Hat Dich Kritik auch schon mal umgehauen?
von Martina Eyth -
Früher war es bei mir so, dass mich Kritik aus der Bahn geworfen hat. Immer! Wenn nur ein Hauch von Kritik zu spüren war, habe ich mich innerlich zusammengezogen. Ich fürchtete mich vor dem Gefühl, nicht richtig oder nicht gut genug zu sein. Kritik war ganz schlimm für mich. Wenn jemand Kritik äußerte, fiel ich innerlich zusammen und fühlte mich wie ein Mängelexemplar.
Um mich so nicht mehr fühlen zu „müssen“, entwickelte ich unbewusst superfeine „Fühler“. Ich tat alles für andere, gab mir ganz viel Mühe und nahm mich in vielen Bereichen meines Lebens zurück. All das tat ich (unbewusst), um keine Kritik zu ernten. Glücklich machte mich mit dieses Verhalten nicht. Heute weiß ich, dass ich mir nicht anders zu helfen wusste.
Dass ich mich verbog, um keine Kritik zu ernten, wusste ich nicht
Ich handelte unbewusst. Dabei sehnte ich mich so sehr danach, stabil zu bleiben, nicht mehr in mich zusammenzufallen. Es war mein Wunsch, Kritik als das zu fühlen, was sie ist, eine Beanstandung oder Bemängelung aus der Sicht eines anderen. Genau das war der Knackpunkt. Kritik ist die Sichtweise eines anderen. Deshalb muss meine Sichtweise nicht falsch und auch nicht minderwertig sein.
Meine Sichtweise kann genauso richtig sein, wie die desjenigen, der Kritik äußert. Und: Ich habe auch erkannt, dass es verletzende Kritik und liebevolle oder konstruktive Kritik gibt. Verletzende Kritik entsteht dadurch, dass Dich jemand nicht wahrnimmt und nur aus seiner Sicht benennt, was Du falsch gemacht hast. Er sieht und benennt nicht, was Du gut gemacht hast.
Liebevolle oder konstruktive Kritik wirkt nicht verletzend. Sie wird aus dem Wissen heraus geäußert, dass Du Dein Bestes gegeben hast. Dass Du Dir Mühe gegeben und Zeit investiert hast. Liebevolle oder konstruktive Kritik spornt Dich an und beflügelt Dich, über Dich hinauszuwachsen.
Ich „erzähle“ Dir von einer Situation, damit Du fühlen kannst, was ich meine. Vielleicht ging es Dir auch schon mal so wie mir.
Ich beschenkte mich mit einem Wunder, in Bezug auf Kritik
Vor einiger Zeit telefonierte ich mit einem Herrn. Er erzählte mir, was ich alles falsch gemacht habe, als ich ihm Texte von mir zuschickte. Puh, das war hart. Ich nahm wahr, wie ich immer betrübter wurde. Wäre ich ein Kind gewesen, hätte ich vermutlich geweint.
Ich fühlte mich zurück versetzt in meine Kindheit und erinnerte mich daran, wie ich meiner Mutter beim Hausputz geholfen habe. Schwungvoll habe ich geputzt, mir ganz viel Mühe gegeben und meine Mutter hat nur auf die Dinge geachtet, die ich nicht ordentlich gemacht habe. Schon damals hat mich etwas an ihrer Kritik verletzt. Ich wusste lange Zeit nicht was es war, doch inzwischen weiß ich es und lasse Dich gerne daran teilhaben.
Ich lenke den Fokus wieder sanft auf das Erlebnis mit dem Herrn, der mich kritisiert hat. Du spürst es vermutlich schon, dass er auch nicht gesehen hat, wie viel Mühe ich mir gegeben habe. Er war auf inneren Ebenen darauf ausgerichtet, was besser sein könnte, damit er problemlos sein Ziel erreicht. Das kann ich verstehen und auch nachvollziehen. Ich sehe auch, dass ich durch meine Unwissenheit bremsend gewirkt habe.
Was hat Kritik mit einer Einbahnstraße zu tun?
Du hast gespürt, dass ich die Verantwortung dafür übernommen habe, dass ich durch meine Unwissenheit bremsend gewirkt habe. Ich habe mir die Kritik zu Herzen genommen und werde in Zukunft meine Texte anders gestalten. Das mache ich gerne, denn jetzt weiß ich, worauf ich achten muss.
Spürst Du die Einbahnstraße. Ich schaue, was ich besser machen und optimieren kann. Ich habe aber noch etwas getan. Ich habe nämlich dem Herrn, der Kritik geäußert hat, gesagt, wie viel Mühe ich mir gegeben habe. Dass ich mir wünschen würde, dass er auch das sieht. Dass die Mühe für ihn vielleicht nicht zielführend war, dass ich mir aber sehr wohl etwas dabei gedacht habe, und dass ich mir wünschen würde, dass er das auch sieht. Ich habe auch gesagt, dass ich nicht wusste, was er braucht, um reibungslos arbeiten zu können.
Spürst Du, was ich gemacht habe? Ich habe aus der scheinbaren Einbahnstraße, dass nur ich nicht optimal gehandelt habe, eine „Zweibahnstraße“ gemacht. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich nicht allein verantwortlich für dieses Missverständnis bin.
Das hat mir gut getan. Ich war nicht mehr wie die kleine Martina, die von ihrer Mutter Kritik für ihre Arbeiten bekommt. Nein, ich war die erwachsene Martina, die erkannt hat, dass es etwas zu Optimieren gibt, und die trotzdem ihren Einsatz schätzt und dazu steht.
Weißt Du, was mich an dieser Kritik-Lektion dankbar sein lässt?
Ich habe dadurch einen noch bewussteren Umgang mit Kritik gelernt. Natürlich habe ich aus Unwissenheit auch schon andere mit verletzender Kritik überrollt. Das bedaure ich sehr. Ich schäme mich sogar dafür.
Gleichzeitig bin ich aber auch stolz auf mich, dass ich so offen bin und die Verantwortung für mein Verhalten übernehme. Und ich bin auch stolz darauf, dass ich mich vertreten habe. Dass ich darauf hingewiesen habe, wie viel Mühe ich mir gegeben habe.
Etwas finde ich besonders schön. Durch das Erlebnis schreibe ich diesen Text. Du liest diesen Text und wirst vielleicht in Zukunft anders reagieren, wenn an Dir oder Deinem Verhalten Kritik geäußert wird.
Hast Du den Unterschied von verletzender oder liebevoller und konstruktiver Kritik gespürt?
Von Herzen
Deine Martina Eyth
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