Geliebter Zweifel.
von Claudia Sieber Bethke -
Es ist schon eigenartig, was derzeit und um uns herum so geschieht. Vieles verändert sich und man könnte leicht die Orientierung verlieren. Die Frage, wohin es gehen wird oder wofür man sich entscheiden soll, taucht immer häufiger auf. Und wenn man es einmal wagt, einen Traum ins Universum zu schicken, bringen unsere Zweifel gleich einen Unsicherheitsbrief als Antwort in unsere Gedanken zurück. Wird sich dieser Wunsch jemals erfüllen? Hab ich das verdient? Wieso sollte ausgerechnet ich…?
Und schon sieht man den Traum wie eine Regenbogenseifenblase platzen…
Habt Ihr Euch auch schon einmal gefragt, wo diese Zweifel eigentlich herkommen? Sind sie wirklich einfach da? Oder rufen wir sie am Ende selbst herbei?
Nachdem in meiner Wertevorstellung dieser mir sehr bekannten Zustand die Position einer Schattenseite innehat, wollte ich diese auch anerkennen lernen. Da dies aber nur funktioniert, wenn ich verstanden habe, worum es beim Zweifeln geht, habe ich mich auf die Suche gemacht und bin für mich fündig geworden.
Es gab einmal eine Zeit, in der zweifeln als eine Sünde galt. Wenn das Übel „Zweifel“ auftauchte, musste es sofort beseitigt werden, da es als Dauerzustand zur Ver-Zweiflung führte. Dies galt als „Irresein“ und kam einem Todesurteil gleich. Wenn wir ehrlich sind, können die eigenen Zweifel einen tatsächlich verrückt machen und es ist oft ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen, diese einfach abzustellen. Wie gut, dass die guten alten Zeiten vorbei sind…
Erleichterung war erst in Sicht, als Descartes (französischer Philosoph) zu Beginn der Aufklärung den Zweifel als philosophische Methode zur Erkenntnisgewinnung beschrieb. Der Zweifler durfte leben, er musste „nur“ noch lernen, mit diesen umzugehen.
Aber was sollen wir denn erkennen, wenn der Zweifel auftaucht? Ich denke, wir sollen herausfinden, was uns wichtig ist und woran wir glauben. Wer aus tiefstem Herzen glaubt, zweifelt nicht. Ist es nicht so? Und unser Glaube an etwas stützt sich auf das, wovon wir überzeugt sind. Wenn wir also etwas für wahr halten, und von dieser Vorstellung absolut überzeugt sind, kann nichts und niemand uns von dieser Wahrheit abbringen. Auch nicht, wenn wir mit unserer Wahrheit alleine da stehen.
Hier ist er ja schon, der Haken!
In dem Moment, wo das Gefühl auftaucht, allein zu sein mit der eigenen Wahrheit, kommen die Zweifel. Denn wer will das schon?! Natürlich, es gibt viele Menschen, die von sich behaupten, gut allein sein zu können. Aber die Spezies Mensch ist nicht für das Alleinsein geschaffen! Wir sind „Rudeltiere“ und brauchen die anderen Menschen, um uns zu orientieren! Um Halt und Sicherheit zu spüren und manchmal auch, um uns zu messen. Das alles hilft uns bei unserer Weiterentwicklung und dabei uns selbst kennen zu lernen. Denn im Verbund mit den anderen in der Gemeinschaft können wir herausfinden, wer und wie wir sind.
Wir brauchen Spiegel und Vergleiche, um früher oder später eine eigene Identität zu entwickeln. Erinnert Ihr Euch an den Pausenhof in der Schule? Hier fand unserer Identitätsbildung einen wunderbaren Nährboden. Und wer abseits stand, hatte es nicht immer leicht…
Zusammengefasst könnten wir doch auch sagen, dass Zweifel der Orientierung dienen. Also tatsächlich hilfreich sind! Aber was nagt denn dann so in uns, wenn sie auftauchen?
Ich glaube, es ist die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, die uns verzweifeln lässt. Weil wir nicht alle Informationen haben, weil wir noch nie in dieser oder jener Situation waren, weil alles neu ist, was sich uns in dem Moment der Neuorientierung zeigt. Und wer will schon Fehler machen?
ICH - heute kann ich mich immer öfter dafür entscheiden. Denn nur meine Fehler haben mich dahin gebracht, wo ich heute bin. Sie haben mir jedes Mal gezeigt, was und wie es nicht gut für mich ist. Und ich bekam gleich nach der Erkenntnis, die Chance es noch einmal anderes auszuprobieren. Ich durfte nur nicht den Mut verlieren...
Nun musste ich nur noch all diese Zustände verbinden lernen, denn alles hat einen gleichen Wert in meinem Leben. Also fügte ich meine Zweifel, meine Angst vor Fehlern und meinen Mut zusammen und erkannte… es ist Gleichmut, was ich brauchte.
Und dann verstand ich dieses Gebet…
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Von ganzem Herzen wünsche ich Euch den Mut, euren Zweifel und euren Ängste den gleichen Platz einzuräumen, wie eurer Wahrheit und euren Träumen. Denn all das gehört zu Euch, zu Eurer Entwicklung. Und diese hört in diesem Leben niemals auf… Denn dies ist der einzige Weg sich selbst zu erkennen und sich damit selbst zu verstehen – und zu lieben.
Erkenne dich selbst – und du wirst alles verstehen…
Von Herzen bei Euch
Claudia Sieber Bethke