Bewusstseinsarbeit am Beispiel des Hundeführers.
von Carmen Piltz -
Der Begriff „Bewusstseinsarbeit“ wird häufig als sehr schwammig, irreal, ungreifbar, vielleicht sogar esoterisch abgehoben wahrgenommen. Nach meinem eigenen Verständnis von und meiner Erfahrung mit Bewusstseinsarbeit, ist diese Art von Arbeit das genaue Gegenteil dessen: Sie ist praktisch ausgerichtet, lebensnah, alltagstauglich, einleuchtend logisch, umsetzbar und von konkreten Ergebnissen und Entwicklungen gefolgt.
Ich möchte das gerne mit einem Beispiel aus meinem Alltag illustrieren: Als Hundebesitzerin gehe ich täglich mit meinem Hund „Gassi“. Häufig gehen wir dieselben Wege und zu gleichen Zeiten, sodass wir oft auf andere Hunde mit Ihren Besitzern treffen, häufig auch auf dieselben. Bei einem dieser Hundeführer, einem Mann mittleren Alters, und seinem Hund spielt sich jedes Mal dieselbe Szene ab:
Kaum werden wir (bzw. mein Hund) von dem anderen Hund „entdeckt“, fängt er wild und unbändig an zu kläffen und wie von Sinnen an seiner Leine zu ziehen. Dieser Zustand hält so lange an, bis wir in etwa 20 Metern Entfernung sind, also im Durchschnitt über eine Strecke von etwa 50 Metern.
Das Interessante hierbei ist die Reaktion des Hundebesitzers: Sobald er sieht, dass ein Hund entgegen kommt, wird er nervös, fängt schon mal an, seinen Hund vorsorglich kürzer an die Leine zu nehmen.
Sobald das (gewohnte) Gekläffe losgeht, beginnt er, den Hund zu schelten („Lass es! Halt die Klappe! Hörst Du jetzt auf!“) und ist sichtbar und hörbar verärgert über das Tier. Außerdem versucht er durch „leichte Gewalt“ an der Leine oder einen kleinen Klaps in die Flanke den Hund von seiner Aggression abzubringen. Sein Erfolg ist jedes Mal gleich null. Und auch im Weggehen höre ich ihn oft noch weiter schimpfen.
So weit die Ausgangssituation. Dieser Mann geht, wie ich auch, täglich mit seinem Hund spazieren, erlebt diese Situation also wahrscheinlich ebenfalls täglich: Er ärgert sich täglich über sein Tier und sein „schlechtes Benehmen“, er ist täglich unangenehm berührt, weil er negativ von anderen Menschen reflektiert wird, die sich durch das Gekläffe gestört fühlen, er muss täglich schimpfen und sich aufregen, vor jedem Ausgang ahnt er schon wieder das Schlimmste und hofft vielleicht sogar insgeheim auf Niemanden zu treffen - sein Stress ist also schon vorprogrammiert.
An dieser Stelle kann man nun mit Bewusstseinsarbeit ansetzen. Bewusstseinsarbeit, so wie ich sie verstehe und in meiner Praxis anwende, ist immer dazu da, einen Umstand, eine Situation oder ein Befinden aus unserem ganz praktischen Alltag, wodurch wir uns negativ berührt oder belastet fühlen, in eine neue Dynamik, Entwicklung und damit zur Verbesserung zu bringen.
Der erste Schritt ist hierbei immer die „Bewusstwerdung“, dass ich mir also bewusst mache (vielleicht sogar eingestehe), dass mich etwas belastet und es mir besser ginge, wenn sich daran etwas ändern würde.
Im Beispiel könnte der Mann also sagen: „Ja, ich möchte in jedem Fall etwas verändern an meinem Verhalten/dem Verhalten meines Hundes und die unangenehmen Situationen beim Gassi gehen besser in den Griff bekommen.“
Dieser Schritt hört sich zunächst sehr selbstverständlich, vielleicht sogar überflüssig an, ist er aber nicht! Denn der Mann könnte ja ebenso sagen: „Es nervt mich zwar, aber das ist ja nur zweimal am Tag und am Ende ignoriere ich es dann einfach und sag mir, naja der Hund ist eben so und ich finde mich jetzt damit ab, weil ich sowieso nicht an eine Lösung glaube und auch Besseres zu tun habe, als mich darum zu kümmern.“
Um wirklich etwas zu verändern, muss man es also zunächst nicht nur ernst nehmen, sondern auch vor sich selbst klar definieren und festlegen, dass man sich der Arbeit an der Veränderung, der Umwandlung definitiv annehmen will.
Ohne diese Rückkoppelung an den tieferen Sinn der Aufgabe (nämlich das Ziel, was man erreichen will), wird sich die Motivation erfahrungsgemäß schnell verflüchtigen. Hierbei ist es ganz entscheidend, dass man sich darüber bewusst ist, dass eine Neuerung immer mit Arbeit zu tun hat, mit dem Einsatz von Tatkraft, Energie, Ausdauer, Willen, Durchhaltevermögen, Kreativität, Geduld, Zeit, unter Umständen auch Geld.
Im Beispiel könnte das bedeuten, dass der Mann sich aufmacht, eine Hundeschule heraus zu suchen, dort anzurufen, Termine zu vereinbaren, mit seinem Tier zum Training zu fahren, immer wieder mit dem Tier zu üben, Neues zu lernen über das Verhalten von Hunden, die Teilnahmegebühr zu zahlen, mehr Zeit für den Hund aufzubringen und so weiter…
Das hört sich vielleicht zunächst anstrengend und aufwendig an und um ehrlich zu sein – das ist es auch (im Vergleich dazu, alles beim Alten zu belassen). Aber all das tut man ja im Hinblick darauf, was man sich am Ende selbst erarbeitet hat und in vollen Zügen genießen kann: einen wohlerzogenen Hund, den man gut führen kann, jeden Tag entspannt, entkrampft und unbefangen mit dem Tier rausgehen zu können und andere Hundebesitzer nicht meiden zu müssen, sondern vielleicht sogar freundliche Gespräche führen zu können, den Hund ohne schlechtes Gewissen auch mal jemand Anderem zum Gassi gehen mitgeben zu können, ein zufriedenes Tier, was einem Freude bereitet, weil es ausgeglichen und entspannt ist, selbst den Spaziergang und die frische Luft auskosten zu können ohne verdorbene Laune, Ärger und Frust – ein definitiv lohnenswertes Ziel!
Entwicklung ist in gewisser Weise also immer „unbequem“, im Sinne dessen, dass man sich bewegen muss, dass man investieren muss, dass man gegen den „Widerstand des Bestehenden“ etwas Neues formen will.
Bewusstsein oder Bewusstseinsarbeit ist wie ein Motor oder Initialzünder für eine Entwicklung, denn durch das Bewusstsein entsteht eine Vision, wie es besser sein könnte und damit der letztendliche Antrieb, um sich selbst in Bewegung zu setzen.
Ich verstehe den tiefen Sinn von Bewusstseinsarbeit darin, dass sie ein wertvolles Werkzeug und ein Wegbereiter ist, um sein Leben -und eben im Besonderen auch den ganz praktischen Alltag- zu überprüfen und zum besten Wohl weiterentwickeln und optimieren zu können.
Das hat nichts Abgehobenes oder Sphärisches an sich, es geht dabei wesentlich um den Menschen und um menschliche Bedürfnisse, es geht darum, stimmige und erfüllte Lebensumstände zu schaffen und dafür lohnen sich der Einsatz und die Arbeit allemal.
Herzlichst
Carmen Piltz