Bewusstsein: Selbstliebe!
von Ava Hauser -
Vom Elend mit der Selbstliebe und den Egoisten mit dem Helfersyndrom.
Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest. Dieser kecke Buchtitel entlarvt ein großes Dilemma in der modernen Beziehungslandschaft: Wir heiraten nicht, weil wir diese Person lieben, sondern weil wir uns selbst NICHT lieben. Der Partner hat eine klar umrissene Aufgabe: er/sie soll mich vor der Verlorenheit mangelnder Selbstliebe retten.
Nirgends offenbart sich mehr Elend als beim Thema Selbstliebe.
Regelmäßig fließen in den Workshops Tränen, wenn es darum geht, Selbstliebe in einer einfachen Übung zu praktizieren. Manche Menschen können nicht einmal den Satz „Ich liebe und akzeptiere mich so wie ich bin“ verbal äußern. Also suchen sie einen Partner, der die mangelnde Selbstliebe mit dem gnädigen Mantel seiner Liebe zudeckt, um Wärme zu geben. Wir bieten dafür die Gegenleistung umfassender Fürsorge.
Ist das Liebe? Oder ist das ein Deal zwischen zwei Liebesbedürftigen, die sich gerne selbst belügen? Wäre es nicht ehrlicher, sich einzugestehen, dass die Liebesbeziehung auf einer Art gegenseitiger Übereinkunft beruht? Was würde geschehen, wenn wir wenigstens mit uns selbst ehrlich wären? Was wäre, wenn wir uns selbst so lieben würden, dass wir die Liebe des Partners als Geschenk annehmen könnten, anstatt davon abhängig zu sein wie ein Ertrinkender vom rettenden Strohhalm?
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Dieses Bibelzitat offenbart ein zweites, jahrhundertealtes Dilemma: Wir setzen die Liebe zum Nächsten über alles andere, gleichzeitig sind wir nicht in der Lage, dieses selbstgesteckte Ideal auch nur annähernd zu erfüllen, denn wir blenden den zweiten Teil des Zitats aus, weil wir ihn nicht verstehen. Wir sehen nicht, dass wir zuerst uns selbst lieben müssen. Ist das Egoismus? Nein, ist es nicht.
Wir kommen der Selbstliebe jetzt schon näher. Liebe zuerst dich selbst, dann deinen Nächsten.
Spirituell interessierte Menschen betonen gerne, dass wir alle eins sind, Sternenkinder, aus Licht und Liebe gestrickt. Doch was bedeutet das konkret? Bin ich mein Nachbar Rudi, der regelmäßig seine Frau verprügelt? Bin ich meine Arbeitskollegin Ida, die ihre teuren Kosmetikprodukte gerne zusammenklaut? Oder meine Freundin Anne, die jedes Wochenende mit einem anderen Mann schläft? Bin ich der Massenmörder von der Titelschlagzeile der Bild-Zeitung? Bin ich ich selbst? Ich, der einzige Lichtblick? Und liebe ich mich und diese Menschen?
Na? Wir lieben die Guten. Richtig? Klar, weil wir ja das Böse aus der Welt schaffen wollen. Dabei können wir das gar nicht. Gäbe es kein ‚Böses‘, dann wären wir nicht in der Lage, das ‚Gute‘ zu erkennen. Also hilft das auch nicht. Es ist alles dual, alles hat zwei Seiten. Wenn wir alle eins sind, dann ist es das Naheliegendste mich selbst zu lieben. Damit liebe ich alle anderen sowieso.
Das dritte Dilemma: Wir können Selbstliebe und Egoismus nicht auseinanderhalten.
Eine gestresste Mutter, die sich den Beitrag für den Yogakurs nicht leistet, weil sie lieber das Smartphone ihres Kindes finanziert, tut weder sich selbst noch dem Kind etwas Gutes. Sie lebt ihrem Kind vor, dass sie sich selbst nichts wert ist. Das Kind nimmt diese Informationen unbewusst (wie eine Art Vorlage) in das Zellgedächtnis auf. Und als Erwachsener ahmt es die Beziehungen und Muster der Eltern nach, im Guten wie im Schlechten. Selbst wenn der Erwachsene sich bemüht, sich anders zu verhalten. Das Ignorieren der eigenen Bedürfnisse zugunsten von anderen legt den Samen für Aufopferung und Selbstverleugnung. So werden ‚Opfer‘ gemacht.
Die größten Egoisten findet man unter den Menschen mit einem ausgeprägten Helfersyndrom.
Weshalb sollte es uneigennützig sein, die Sorgen anderer Menschen grundsätzlich über die eigenen Bedürfnisse zu stellen? Was ist so edel daran, selbst die eigene Gesundheit für andere zu opfern? Weshalb tun Menschen so etwas? Womöglich haben sie einen verborgenen Nutzen? Erwarten sie etwa, dafür geliebt zu werden, weil sie sich selbst nicht lieben (können)? Brauchen sie den Dank der anderen, damit sie sich selbst mögen? Erwarten sie Anerkennung und Liebe als Gegenleistung für aufopferungsvolle Unterstützung zu jeder Tages- und Nachtzeit? Was ist das dann? Nächstenliebe oder verkappter Egoismus?
Würden sie anderen Menschen nicht besser helfen, indem sie ihnen Selbstakzeptanz, Wertschätzung und Selbstliebe vorleben? Können sie aus authentischer Kraft und vitaler Gesundheit heraus dem Nächsten nicht viel besser helfen?
Wäre die Welt friedlicher, wenn wir uns selbst mehr lieben würden?
Eine kleine Selbstliebe-Übung:
Einen Handspiegel neben dem Bett deponieren. Die Übung jeden Morgen sofort nach dem Aufwachen machen. Nicht vorher aufstehen! In den Spiegel schauen, egal wie verschlafen oder verquollen man sein mag, und dabei folgenden Satz 9 x sprechen: „Ich liebe mich, ich bin schön, ich bin heil, ich bin ganz an Körper, Geist und Seele. Das Universum hat grenzenlose Möglichkeiten und erfüllt alle meine Wünsche.“
Ein Artikel von Ava Hauser