahrung, die ich gemacht habe“. Auch und vielleicht sogar gerade negative Erfahrungen, bringen uns weiter. Wenn ich das Geschehene positiv reflektiere, werde ich dazulernen und die gemachten Fehler zukünftig vermeiden.
Und noch ein ganz wichtiges Wort, das im Alltag geradezu inflationär benutzt wird, das „muss“. Wir müssen doch jeden Tag hundert Dinge tun oder lassen, wir müssen, müssen, müssen.
Beobachten Sie sich doch einmal selbst. Wie oft sagen Sie zu sich „das muss ich noch erledigen“, „das muss sein“, „daran muss ich arbeiten“. Jedes „muss“ belastet und setzt den Körper unter Stress, weil muss immer bedeutet, es gibt keine andere Lösung und keinen anderen Weg. Und wenn wir uns selbst so in eine Richtung drängen, geraten wir geistig und körperlich unter Zugzwang und damit unter Anspannung.
Wie können Sie diese sprachlichen Stressauslöser umgehen?
Es ist eigentlich ganz einfach und erfordert nur Ihre Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe. Ersetzen Sie „ich muss arbeiten“, durch „ich gehe arbeiten“, an die Stelle von „ich muss noch Sport treiben“, kann stehen „ich treibe noch Sport“. Ich bin sicher, Sie werden unzählige Beispiele finden, wo Sie sich täglich einreden, dass Sie dies oder jenes tun müssen. Ersetzen sie das „müssen“ durch „können“ oder einfach nur durch „ich werde es tun“. Nehmen Sie Ihren Handlungen den Zwang und ersetzen Sie ihn durch Chance und Sicherheit.
Stress entsteht immer dann, wenn wir nicht im Hier und Jetzt sind, sondern noch im Gestern gefangen oder schon vom Morgen beeinflusst. Das gilt auch für die Wortwahl. Betrachten wir zum Schluss dieser Überlegungen ein paar Sätze zum Thema „Arbeit“.
„Ich habe gearbeitet“: Wenn Sie etwas haben, ist das gegenwärtig, „ich habe etwas“, also ist es nicht vorbei. So ist auch die Arbeit in diesem Satz gegenwärtig und für Ihr Körperempfinden nicht vollendet.
„Ich arbeitete“: Hier lasse ich keinen Zweifel daran, dass diese Arbeit Vergangenheit ist.
„Ich arbeite Morgen“: „arbeite“ ist Gegenwartsform, sie wird also nicht erst Morgen auf Sie zukommen, sie wirkt geistig und körperlich schon jetzt auf Sie ein.
„Ich werde morgen arbeiten“: Damit bringe ich die Arbeit in die Zukunft und bleibe selbst im Hier und Jetzt.
Durchforschen Sie Ihre Sprache und finden Sie die verbalen Stresssoren heraus. Reden Sie mit sich selbst, aber tun sie das immer achtsam und sagen Sie nur das zu sich selbst, was Sie auch einem anderen Menschen sagen würden. Denken Sie daran, Sie müssen lange nicht so viel, wie Sie sich einreden zu müssen. Das hilft Ihnen, entspannter durch das Leben zu gehen.