Hingabe und Vergebung im kraftvollen Freiraum von Gegenwärtigkeit
von Satyam S. Kathrein
Die Impulse aus dem Tabernakel, dem ewig innewohnenden Trauerkloß als Taktgeber, können einen trotz Transformationswillen und öfter, als einem vielleicht lieb ist, kräftig an der Nase herumführen.
Man begegnet dem am besten mit der steten Hingabe an die Bewusstseinswandlung der eigenen Lebensthematik. Der Schmerzberg wird oft von Abwehrmechanismen oder Ego-Gebaren und ebenso vom verletzten inneren Kind, dem Tyrannen, aktiviert, um Weiterentwicklung auf der Seelenebene zu boykottieren, besser, komplett zu verhindern. Das Scheinsein will nicht weichen!
Je nach Bewusstseinslage fliegen die Handlungsimpulse während einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personen aus dem Tabernakel des einen gerne dem noch Unbedarften nur so um die Ohren. Üblicherweise erwecken sie im Gegenüber sofort eine Kampfreaktion und Gegenwehr. Das geht dann meistens Schlag auf Schlag und schon ist das Tischtuch zerschnitten, sind die Parteien völlig zerstritten.
Der bewusst beobachtende Zeitgenosse hat genau hier durch seinen bereits geläuterten Bewusstseinszustand den Vorteil, dass er nicht automatisch dagegen handeln muss. In ihm entsteht jederzeit die Umsicht, einen neutralen inneren Raum zu schaffen. Einen Platz, an dem er sich voll und ganz in der Zeitschiene des Hier und Jetzt aufhält. Das ist der ersehnte Schlüssel, Damit bekommt er einen gewissen Zeitvorsprung, der wesentlich dazu beiträgt, angemessen agierend nicht aus der eigenen inneren Mitte zu fallen.
Bei der Anwendung des inneren Raums schaltet man weder auf Abwehr noch auf Rückzug, lässt eher den Moment, in dem der andere die Identifikation mit seinem Tabernakel erlebt, entspannt und gelassen an sich vorüberziehen. Lässt sich also, von dem Angriff nicht beeindruckt, auf keine Reaktion ein. Man nützt den freien Raum, um ähnlich einem asiatischen Meister der Kampfkunst unverletzt und unbeeindruckt die Aufmerksamkeit des Angreifers möglichst in die Gegenwärtigkeit zurückzuführen.
In einem solchen Augenblick kann Transformation relativ leicht geschehen, denn die
Verbindung von Tabernakel, Angst und Denkapparat wird zusätzlich vom Wind der Liebe berührt.
Gerade mit der Kraft der Liebe können wir in den so wichtigen Beziehungen mit Kindern oder dem Partner viele unnötige Reibereien vermeiden. Und Lieben heißt ebenso Vergebung. Wir erlauben praktisch damit dem anderen, Fehler zu machen. Wichtig ist hierbei allerdings, dass alle Beteiligten möglichst ihr Bestes geben, den Willen zur Wandlung in sich tragen und unbewusstes Verhalten nicht
ständig wiederholen!
Den Raum der Gegenwärtigkeit nutzen heißt dementsprechend, nicht bei jeder Gelegenheit bis ins kleinste Detail dem Unbewussten oder Angreifer aufdeckend das Versagen vor Augen zu halten. Das
erlaubt seinem Selbstwert ein erforderliches Durchatmen, um erneut mit der Entscheidung für ein Handeln als großer oder kleiner Bewusstseinsritter Erfolge zu verbuchen. Ansonsten sollte man dem
Austeiler von der eigenen ruhenden Mitte heraus aufzeigen, wie verletzend er sich verhält.
Wer ständig unbewusst vom Tabernakel her agiert, hat für diese Zeitspanne das Handeln aus dem wahren Sein völlig verlassen, geradezu vergessen. Wir wissen aber, dass das nicht das wirkliche Zuhause dieses Mitbürgers ist. Und was sehr wichtig ist: Wir lassen uns von dieser Ersatzebene nicht auf dieselbe unbewusste Ebene herunterziehen, bleiben in der hohen Energie, die hier am meisten
hilft, in der Liebe, versuchen, von diesem Standpunkt aus sein wahres Sein erneut zu entzünden, bringen Licht ins Dunkel.
Liebe ist die Energieform, die wir am meisten vermissen, wenn die Negativität des Tabernakels von uns Besitz ergreift. Ein liebevoller Energierahmen bewirkt meist einen kurzen Verschnaufer und plötzlich verwandelt das negative Energiefeld sich in ein positives, schlägt um und der Mensch ist wieder in seinem wahren Sein geborgen.
Paare können sich bei derartig bewusstem Umgang miteinander genau an dieser Stelle gegenseitig in ihren auftretenden Notlagen wunderbar unterstützen. Je nachdem, wer gerade seinen »Absturz«
erlebt, wird vom anderen mit dem Freiraum der Gegenwärtigkeit auf den Teppich des wahren Seins zurückgespiegelt. Ohne großes Tun oder Besserwisserei erlaubt ihnen das ein gemeinschaftliches Erleben auf sehr hoher und sauberer Energieebene, und zwar von immer längerer Dauer.
Das entstandene vertrauensvolle Bewusstseinsband führt in ein Begegnen ohne Grenzen und Angst. Es schmilzt bei aufkeimender Zwietracht die Illusion der Prägungsjahre einfach dahin. Man findet sich aufgehoben in der Realität des Seelenseins, dem Wahren Sein.
Der altgediente Kokon der Sicherheit, entstanden während der Traumatisierung, verliert so seine Anziehungskraft, das Wagnis Gegenwart beginnt. Lassen wir uns nicht mehr von dem, was wir an Unangenehmem erleben, aus der Ruhe bringen, keinerlei Wut und Widerstand vernebelt mehr den inneren Spiegel. Spontan aus dem Augenblick heraus begegnen wir jetzt den Dingen des Lebens mit
unglaublicher Freude und natürlich dem nötigen Bewusstsein. Handlungen entstehen nicht aus vergangenen Erfahrungen, sondern in völliger Klarheit und angemessen für den Moment.
Ihr Satyam S. Kathrein