Fixation und Gleichgewichtssinn
von Elisabeth Schiller
Der Gleichgewichtssinn steuert unseren Körper wie ein Navigationsgerät durch unser Leben. Sein Verwaltungssystem sitzt im Ohr. Von dort kommen die Signale an Muskeln und Gelenke. Über diese Signale ist unser Körper in der Lage sich im Raum zu orientieren und den Körper auszubalancieren. Sowohl in Ruhe wie in Bewegung. Der Gleichgewichtssinn arbeitet im Unterbewusstsein. Motorische Abläufe, vor allem beim Sport, werden dadurch erst möglich. Laufen, Klettern, Seilspringen usw.
Wenn das Auge keine Anhaltspunkte hat wie in einem Ballon oder Flugzeug kommt kein Schwindelgefühl auf. Erst wenn das Auge durch Anhaltspunkte die Tiefe an das Gehirn weiter ermittelt wie tief es nach unten geht, kommt die Höhenangst und der Schwindel.
- Der Gleichgewichtssinn hat seinen Sitz in erster Linie im Vestibularapparat des Innenohrs.
Daneben gibt es noch drei weitere Stellen im Körper, die für das Gleichgewicht zuständig sind.
- die Augen liefern unaufhörlich Informationen zur Position des Körpers, insbesondere zu den
Bodenverhältnissen. So erst kann man auf Steigungen, Stufen und Unregelmäßigkeiten des Bodens
reagieren.
- mithilfe des räumlichen Gehörs wird die Position des Menschen im Schallfeld und in Beziehung zu
anderen Geräuschquellen ermittelt. Das Relief der Ohrmuschel ermöglicht ein sehr exaktes räumliches
Hören: nur bis zu 2° machen die Abweichungen bei der Lokalisierung von Geräuschquellen aus.
- Muskel-, Sehnen- und Gelenkrezeptoren "beobachten" und regulieren die "Statik" des Körpers, die
Körperhaltung im Ganzen und die Stellung und Spannung der einzelnen Muskeln.
An den inneren Wänden dieser Kanäle sind hochempfindliche Tast- oder Sinneshaare. Jedes einzelne davon ist mit einem Nerv verbunden. Bei jedem noch so kleinen Positionswechsel bewegt sich die Flüssigkeit (Lymphe) in den Bogengängen. Dadurch werden die Sinneshärchen gereizt und leiten die Reize an das Kleinhirn weiter.
Die neben-, bzw. übereinander liegenden Bogengänge befinden sich im knöchernen Labyrinth des Innenohrs. Diese Bogengänge sind für die Wahrnehmung von Drehbewegungen im Raum verantwortlich. Um dem Kleinhirn ein dreidimensionales Bild der Lage im Raum zu übermitteln, sind jeweils drei Bogengänge nötig.
Das Gleichgewicht ist relativ leicht aus der Facon zu bringen. Das hat sicher jeder schon einmal bei einer Karussellfahrt erlebt, wenn der Körper selbst im Stillstand ist und das Sehen auf bewegte Gegenständen konzentriert ist. Auch auf einem Boot erhält das Gehirn widersprüchliche Botschaften. Die Verschaltung mit den Augenmuskeln geht besonders rasch. So bleibt ein Bild stabil trotzdem man in der Körperbewegung ist. Joggen !! Funktioniert diese Verschaltung nicht, so kommt es zu Schwindel und Übelkeit.
Gleichgewichtssinn und Eigenbewegungssinn sind eng miteinander verwandt.
Alle Gelenke müssen beim Stehen erst ins Gleichgewicht gebracht werden um sicher zu stehen. Reicht man jemandem die Hand zur Begrüßung, so eilt der Eigenbewegungssinn voraus. Nur dann ist es möglich diese Bewegung bewusst zu machen, sonst würde man durch die Gewichtsverlagerung nach vorne überkippen. Sehen ist einer der "Hauptsinne" und spielt für uns Menschen eine große Rolle.
So groß, dass er den Gleichgewichtssinn nahezu ausschalten kann. Patienten mit einer Gleichgewichtsstörung wird darum mit geschlossenen Lidern oder im unbeleuchteten Räumen schwindelig und es verunsichert sie. Für einen Betrunkenen ein bekanntes Gefühl. Jeder kennt sicher die umgekehrten Situationen, in dem uns die Augen einen Streich spielen, wie wir es von optischen Täuschungen her kennen, wie z.B. das Anfahren eines Nachbarzuges. Wir haben das Gefühl unser Zug bewegt sich fort, aber in Wirklichkeit fährt der andere Zug ab, usw.
Während das Gleichgewichtsorgan bei Kindern besonders empfindlich ist, reagiert es mit zunehmendem Alter nicht mehr so schnell auf Bewegungen. Ihr Gleichgewichtssinn und die vestibulo - spinalen Reflexe, die die Körperhaltung stabilisieren, sind nicht mehr so schnell. Das ist mit ein Grund dafür, dass sich mit zunehmendem Alter Stürze häufen.
Gleichgewicht bei Brillenträgern
Nimmt man folgenden Fall:
Ein Brillenträger, der seine Brille dauerhaft trägt, bekommt über die Abbildung auf der Netzhaut einen bestimmten Seheindruck, den sein Wahrnehmungszentrum verarbeitet. Selbst wenn die Brille nicht mehr zu hundert Prozent stimmt, so ist der Prozess des stets schlechter werdenden Netzhautbildes schleichend vor sich gegangen und das Wahrnehmungszentrum hatte die Möglichkeit sich auf dies einzustellen. Auch wenn eine Fixation nicht mehr exakt möglich ist, so kann man mit einstudierten Intuitionen noch ein relativ gutes Gleichgewicht herstellen. Ist der Brillenträger jedoch optimal auskorrigiert, so ist auch sein Netzhautbild perfekt. Leider gibt es sehr viele Brillenträger, die ihre Brille beim Sport absetzen. Aus nachvollziehbaren Gründen: die Brille rutscht, die Brille beschlägt, die Brille kann kaputt gehen usw. usw. Doch was passiert jetzt. Von einer Minute auf die andere ist das Netzhautbild verschlechtert. Das Wahrnehmungszentrum wird mit einem Seheindruck konfrontiert, den es nicht kennt und somit auch nicht einschätzen und verarbeiten kann. Eine Fixation ist nicht mehr oder nur äußerst eingeschränkt möglich. Im weiteren Schritt ist das Gleichgewicht empfindlich gestört. Das führt zu Unsicherheit in der Bewegung und in der Folge oftmals zu Unfällen. Bereits vor ca. 15 Jahren hat die Uni Bochum in einer Studie nachgewiesen, dass 80 % der Unfälle im alpinen Skisport auf Wahrnehmungsfehler zurückzuführen sind. Das Gleiche gilt auch für alle anderen Gelegenheiten, in denen Gleichgewicht oberste Prämisse ist.