Warum haben wir Angst vor dem Tod?
von Dr. Dagmar Berg
Wenn der Mensch geboren wird, kennt er noch keine Angst vor dem Tod. Wahrscheinlich würde ein Neugeborenes eher die Schrecken der Geburt fürchten, als den Tod. Das erste kennt der Säugling, das zweite nicht und noch kann er sich etwas, das er nicht kennt überhaupt vorstellen. Todesangst ist uns also sicher nicht angeboren.
Dann wird das Kind im Verlaufe seines Lebens erstmals mit dem Tod konfrontiert. Vielleicht stirbt sein Lieblingstier und seine Eltern werden ihm vermutlich erklären, dass es jetzt im Himmel sei. Die meisten Menschen können sich sehr genau daran erinnern, wann sie das erste Mal mit dem Begriff und der Tatsache des Todes in Kontakt kamen. Die Erklärung des Himmels beruhigt das Kind. Es vermisst zwar sein Tierchen, aber dem geht es ja gut. Angst vor dem Tod lernt es dadurch nicht kennen.
Etwas anders sieht es aus, wenn ein Familienangehöriger stirbt und das Kind bei der Beerdigung dabei ist. Die Tatsache des Sarges, in dem der Liebe liegt und dann in die Erde versenkt wird, ist für ein Kind erschreckend.
Je nach Alter und dem Entwicklungszustand seines Ich-Bewusstseins wird es feststellen, das kann mir auch passieren. Oft wagen die Kinder jedoch nicht ihre Befürchtungen auszusprechen und die Eltern in ihrer eigenen Trauer, sprechen mit dem Kind nicht über den Tod. Dabei wäre dies unglaublich wichtig. Denn so wird der erste Keim der Angst vor dem Tod gelegt. Diese Angst wird dann jedoch verdrängt und wirkt aus dem Unbewussten weiter.
Wenn Kinder früh an Krebs erkranken und noch keinen Todesfall in der Familie erlebt haben, kennen sie auch keine Todesangst. Sie haben Angst vor den Spritzen und dem Leiden, vielleicht auch, dass sie nicht spielen können und ihre Spielgefährten nicht mehr sehen, doch das Sterben fürchten sie nicht. Sie versuchen eher ihre Familie zu trösten und sie in Ruhe gehen zu lassen, da sie nicht mehr leben wollen und es nachher doch besser haben werden.
Ihre Vorstellung von dem Tod ist anders als die eines Erwachsenen. Beziehungsweise sind sie fest davon überzeugt, dass es nachher irgendwo besser weitergeht. Angst vor der Übergangsphase und mehr stellt das Sterben nicht dar, haben sie nicht.
Später in der Entwicklung des Kindes wird es sich dann der Tatsache seiner eigenen Vergänglichkeit und seines eigenen Todes bewusst. Unbeeinflusst von Erwachsenen machen sich Kinder dann ihre eigenen Vorstellungen. "Es ist wie Einschlafen“, sagte mir einmal ein kleines Mädchen in der Klinik, „dann wache ich wieder auf, kann spielen, Oma ist auch da und viele Engel und Elfen. Es ist überhaupt viel schöner dort als hier, wo ich dauernd Spritzen bekomme und Schmerzen habe.“
Kindliche Vorstellungen vom Tod decken sich sowohl mit denen von Naturvölkern, als auch mit Menschen, die wieder belebt wurden und von dem Übergang und von drüben berichten konnten. Man hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die die Schwelle des Todes einmal überschritten hatten, danach jede Todesangst verloren hatten.
Es ist fraglich, ob Tiere Todesangst kennen. Elefanten verlassen zum Beispiel einfach ihre Herde. Wenn sie spüren, dass ihre Stunde gekommen ist und ziehen sich zum Sterben zurück. Zwar können Tiere nicht sprechen, aber ihr Verhalten zeigt uns, dass sie sehr wohl in der Lage sind, eine auf sie zukommende Gefahr zu erkennen und sie zeigen Furcht. Beim Sterben, wenn sie alt oder krank geworden sind, zeigen sie dieses Verhalten nicht.
Herzlichst Dagmar Berg