Den Reaktionen des lebendigen Lebens fehlt die Wissenschaft.
von Martinus -
Man hat die Wahrheit über die stofflichen Reaktionen der Materie gefunden und kann mit diesem Wissen diese Reaktionen regulieren und sich dadurch zum Herrn über die Elemente oder Naturkräfte machen. Die Materie hat also ihre Wissenschaft bekommen, die Menschen haben jedoch auch noch mit anderen Dingen zu tun, nicht nur mit stofflichen Reaktionen. Sie müssen täglich mit den Reaktionen des lebendigen Lebens umgehen. Sie müssen mit Pflanzen, Tieren und Menschen umgehen, von denen jede Art einen Ozean von Reaktionen repräsentiert.
Aber diese Reaktionen haben noch nicht ihre von der Allgemeinheit anerkannte, internationale absolute Wissenschaft oder vollkommene Enthüllung gefunden, so wie das für die Materie gilt. Dieser Umgang mit dem lebendigen Leben ist komplizierter als der Umgang mit den Reaktionen der „toten“ Materien. Daher ist hier in mindestens ebenso hohem Maße absolutes Wissen erforderlich wie im Bereich der Materie, wenn man sich Hoffnung darauf machen will, Herr über diesen seinen Umgang mit dem lebendigen Leben zu werden und dadurch Herr über sein Schicksal zu werden. Aber hier geht es nur träge weiter, denn hier werden die Wesen in hohem Maße von gefühlsbetonten, aber vernunftlosen Sympathien und Antipathien geleitet, die wieder ihrer Lebensauffassung zugrunde liegen.
Diese ihre vielleicht genügend gefühlsbedingte, aber vernunftlose Lebenserkenntnis bedingt, dass jeder von ihnen seine Mitwesen von jenem Unbehagen aus beurteilt, das im Verhältnis zwischen ihm und seiner Umgebung vorhanden sein kann, ganz unabhängig davon, wie sehr er selbst die ursprüngliche Ursache des Unbehagens sein mag. Hier beruht ihr Urteil nicht auf Tatsachen, so wie das Wissen, das die Wissenschaft über die materiellen Reaktionen der Materie hat, auf Tatsachen beruht. Das bedeutet wieder, dass man in seinem Verhältnis zu den Mitwesen das Universelle noch nicht gefunden hat. Man befindet sich zwar auf der Wanderschaft durch die Religionen, Sekten und die Politik. Aber keine von ihnen basiert auf absoluten Tatsachen. Es sind Dogmen, Postulate und Vorschriften, die man noch nicht verwissenschaftlicht hat und damit zu unerschütterlichen, universellen Tatsachen oder Regeln gemacht hat, die unabhängig von Rasse, Nationalität und Glaubensrichtung gelten.
Herzlichst Martinus
Dieser Artikel beruht auf einem Manuskript, das Martinus als Vorbereitung für einen Vortrag verfasste, den er am 19. Februar 1950 im Vortragssaal des Instituts hielt. Kleinere sprachliche Korrekturen und Stücküberschriften wurden von Ole Therkelsen angebracht. Der Artikel wurde vom Rat am 20.01.1998 gutgeheißen.
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 8, 1998 mit dem Titel: "Mennesket og moralen" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk