- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Wie alle wirklich großen Überlieferungen aus der Geistesgeschichte der Menschheit, können die Bildsymbole des Tarot auf verschiedenen Ebenen verstanden und interpretiert werden. Wie der Mensch eine Dreieinheit aus Körper, Seele und Geist ist, so kann die Bildsprache des Tarot uns entsprechend unserem Verständnis hauptsächlich sinnlich, tiefenpsychologisch oder geistig ansprechen.
Die meisten Interpretationen beschäftigen sich mit der sinnlichen, tiefen-psychologischen oder auch magischen Deutung, wenige nur vermögen in den geistigen Grund einzudringen.
Was ist in diesem Zusammenhang unter „ geistig “ überhaupt zu verstehen?
Diese Fragestellung erinnert an die berühmte Frage die Pontius Pilatus Jesus stellte: „Was ist Wahrheit?“ Geistig in einem vergleichbaren Sinne ist das absolut Objektive, das dem persönlich Subjektiven gegenübersteht. Es ist die Welt der Urideen ( Plato ), die Blaupause, die allen sinnlichen Erscheinungen und Schicksalsführungen zugrunde liegt. Es ist die Welt des Tao ( Sinn ), die ihren Abdruck auch in der kosmischen Ordnung manifestiert, welche sich auch in ganz bestimmten Zahlenverhältnissen widerspiegelt. Mikrokosmos und Makrokosmos sind die zwei Pole, in denen sich diese innere Ordnung ausdrückt. So wie wir wissen, dass jedes Element im Periodensystem einem bestimmten Mischungsverhältnis von Atomen entspricht und die Töne und Harmonik unserer Musik nach ganz bestimmten Intervallen aufgebaut ist, so ist auch der Abstand der Planeten und Sterne im Universum nach Maß und Zahl geordnet. Zwar ist bekannt, dass zum Beispiel auch die Buchstaben des hebräischen Alphabetes nach der jüdischen Überlieferung ganz bestimmten Zahlenwerten zugeordnet werden, weitestgehend unbekannt ist aber immer noch, dass diese Zahlenwerte in den Worten und Sätzen der jüdischen Bibel, von solch einer wunderbaren mathematischen Ordnung sind, dass kein noch so geniales menschliches Gehirn sich das hätte ausdenken können und nur eine logische Schlussfolgerung bleibt: auch die Bibel ist eine Schöpfung Gottes, vergleichbar der Natur und dem Kosmos. So kamen auch viele bedeutende Naturwissenschaftler, die erst einmal rein rational sich aufmachten das Rätsel der Materie zu lüften, mit Erstaunen und Bewunderung zu dem Schluss: es muss einen Schöpfergott geben.
Nun ist aber die Entschlüsselung dieser kosmischen Ordnung gewissermaßen nur die Form, die Umhüllung des Lebens, die Frucht vom Baum der Erkenntnis. Das eigentlich Geistige liegt immer noch jenseits davon und ist auf eine rein verstandesmäßige Art des Herangehens nicht zu erschließen. Denn ebenso wie wir uns die Pflanzen erst einverleiben müssen, damit das darin gespeicherte Licht freigesetzt und uns Kraft und Leben geben kann, entsprechend muss die Form des Wortes in den heiligen Schriften oder die bildhaften Symbole in den Märchen, Mythen und eben auch im Tarot verinnerlicht werden, um seinen tieferen Sinn freizugeben.
Das ist dann das Essen vom Frucht des Baumes des Lebens, der unserer Seele Licht und Leben gibt und diese Frucht ist die reine, ungetrübte Freude am Leben, ohne dass es einer von außen kommenden Ursache bedarf. Dieses paradiesische Bewusstsein wiederzuerlangen ist letztendlich das Ziel unserer Existenz auf dieser Erde.
„ Die Glückseligkeit ist Sinn und Zweck das Lebens, sie ist das Ziel und die Erfüllung menschlichen Daseins“, sagte bereits kein geringerer als der Vater der abendländischen Naturwissenschaft Aristoteles vor über 2000 Jahren.
So können Märchen, Mythen, heilige Schriften und der Tarot im besten Sinn Landkarten des geistigen Weges sein. Den Weg dann aber selbst zu gehen in Realität und Wahrheit, „mit Haut und Haaren“ dies bleibt die eigentliche Herausforderung an der kein echter Schüler des Lebens vorbeikommt.
Nun ist, wenn es um die Tarotkarten geht, das Wort „Landkarte“ vielleicht ein etwas irreführender Begriff, denn es ist nicht eine Landkarte auf der man schauen kann, wie man von A nach B kommt. Vielmehr sollte man es vielleicht besser Stationen eines Weges bezeichnen. Wann diese Stationen jeweils in unserem persönlichen Leben auftauchen, ist nicht ohne weiteres vorhersehbar und unterliegt verborgenen Gesetzmäßigkeiten, die wir nicht beeinflussen können.
Der Tarot ist eine erstaunlich exakte Landkarte dieses Prozesses, er ist ein Geschenk der Götter an die Menschheit.
Je tiefer wir in seine Symbol- und Bildsprache eindringen, desto mehr enthüllen sich uns seine Geheimnisse. Wir erkennen, dass das Leben nicht als Stolpern und Straucheln, nicht als Herumtappen im Zwielicht und nicht als eine Folge von Schicksalsschlägen gedacht ist, sondern die stufenweisen Entfaltung des menschlichen Potentials, welches das größte Wunder der gesamten Schöpfung überhaupt ist. Wenn der biblische Zeitgenosse im Aufblicken auf Jesu in einer plötzlichen Erleuchtung ausruft „ Ecce Homo“- „ Was für ein Mensch“ so ruft er dies gleichzeitig für alle Zeiten hindurch jedem einzelnen Menschen zu, der jemals über diese Erde ging und gehen wird.
In der Hand eines erfahrenen Tarotdeuters können diese Karten, die ja Abbilder der realen Ereignisse darstellen, entschleiert werden und gleichen dann einem Spiegel, in dem wir sozusagen unser verborgenes Antlitz erkennen können. Dieses Antlitz offenbart nicht in erster Linie die Tatsachen unseres profanen Lebens, sondern vielmehr die Strukturen, Entwicklungen und Potentiale unseres geistigen Lebens innerhalb der göttlichen Ordnung.
Ein solcher Spiegel der höheren Wirklichkeit ist notwendig, wenn wir in unserem geistigen Leben Fortschritte machen wollen, weil die Illusionen der materiellen und der astralen feinstofflichen Ebenen uns tendenziell immer wieder dazu verleiteten, den erworbenen Mustern des alten Adams und der alten Eva nachzufolgen. Gurdieff spricht in diesem Zusammenhang davon, dass nur ein Schock diesen fatalen Automatismus außer Kraft setzten kann. Diese Schocks sind in unserem Leben oft genug die plötzlichen Schicksalsschläge und Enttäuschungen, die aber nur solange notwendig sind, solange wir die Ereignisse nicht in ihrer tieferen Bedeutung verstanden haben. Schon wenn wir nur anfangen den Sinn hinter diesen Ereignissen verstehen zu lernen, bieten sich oft sofort Lösungen eines gnädigeren Schicksals an.
Hier kann ein bewusster Umgang mit dem Tarot eine unschätzbare Hilfe sein, weil es ein Angebot ist durch Einsicht zu wachsen, anstatt von einer Enttäuschung in die andere zu stolpern.
In den Bildern der 22 Arkana ( Geheimnisse ) des Tarot sind alle wichtigen Stationen auf dem geistigen Weg bis hin zum Höchsten Bewusstsein, der einem Menschen auf dieser Erde möglich ist, dargestellt. Nicht in Worten, wie in den heiligen Schriften, sondern in Form einer Bildsprache, die ein Teil ist, des uns allen gemeinsamen kollektiven Unbewussten, wie C.G. Jung es genannt hat. Diese Bildsprache oder Archetypen finden wir auch in den Mythen und Märchen aller Kulturen und auch in der Symbolsprache unserer Träume wieder. Allerdings kann diese Sprache nicht so ohne weiteres von selbst erschlossen werden. Auch sie muss, wie das A.B.C. erst wieder erlernt werden. Dies kann nicht durch ein rein intellektuelles Lernen geschehen, sondern es ist das Wechselspiel zwischen erlebten Erfahrungen und der Kontemplation darüber im Spiegel eines geistigen Systems oder einer Lehre. Früher wurde diese Lehre oft durch einen spirituellen Meister weitergegebenen. Heute an der Schwelle des neuen Zeitalters erfolgt dies mehr und mehr auf der geistigen Ebene als eine Art von kollektiver Einweihung. Der Christusgeist selbst in jedem von uns, übernimmt mehr und mehr die Führung in Form von Intuition, Inspiration und Erleuchtung. Denn es ist in der kommenden Zeit notwendig, dass jeder Schüler des geistigen Lebens seinen eigenen ganz individuellen Ton in der Harmonie der Sphären erklingen lässt. Gerade diese ganz spezielle Qualität wird als Beitrag im Orchester der Einheit gebraucht und kann auf diese ganz spezielle Weise von keinem anderen dargestellt werden. Wir können also nicht weiter die Verantwortung für unser inneres Wachstum an einen Meister, Führer oder ein vorgegebenes Glaubensgebäude abgeben. Das Christusbewusstsein im unserem Inneren will und muss früher oder später selbst dieser Führer werden, wenn wir die höchsten Stufen des geistigen Weges erreichen möchten, so wie es unter anderem im Werk von Meister Eckehardt bereits im 12. Jahrhundert dargestellt wurde. Er war damit einer der ersten Verkünder des Zeitalters des heiligen Geistes, auf das wir uns alle mit großen Schritten zu bewegen.
Dies tut auch Not, wenn wir uns die große Krise in unserer Welt anschauen. Terrorismus, Armut, Arbeitslosigkeit, Sinnentleerung, Konformismus und Gefühlskälte sind ja nur die Symptome einer Bewusstseinskrise, die als eigentliche Ursache dahinter steckt. Der „Wahnsinn der Normalität“ ist das Krebsgeschwür unserer sozialen und gesellschaftlichen Systeme. Jeder einzelne von uns, dem es gelingt in seinem persönlichen Ringen um Bewusstwerdung - und dies sind die wahren Heldenkämpfe - sich aus der Umklammerung und dem Gift des Weltgeistes zu befreien, trägt dazu bei die Menschheit ein Stück auf dem Weg in das neue Zeitalter voranzubringen. Diese Bewusstwerdung ist nicht wider unsere Natur, sie ist vielmehr die Reintegration einer göttlichen Ordnung in uns, die sich in der Natur, im Kosmos und auch in den Symbolen der 22 Arkana des Tarot wiederspiegelt.
Sind die Symbole durch eine Art geistiger Einweihung einmal entschlüsselt, so findet der Sucher eine erstaunlich praktische Anleitung, um die Phänomene der Welt, in die wir als Geistwesen hineingestellt worden sind und die Gesetzmäßigkeiten des geistigen Weges, zu verstehen. Diese inneren Regeln sind oft den Idiotismen der äußeren Welt diametral entgegengesetzt, wie zum Beispiel auch die Seligpreisungen von Christus bei der Bergpredigt veranschaulichen. Wir nehmen die Spielregeln dieser äußern Welt oft so leicht als „ nun mal gegeben“ hin, sie sind uns durch Erziehung, Religion und Kultur wie zu einer zweiten Natur geworden und schon deshalb ist eine wirkliche geistige Transformation ohne fundierte Schulung nur sehr schwer möglich.
Nicht zuletzt kann der geschulte Umgang mit den Tarotkarten auch eine große Hilfe sein, an Schicksalskreuzungen, vor Abgründen oder scheinbar unüberwindlichen Hindernissen, diejenigen Hinweise zu erhalten, um die Krise in einen Schritt nach vorne zu verwandeln. Darüber hinaus bewahrt uns der aufgeklärte Umgang mit dem Tarot davor unseren eigenen Zielen zu folgen, anstatt den Matrix unseren Schicksals und unserer Berufung, was eines der größten Versuchungen auf dem geistigen Weg darstellt. Denn nicht immer sind die Fähigkeiten, die uns leicht von der Hand gehen und das Naturell das uns so gewohnt ist, dasjenige was wir in diesem Leben auch ausdrücken sollen. Oft sind es Fähigkeiten, die wir uns in früheren Existenzen erlernt haben, die aber zu einer Einseitigkeit in unserem Charakter und unserer Sichtweise geführt haben und jetzt eigentlich ausgeglichen werden sollten. Klopft dann das Schicksal an unsere Tür mit dem Angebot unsere eingefahrenen Wege, Denk- und Gefühlsmuster zu verlassen, dann bleiben wir ohne „Schock von außen“ oder Einsicht von innen leicht in dem Alten hängen. So geht oft genug eine große Chance oder ein Ruf von Oben an uns vorbei, ohne das wir deren wahren Wert erkannt hätten.
Anders für den Erwachten. Für ihn ist die ganze Welt voller Zeichen, Symbole und Führungen. Er erkennt, dass nichts, aber auch gar nichts zufällig ist und alles eine tiefere Bedeutung hat. Das Erlernen der Zeichensprache von Mythen, Märchen, Heiligen Schriften und dem Tarot gepaart mit einer großen Ernsthaftigkeit und einer schonungslosen Ehrlichkeit uns selbst gegenüber, sind die Vorraussetzungen, um zu dieser höheren Wirklichkeit zu erwachen. Das Leben selbst ist wie das große magische Weisheitsbuch, das eine Seite nach der anderen umschlägt und uns entweder jeden Tag neue Wunder, Erkenntnisse und Geschenke bringt oder ungenutzt an uns vorbeizieht, wie ein ungeöffnete Einladung, die wir hastig in eine Schublade stecken und dann irgendwann vergessen.
Dies ihr Lieben ist unsere gemeinsame Bestimmung und das erhabene Bewusstsein nach der wir alle aufgerufen sind zu streben. Wir können uns fragen, wie Millionen vor uns „aber wie fange ich das an“? Die ewige Weisheit sagt: „Ist der Schüler bereit, ist auch der Lehrer da“.