Ganz oft, wenn wir an ein für uns brisantes Thema stoßen, aktivieren wir augenblicklich unsere Abwehrmechanismen und wir gehen in den Widerstand. Uns selbst kommt es meist eher so vor, daß wir dies als von “irgendwoher kommend” erleben. Das ist auch verständlich, da wir meist viele Jahre erfolgreich mit der Ablehnung oder Verdrängung dieser Themen und Emotionen gelebt haben und gerade so auch überleben konnten. Wir sagen dann: “Ich will ja, aber ich kann nicht!” Oder “es kommt einfach über mich, ich kann da nichts machen!” Versuche doch - einfach mal so - zu sagen: ”Ich will nicht!” Oder betrachte dieses “es”, das über Dich kommt, beschreibe es Dir so genau wie möglich und sage dann: ””Ich lähme mich” oder “ich verspanne meinen Magen” oder was auch immer Dein “es” ist. Spüre dabei die Wirkung. Ich weiß, daß alleine dies schon Angst und Widerstand auslösen kann. Doch vielleicht wagst Du es ja trotz der Angst und mit ihr.
Da es für uns in besonderer Weise schwer ist, Symptome anzunehmen und uns ihrer Botschaft zu öffnen - sie werfen uns ja aus der Bahn, halten uns ab, in der alten Spur rund zu laufen - möchte ich Dir noch eine weitere abgewandelte Möglichkeit der Symptomkommunikation aufzeigen. Der Anfang ist wie bei der vorherigen Übung, lege Dir Papier und Farbstifte zurecht:
Schließe Deine Augen, atme ein paar mal ruhig und tief ein und aus, komme ganz bei Dir an, nehme Dir die Zeit Deinen Körper vom Kopf bis zu den Füßen wahrzunehmen. Achte auch auf unterschiedliche Empfindungen in Deinem Körper, was für Emotionen sind jetzt in Dir? Welche Gedanken, Vorstellungen oder Bilder gehen Dir durch den Sinn?
Nun lenke Deine Aufmerksamkeit auf Dein Symptom. Öffne Dich ganz der Wahrnehmung des Symptoms und beziehe die Ebenen der Körperempfindung, Atmung, Emotionen und Gedanken, Bilder und Vorstellungen mit ein. Wenn Du glaubst, der Schmerz … sei zu groß für Dich, öffne Dich mit jedem Atemzug noch weiter. Lade das Symptom in Deinen Innenraum ein. Das Wahrgenommene erscheint und bewegt sich in Dir und durch Dich, nicht andersherum. Vielleicht ist es dabei not - wendig, Dein Bewußtsein über Deine Körpergrenzen hinaus auszudehnen. Gut, dann mache das mit jedem weiteren Atemzug. Komme von der Ablehnung zum aushalten und gehe weiter zum halten. Halte all das wahrgenommene in Dir.
Ohne den Kontakt zu Dir und dem Symptom abzubrechen, öffne langsam die Augen und beginne ein Bild zu malen. Es kommt nicht darauf an, daß Du “gut” malen kannst. Male so frei wie möglich einfach das, was in Dir ist.
Wenn Du fertig bist, lege Dein Bild vor Dich. Betrachte es, lasse es auf Dich wirken. Wie reagiert Dein Körper auf dieses Bild, Deine Atmung, welche Emotionen tauchen auf, welche Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen? Beschreibe Dein Erleben mit Worten. Was fällt Dir besonders ins Auge? Was zieht Dich an oder stößt Dich ab? …
Beginne nun damit, eine Geschichte zu Deinem Bild zu schreiben. Dann gebe Deiner Geschichte einen Titel.
Lese Deine Geschichte und finde deren Kern (z. B. eine Person hat sich im Wald verlaufen …). Frage Dich nun, in welchem Lebensbereich dies auf Dich zutrifft. Wo hast Du das Gefühl in die Irre gegangen zu sein, von Deinem Weg abgekommen zu sein? Und wie hast Du Dich bisher davon abgehalten, wieder auf Deinen Weg zu kommen? Gibt es Glaubenssätze, die das verhindern wie z. B. “Ich muß es anderen immer recht machen?” Oder steht die Angst dahinter, daß ein geliebter Mensch sich dann von Dir abwendet, Dich verläßt? Frage Dich nun weiter was Du brauchst, um aus dem Wald heraus kommen zu können. Z. B. ein offenes Gespräch mit der geliebten Person?
Komme nun noch einmal zu Deinem Symptom zurück. Wie fühlt es sich jetzt an? Hat sich etwas verwandelt, bewegt? Wenn ja, was? Wie hat sich Deine innere Haltung dem Symptom gegenüber verändert?
Machen Dir hierzu Notizen.
Jetzt wollen wir noch einen Schritt weiter gehen. Bisher haben wir erfahren, daß Körper, Emotionen und Verstand interagieren, ob wir dies bewußt wahrnehmen oder nicht. Aber es gibt noch tiefere (höhere) Ebenen, die sich durch Symptome bemerkbar machen können.
Fast jeder hat schon etwas vom “Schatten” gehört. Der persönliche Schatten beinhaltet alles was wir angeblich nicht sind, z. B. verlogen, selbstsüchtig, eitel, cholerisch oder überheblich. Das sind immer die anderen. Spannend ist, daß wir uns dabei sehr über “die Anderen” ärgern und empören können. Wenn dies passiert, sollte es schon in unseren Ohren klingeln “ah, ein Schattenthema!” Doch selbst wenn wir das wissen vergessen wir es allzu oft wieder - vor lauter Empörung.
Erstmal klingt das ja auch nicht gerade so, als wäre es wirklich erstrebenswert, diese Anteile ans Licht zu holen. Doch es ist trügerisch anzunehmen, daß unsere Schattenthemen ohne Wirkung auf unser Leben bleiben. Sie haben sich ja nicht in Luft aufgelöst, sondern wirken aus dem Dunkel in unser Leben und unsere Beziehungen hinein. Wir projizieren diese Themen auf andere. Und wie kann es anders sein, da wir dies schon bei uns selbst ablehnen, um so mehr bei den Anderen, die uns einen Spiegel vorhalten in den wir nicht blicken wollen. Deshalb erregen wir uns auch so sehr, wenn uns im Außen unsere Themen begegnen. Und gegen “das da draußen” beginnen wir auch zu kämpfen. Aber es sind wahrhafte Schattenkämpfe, die wir da führen.
Und das bedeutet auch, daß wir doppelt Energie aufbringen müssen. Einmal, um unsere Themen im Schatten zu halten - Tag für Tag, und dann für den Kampf im Außen. Wir können letztlich dabei nichts gewinnen, außer hoffentlich irgendwann die Einsicht, daß es vergeblich ist.
Um Dir das Thema etwas angenehmer zu machen: Es liegen jedoch nicht nur die Unliebsamen im Schatten verborgen. Dort können wir auch Spontaneität, Kreativität, Ausgelassenheit … finden. D. h., auch wenn Du jemanden besonders toll findest, ihn oder sie bewunderst für eine Fähigkeit, ist das ein Hinweis auf Deinen Schatten.
Wurde Dir als Kind z. B. gesagt “sei nicht so wild, das gehört sich nicht für nette Mädchen!” kann es sein, daß Du Dich von Deiner Spontaneität und Leidenschaftlichkeit abgeschnitten hast. Beleuchte Deinen Schatten, dort wirst Du alles wiederfinden, was die Erziehung und Sozialisierung Dich erstmal gekostet hat.
Wir haben Angst dort hinzuschauen was aus dem Schatten lauernd auf unsere Aufmerksamkeit wartet. Ganz oft ist es jedoch so, daß der Widerstand das schmerzhafteste ist. Die Angst “wenn ich einmal anfange zu weinen, kann ich nie mehr aufhören” oder “wenn ich der Wut erlaube sich zu zeigen schlage ich alles und alle einfach nieder” oder “wenn ich einmal loslasse, entgleitet mir alles!“ bewahrheitet sich beim zugewandten hinsehen nicht.
Denn wenn wir unseren E - Motionen erlauben sich zu bewegen (was im Wort selbst schon enthalten ist), können sie sich auch wandeln.
Es ist wie bei einem Fluß, der von einem Staudamm zurück gehalten wird. Stelle Dir die Kraft des Wassers vor und welchen Druck der Staudamm aushalten muß.
So wollen unsere abgelehnten Emotionen weiter fließen und wir müssen mit enorm viel Kraft dagegen halten. Bekommt der Staudamm risse - wird unsere Abwehr porös -spüren wir die Angst vor der Wassergewalt. Stellen wir uns nun aber vor, der Staudamm bricht, das Wasser flutet über die gefallenen Wände, um dann in seiner natürlichen Kraft weiter zu strömen, was für ein schönes Bild.
Fortsetzung folgt...
Ich freue mich auf Dich!