Wie wir unsere Realität erschaffen
von Dr. Dagmar Berg
Wenn wir in die so genannte Realität geboren werden, haben wir noch keine Vorstellung von ihr. Doch wir konnten die Gefühle unserer Mutter während der Schwangerschaft schon bewusst aufnehmen. Sobald sich unsere Nervenzellen entwickeln, nehmen sie gleich die ersten Eindrücke wahr und hinterlassen Spuren in den Zellen. Man weiß durch die neue Forschung der Neurobiologie, dass schon bei der Entstehung unseres Gehirns dieses zu arbeiten beginnt und dauerhafte Prägungen hinterlassen werden.
Unser Bewusstsein hat sich bei der Zeugung von dem globalen Bewusstsein abgespalten, ist jedoch immer noch mit ihm verbunden und wird es auch zeit unseres Lebens bleiben. Der Teil, der sich abgetrennt hat, wird immer dasselbe Wissen haben wie das Ganze. Dies entspricht den Gesetzen der Quantenphysik!
Entsprechend diesen Gesetzen haben wir einen freien Willen und werden uns entscheiden, wie wir die Realität um uns herum gestalten werden und wahrnehmen. Wir selbst entscheiden darüber. Wir werden von unserer Umgebung beeinflusst und prägen diese auch wiederum. Von Beginn an besteht diese Wechselwirkung.
Durch moderne Untersuchungen an Babys in der Gebärmutter weiß man heute nicht nur über die Wirkung von äußeren Reizen auf die Mutter, sondern wir kennen auch die Übertragung von emotionalen Empfindungen der Mutter auf das Ungeborene. Das Leben der Mutter prägt neun Monate lang das entstehende Kind. Zum Zeitpunkt der Geburt sind bereits die ersten Grundlagen gelegt, wie der spätere Mensch seine Realität wahrnehmen wird.
Doch noch ist zum Zeitpunkt der Geburt die Realität ein weißes Blatt, ein leeres Buch, das zu schreiben sein wird. Ein unbekanntes Land, das wir schaffen und gleichzeitig entdecken werden. Ein Haus, wo der Plan schon vorhanden ist, das wir selbst aber bauen und verändern werden. Auch dies entspricht der Quantenphysik. Wir haben einen freien Willen und werden doch beeinflusst und gesteuert.
Unsere Sinneszellen sind bei der Geburt schon voll entwickelt, wir haben aber noch keine Erfahrung mit den Reizen, die auf die Zellen eintreffen. Dies ist einem Lernprozess unterworfen, der sofort nach der Entbindung einsetzt. Schon während des Geburtsvorganges werden die Nervenzellen, die unseren Tastsinn ausmachen, sehr starke Eindrücke durch den Druck im Geburtskanal aufnehmen.
Obwohl wir uns später nicht bewusst daran erinnern, erfahren wir schon während des Geburtsvorganges eine unglaublich starke Prägung für unser ganzes späteres Leben. Durch die Forschungsarbeit von Groff wissen wir, dass dieser erste Kontakt mit der Welt unsere Eindrücke von der Realität bestimmen wird. Eine lange und schwierige Geburt wird aus dem gleichen Kind einen anderen Menschen machen, als wenn es durch Kaiserschnitt entbunden wird.
Es wird dabei lernen, wie man sich im Leben oft quälen muss, bis man endlich etwas erreicht und das Licht erblicken kann und Luft zum Atmen bekommt, während bei einem Kaiserschnitt das Kind plötzlich und unerwartet aus seiner warmen Umgebung gerissen wird. Dieses Beispiel zeigt, wie unser Eintritt ins Leben einen Lernprozess in Gang setzt, wie wir die Realität aufnehmen und erleben werden. Unser Tastsinn ist der erste Sinn, der Eindrücke aufnimmt und er wird auch der letzte sein, der uns im Laufe des Sterbeprozesses wieder verlässt.
Alle Eindrücke, die wir nach der Geburt über unsere Sinneszellen aufnehmen, werden mit einem Gefühl verbunden. Zunächst fühlen wir über den Tastsinn, dann nehmen wir auch über die anderen Sinneszellen Eindrücke wahr. Wenn wir sehen, hören, riechen, fühlen und schmecken, entsteht in unserem Gehirn ein Reiz. Als Antwort auf diesen Reiz kommt es zu einer Reaktion in unserem Körper. Wir empfinden etwas. Das kann unangenehm sein, wie zum Beispiel die plötzliche Kälte nach der Geburt und der Klaps auf den Po, oder angenehm wie die Wärme der Haut auf die wir gelegt werden.
Von diesem Moment an beginnt jedes Lebewesen zu lernen und zu unterscheiden, was ist schön und angenehm und was ist schlecht und schmerzhaft. Jeder wird danach streben, das Angenehme zu erreichen und das schmerzhafte zu vermeiden. Unsere Realität wird von diesen beiden Gefühlen geprägt werden, weil unser Bewusstsein und später unsere Erinnerung uns dazu veranlassen wird.
So lernen wir als erstes die Dualität der Realität erkennen. Es gibt immer zwei Seiten. So wie die Welt der Materie aus Atomen besteht, die positiv und negativ geladen sein müssen, damit sie sich aneinander lagern und verbinden können, so gibt es gefühlsmäßig nur die Einteilung in gut und schlecht, angenehm und unangenehm, schön und hässlich. Wir werden in unserem ganzen Leben durch das Streben nach dem Guten und Angenehmen alles lernen und aufnehmen. Denn das schmerzhafte wollen wir normalerweise vermeiden.
Diese Erfahrungen werden in unseren Gehirnzellen als Muster gespeichert. Bei einem neuen Reiz wird unser Gehirn blitzschnell in seinem Speicher nachsuchen, welches Gefühl dieser Reiz damals hervorgerufen hat und uns zu unserem Verhalten veranlassen. Unser Verhalten wird dann unsere ganz persönliche Realität prägen.
Es gibt keine feststehende, unumstößliche Realität. Jeder Mensch, jedes Lebewesen hat seine eigene Realität, die von seinen Sinneszellen und seiner Erfahrung abhängig ist, die er persönlich gemacht hat. Ein Beispiel soll dies erläutern. Eine Fledermaus, die sich auf ihren Gehörsinn zur Ortung verlassen muss, wird ein ganz anderes Bild von der Welt und ihrer Realität haben, als ein Adler, dessen Sehvermögen sehr ausgeprägt ist, weil er noch aus großer Höhe eine Maus erkennen muss, um sie zu verspeisen.
Ein Neugeborenes kennt nur die Realität seines Körbchens oder seines Nestes. Je mehr seine Sinne sich entwickeln, desto mehr Eindrücke kann es aufnehmen und wird gleichzeitig damit seine Realität verändern. Erst wenn sein Gleichgewichtssinn entwickelt ist, kann es sich aufsetzen und laufen lernen. Damit ist es in der Lage eine völlig neue Welt und eine andere Realität zu entdecken.
Im Gegensatz zum Menschen gibt es Tiere, die nach der Geburt alles alleine lernen und sich auf ihren angeborenen Instinkt verlassen müssen. Es sei hier an die Schildkröten erinnert, die ihre Eier im Sand ablegen. Die neu geschlüpften Schildkröten müssen sofort, nachdem sie geschlüpft sind um ihr Leben rennen, um ins Wasser zu kommen.
Wenn sie durch ihren Instinkt diese Realität nicht erkennen, werden sie aufgefressen. Im Gegensatz dazu hat der Mensch eine Mutter oder andere Menschen um ihn herum, die ihn langsam mit der Realität des Lebens vertraut machen. Dadurch übernimmt der Mensch zunächst aber auch das Bild der Realität das sich seine Umgebung von der Welt macht. Ein Kind aus einem Ghetto hat ein anderes Bild von der Wirklichkeit als ein Kind aus einer privilegierten Schicht!
Bis zum dritten Lebensjahr übernimmt das Kleinkind alles von seinen Bezugspersonen und empfindet dies als wahr und richtig. Dann setzt jedoch mit der Entdeckung der eigenen Persönlichkeit das Ich ein und damit beginnt der Widerstand gegen die überlieferten Meinungen und Bilder. Man will seine eigenen Erfahrungen machen und seine eigene Welt erschaffen.
Was der Mensch dann erlebt ist jetzt nicht mehr überliefert, sondern selbst erfahren. Man schreibt jetzt seine eigene Geschichte und schafft damit seine eigene Realität. Natürlich ist diese Realität immer noch erfahrungsmäßig von seiner Umgebung bestimmt, aber sie beginnt sich vor der der Eltern zu unterscheiden.
Neuere Forschungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass mit Beginn der Pubertät es in unserem Bewusstsein nochmals zu einer völligen Veränderung in unserem Gehirn kommt. Unter dem Einfluss der Hormone, die bekanntlich unser ganzes Leben eine große Rolle in unserem Gefühlsleben spielen, kommt es zu einer Umschichtung bereits bestehender Bahnen in unserem Gehirn. Alles wird jetzt in Frage gestellt, neue eigene Erfahrungen müssen gemacht werden, eine neue, unsere eigene Realität entsteht wieder einmal.
Doch weit gefehlt, wenn diese Realität nun bis an unser Lebensende bestehen bleiben würde!
Eine der wichtigen Entdeckungen der letzten Jahre waren die so genannten Spiegelneurone. Viele Lebewesen, nicht nur der Mensch, haben Neurone im Gehirn, die Eindrücke, Bilder die sie aufnehmen, widerspiegeln. Das erste Lächeln des Menschenkindes beruht auf dem Widerspiegeln des Lächelns der Mutter. So spiegeln aber Menschen zeit ihres Lebens das Verhalten von Menschen in ihrer Umgebung wider.
Unser Gehirn kann aber nicht zwischen einem Spiegelbild und unserer eigenen Wahrnehmung unterscheiden. Hass, Wut, Liebe, Freude wird immer nur als Gefühl empfunden. Dabei spielt es keine große Rolle, ob mein Gegenüber dieses Gefühl hat, oder ob es in mir selbst entstanden ist. Der Ausspruch „ Geteilte Freude ist doppelte Freude, geteiltes Leid ist halbes Leid“ zeigt dies auf. Dadurch hat unsere Umgebung zeit unseres Lebens einen gewaltigen Einfluss auf die Schaffung unserer Realität. Ist es meine eigene Realität oder spiegle ich nur die Realität eines anderen wider?
So lange ich dieses Spiel nicht erkenne, bin ich ihm hilflos ausgeliefert. Erst wenn mein Bewusstsein die Wechselwirkung erkennt, kann ich selbst anfangen mein Verhalten zu bestimmen und so meine eigene Wirklichkeit erschaffen. Natürlich nur in einem gewissen Rahmen, da wir immer alle mit allem verbunden sind und dadurch von allem beeinflusst werden.
Es sei hier nochmals an die Quantenphysik erinnert: Wenn ein Teilchen die Bahn eines anderen Teilchens kreuzt, nimmt es die Information des anderen auf. Darauf beruht es, dass zwar jeder Mensch seine eigene Realität hat, wir aber trotzdem in einer gemeinsamen Realität leben.
Wir alle nehmen unsere Welt so wahr, wie wir glauben, dass sie ist!
Ihre Dagmar Berg