Frei-willig geboren werden?
von Viktor W. Ziegler -
„Aus freien Stücken entscheidet sich der Mensch,
in eine bestimmte Familie geboren zu werden.
Weil sie ihm bei der Erreichung seines Zieles behilflich sein wird.
Noch im Bauch der Mutter erfährt er,
was er nicht vergessen soll.
Wie würden wir diesen Ratschlägen Folge leisten?
Würden wir darauf vertrauen, wenn wir sie jetzt hören würden?
Wir würden es nicht.
Denn sobald wir die menschliche Form angenommen haben,
hängen wir unsere Fahnen nach dem Wind.
Wer nicht weiß,
was seine wahre Identität ist,
folgt dem Wissen des Windes.“
Malidomo Patrice Some
(„Of Water and the Spirit“)
Ob wir uns bereits vor unserer Geburt unsere Eltern aussuchen, wir werden es Zeit unseres Lebens nicht erfahren. Auch nicht, ob es unser Wunsch war, geboren zu werden.
Fest steht jedoch, dass wir bereits vor unserer Geburt, im Mutterleib, beginnen, unsere „Umwelt“, die Welt im Bauch der Mutter und die Welt „da draußen“, wahrzunehmen. Etwa ab dem 4. Monat der Schwangerschaft beginnen wir zu hören. Den Herzschlag der Mutter, die Verdauungsgeräusche und ihre Stimme – die „Muttersprache“, wie wir dann später einmal sagen werden.
Der Hörsinn ist der erste aller Sinne, mit dem wir – noch ungeboren – Eindrücke von unserer Welt, in die wir geboren werden, in uns speichern. Um diese später als „erlernt“ wieder zu erkennen. Positive wie auch negative Hör-Erfahrungen und Gefühle sind es, mit denen wir bereits auf die Welt kommen und die mit „Vorbestimmung“ nichts zu tun haben. Im besten Fall mit dem Gefühl der Geborgenheit, die uns die Mutter bereits während ihrer Schwangerschaft vermittelt und vorgelebt hat. Oder mit der „Kleinen Nachtmusik“ von Mozart oder vielleicht einem anderen Musikstück, das noch nach Jahrzehnten unerklärlich starke Emotionen und Erinnerungen in uns wecken soll …
Oder vielleicht auch mit dem Gefühl, ein unerwünschtes Kind zu sein. Mit Gedanken an Abtreibung seitens Mutter und Vater …oder vielleicht sogar die emotional geführte Diskussion darüber.
Mit zwei „Eigenschaften“ werden wir nachweislich auf unseren Lebensweg geschickt. Zwei Eigenschaften, mit denen wir geboren werden. Die wir nicht erst wie Sprechen, Gehen, Schreiben, Rechnen … erlernen müssen.
Gemeint ist damit das berühmte „Engelslächeln“ und … das „Denken“, wie bereits Antoine de Saint – Exupery in einem Brief an seine Mutter feststellte:
„Man lernt schreiben, singen, richtig reden, sich bewegen, aber niemals denken. Man lässt sich durch Worte leiten , und die führen sogar die Gefühle hinters Licht…Mir ist aufgefallen, dass die Menschen, wenn sie reden oder schreiben, sofort jeden Gedanken aufgeben, um künstliche Deduktion anzustellen. Sie verwenden Worte wie eine Rechenmaschine, aus denen eine Wahrheit hervorgehen soll. Das ist idiotisch. Es kommt nicht darauf an zu lernen, wie man Schlüsse zieht, sondern wie man keine Schlüsse mehr zieht.“
Schlussfolgerung 1: Wenn wir mit der Gabe zu denken geboren werden, dann wohl auch mit dem Willen, diese Gabe einzusetzen, zu verbessern und auszubauen. Vor allem wenn uns dabei bewusst wird, dass es ohne freien Willen auch kein Denken gäbe.
Und dass wir es sind, die da denken. Dass wir nicht von irgend Jemandem oder irgend Etwas „gedacht werden“!
Schlussfolgerung 2: Wir werden somit auch mit der Gabe eines freien Willens geboren. Eine Gabe, die allerdings erst „trainiert““ werden muss (siehe Trotzalter).
Das erwähnte „Engelslächeln“, von dem behauptet wird, es sei eine himmlische „Mitgift“ in unser menschliches Erden-Dasein, passiert ausschließlich in den ersten Lebenswochen und geht uns leider wieder verloren.
Nicht nur im Schlaf, beobachtet von den glücklichen Eltern, die sich über das selige, engelhafte Ruhen ihres Babys freuen.
Lächeln und Lachen werden uns auf unserem gesamten Lebensweg begleiten, wenn wir wollen. Ob nun bewusst oder unbewusst, die Fähigkeit des Lächelns ist uns angeboren. Es liegt allein an uns, was wir daraus machen.
Aus dem Engelslächeln wird soziales Lächeln und Lachen, das bewusste Anlächeln, das erst ab dem 2. Lebensmonat auftritt und mindest ebenso herzerwärmend ist wie das ursprüngliche Engelslächeln.
Und im Erwachsenen-Alter stellen wir dann fest, dass nicht nur gemäß Tucholsky „ein Lächeln die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen“ ist; dass sogar unsere Augen lachen können.
Dass sich unser Gesichtsausdruck verändert und gleichzeitig Endorphine (Botenstoffe) vom Gehirn produziert werden, die wiederum körperliche und seelische Schmerzen lindern und zu einem Glücks- und Wohlgefühl führen.
Herzlichst Viktor W. Ziegler
©Viktor W. Ziegler
Aus dem Buch „Frei-willig! Die Macht unseres freien Willens. Vom „Müssen“ zum „Wollen“. Wie wir bewusst unser Leben bestimmen können.“
EditionVICART, 2012, 324 Seiten, div. Abbildungen.